Protocol of the Session on February 5, 2015

Mit diesem Ansatz treten wir allerdings auf der Stelle. Der Haushalt 2015/2016 setzt insoweit keine neuen Impulse zum Thema „Personal, Personaleinsparungsmöglichkeiten und -entwicklungen“.

Die Justiz steht, Herr Minister Stickelberger, mit der Neuord nung des Grundbuchwesens und der Reform des Notariatswe sens vor der größten Reform der letzten Jahrzehnte. Dies hat erhebliche personalwirtschaftliche und stellenmäßige Konse quenzen. Wir wissen, dass 2018 der Stichtag ist, dass es kei nen fließenden Übergang beim Notariat gibt, sondern einen Stichtag. Das macht die Situation für die Justiz so schwierig. Aber trotzdem ist es notwendig, zu schauen, dass wir die Übergangszeit kurz halten und die Reduzierung der Personal überhänge möglichst zeitnah erreichen. Mit der Reform ist ein Einnahmeausfall von 120 Millionen € für den Landeshaushalt

verbunden, und wir müssen schauen, dass ein Teil dieses Be trags dann auch durch mögliche Einsparungen gedeckt wer den kann.

Ein Beispiel dafür, wo noch Personalressourcen gewonnen werden können, können Sie dem vielleicht trockenen Beitrag zu den sogenannten steuerlichen ESt4B-Mitteilungen entneh men. Hier geht es um die Übermittlung, Auswertung und Übertragung der Daten von Grundlagenbescheiden, die meh rere Steuerpflichtige betreffen. Allein durch die Übermittlung und Auswertung in elektronischer Form statt in Papierform könnten über 100 Personalstellen für neue Aufgaben umge widmet werden. Das ist aber noch nicht alles: Wir würden auch die Fehleranfälligkeit in erheblichem Umfang reduzie ren, wenn nicht gar vermeiden.

Ein drittes Beispiel ist, vom Rechnungshof angestoßen, das Dienstreisemanagement. Das ist nicht besonders schlagzei lenträchtig, aber eine Sparmaßnahme, die niemandem wehtut und dazu noch bessere und schnellere Ergebnisse bringt. Wo gibt es das sonst? Und es ist noch nicht ausgeschöpft. Ich den ke, wir könnten dieses Dienstreisemanagement auch auf die Hochschulen übertragen und ausweiten; dies würde weitere Effizienzrenditen erbringen.

Ein weiteres, allerdings schwieriges Feld ist die unverzicht bare Aufgabenkritik – als Daueraufgabe viel beschworen, gleichwohl ein brachliegendes Feld. Ein Stichwort mag genü gen: polizeifremde Aufgaben. Brauchen wir wirklich ein pro fessionelles Landespolizeiorchester? Ich weiß, Sie haben sich die Entscheidung nicht leicht gemacht und sich zum Teil schwer damit getan, aber als Rechnungshof müssen wir da hinter ein Fragezeichen machen.

Das Thema Infrastruktur bekommt zunehmend größere Be deutung. In dem Querschnittsbeitrag zur Projektsteuerung bei Hochbauvorhaben des Landes, der aber auch für den Tiefbau gilt, legen wir den Fokus auf die Notwendigkeit der Bauher renfunktion des Landes. Ich bringe es auf den Nenner: Wir brauchen weniger Projektleiter, aber mehr Projektsteuerer. Das Ganze zählt – Funktionalität, Termintreue, Kosten –, weniger das Detail. Wenn Dinge schieflaufen, dann oft, weil Nutzer und Bauverwaltungen in Detaillösungen eingreifen, wenn die Aufträge schon vergeben sind oder der Bau bereits im Gang ist.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Beispiel!)

Mehr verlässliche Zielvorgaben, mehr Steuerung, aber weni ger Einflussnahme zur falschen Zeit, das wäre die richtige Rei henfolge.

Ein Blick auf das zentrale Thema Haushalt: Die Regierung, Herr Staatssekretär, plant, 2016 ohne neue Schulden auszu kommen. Wir begrüßen dies. Der Schritt ist richtig und not wendig.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Aber 2017?)

Allerdings – wir haben dies in der Denkschrift angemahnt – wäre er bereits 2014 möglich und damit letztlich auch fällig gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Schauen Sie sich das vorläufige Ergebnis 2014 an. Es ist im Finanzierungssaldo um rund 2 Milliarden € besser als im Plan.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE)

Wir sehen uns daher mit diesen Zahlen in unserer Empfeh lung vom Frühjahr voll bestätigt. Hinter die Nettokreditauf nahme für 2014 von 1,2 Milliarden € ist daher unter dem As pekt der Nachhaltigkeit, der Konsolidierung mehr als ein Fra gezeichen zu machen.

Die Regierung stellt ihre Haushaltspolitik unter den Dreiklang von Konsolidieren, Investieren und Sanieren. Wir begrüßen dies. Das Bild vom Dreiklang ist gut gewählt. Der Dreiklang braucht aber einen Grundton, auf dem er aufbaut, und dieser Grundton kann nur die Konsolidierung sein. Sonst stimmt nachher die gesamte Harmonie und Komposition nicht.

Im neuen Doppelhaushalt erhöhen Sie die Ausgaben in den beiden Jahren um rund 2,6 Milliarden € – eine Steigerung von über 6 %. Der Beitrag zur Haushaltskonsolidierung beschränkt sich im Wesentlichen auf hohe Steuermehreinnahmen und niedrige Zinsen. Für beide Planjahre, 2015 und 2016, kom men Sie so zu einem negativen Finanzierungssaldo von je weils rund 1,2 Milliarden €. Das Testat der Nachhaltigkeit können wir deshalb nicht anbringen.

Meine Damen und Herren, die Finanzlage Baden-Württem bergs hängt aber nicht allein von Entscheidungen des Land tags und der Landesregierung ab. Die Zahlungen in den Län derfinanzausgleich schlugen 2013 mit fast 3 Milliarden € zu Buche. Im vergangenen Jahr werden wir bei etwa 2,5 Milli arden € landen – eine Größenordnung, die weit höher ist als das, was das Land für seine Zinsen aufbringen muss, eine Grö ßenordnung, die etwa dem Etat eines großen, personalinten siven Ministeriums entspricht wie dem Innenministerium mit seiner gesamten Polizei.

Der Zeitpunkt für die Neuordnung des Finanzausgleichs ist denkbar ungünstig, aber man kann sich diesen Zeitpunkt nicht aussuchen. Es geht jedoch nicht nur um den Länderfinanzaus gleich, sondern auch um die Ausgleichszahlungen des Bun des an die neuen Länder, eine Reihe einzelner Fachprogram me – denken Sie an das Thema „Nachfolge für das GVFG“, das den Landtag wiederholt beschäftigt hat – und das Ver schuldungsverbot, das dann ohne Ausnahmen greifen wird – all das kommt zusammen.

Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wird also insgesamt auf den Tisch kommen müssen. Jede staatli che Ebene sollte dann finanziell jedoch so ausgestattet wer den, dass sie ihre Aufgaben selbstständig erfüllen kann. An die Stelle von Mischfinanzierungen muss eine sachgerechte Verteilung des Steueraufkommens treten – Entflechtung statt Mischfinanzierung.

Der Rechnungshof unterstützt die Landesregierung, wenn sie den Kurs früherer Föderalismuskommissionen, die vom heu tigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, Herrn Land tagsvizepräsident Drexler und dem damaligen Ministerpräsi denten Günther Oettinger wesentlich geprägt waren, konse quent weiterverfolgen will.

Ich darf den Ministerpräsidenten aus einer damaligen Rede zitieren:

Mit Blick auf das Jahr 2019 werden wir Föderalisten nochmals mutiger werden müssen...

Ich plädiere dafür, dass wir diese Fragen nicht erst im Herbst 2018 diskutieren...

So weit der heutige Ministerpräsident.

Es stellt sich die Frage, warum Baden-Württemberg beispiels weise die Diskussion über den Solidaritätszuschlag nicht da zu nutzen sollte, eine teilweise Umwandlung in eine Ergän zungsabgabe mit Hebesatzrecht vorzuschlagen und das Gan ze in die Finanzhoheit, in die Gestaltungszuständigkeit des Landes zu überführen. Damit könnten wir eines erreichen, nämlich Länderaufgaben und Ländersteuern den Bürgern transparenter zu vermitteln und auch die Sensibilität für die Kosten staatlichen Handelns zu fördern.

Dies sind einige Themen und Beispiele zur Denkschrift.

Zum Schluss noch ein Wort zu unserer eigenen Arbeit. Mei ne Damen und Herren, post eventum ist es naturgemäß immer einfacher, zu raten und zu prüfen. Mit unserer Prüfungstätig keit wollen wir aber nicht die Besserwisser spielen, sondern wir wollen zu tatsächlichen Verbesserungen beitragen.

Dabei haben wir – das möchte ich an dieser Stelle auch zum Ausdruck bringen – hohen Respekt vor der Leistung und dem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lan desverwaltung. Sie leisten eine gute Arbeit, eine Arbeit, die sich rundum sehen lassen kann. Diese Feststellung ist mir auch persönlich wichtig. Sie gehört zu dem Testat, das wir mit unserer Denkschrift, die Sie heute beraten, abgeben wollen.

Herzlichen Dank für Ihre Geduld und das Zuhören.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Löffler das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrter Herr Munding, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die 160-seitige Denkschrift 2014 des Rechnungs hofs lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Das Land nimmt immer mehr Geld ein und lebt immer mehr über seine Verhältnisse.

Besserung ist nicht in Sicht. Im Fokus der Denkschrift steht zwar das Jahr 2012, aber auch der Doppelhaushalt 2015/2016 bringt keine nachhaltige Verbesserung und weist für 2015 ein strukturelles Defizit in Höhe von 2,8 Milliarden € aus. Die Fi nanzen des Landes werden auf Jahre hinaus ruiniert.

Mein Kollege Herrmann hat Ihnen in seiner Haushaltsrede überzeugend dargelegt, dass dieser Haushalt Hypotheken für die nächste Legislaturperiode angelegt hat. Bei allen Rechen künsten werden wir nicht in der Lage sein, im Jahr 2020 Schulden zurückzuzahlen. Das ist die traurige Wahrheit.

Die Haushaltsrechnung 2012 schloss mit einem Überschuss von 1,2 Milliarden € ab, wie der Rechnungshof feststellte. Die Einnahmen sprudelten wie noch nie: fast 41 Milliarden € im Jahr 2012 und noch einmal 2 Milliarden € mehr im Folgejahr.

Aber auch die Schulden stiegen. Die Pro-Kopf-Verschuldung in Baden-Württemberg wuchs um 10 % von 3 901 € im Jahr 2012 auf 4 286 € im Jahr 2014, während in Bayern und Sach sen die Pro-Kopf-Verschuldung abgebaut wurde. In Sachsen beträgt sie 783 €, 20 % weniger als vor zwei Jahren, und in Bayern 1 991 €. Davon sind wir meilenweit entfernt.

Der Abstand zu den Besten wird immer größer. Auf dem grünroten Grammofon spielt die Jammerplatte von der Erblast der Vorgängerregierung. Die Platte hat einen Sprung.

(Beifall des Abg. Dieter Hillebrand CDU – Abg. Wal ter Heiler SPD: Nicht nur die Platte!)

Wir sind wieder spitze. Wir sind an der Spitze aller Bundes länder beim Schuldenmachen, nachdem 2013 der letzte Platz an die Genossin Hannelore Kraft aus NRW ging: Habemus regem; wir haben einen neuen Schuldenkönig: König Nils Pump der Erste.

(Der Redner hält eine goldfarbene Papierkrone hoch. – Zuruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Nachher lädt die SPD zum Empfang im Weißen Saal des Neu en Schlosses ein. Zeitgleich werden die drei Stauferlöwen aus unserem Wappen durch drei Pleitegeier ersetzt.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Selbst notorisch klamme Länder wie Brandenburg und Ber lin haben 2,8 Milliarden € Schulden getilgt. Die Landesregie rung hat bei den Ausgaben – so schreiben es die Medien – „die Schleusen geöffnet“ und hinterlässt den Jüngeren „verbrann te Erde“. Dies ist eine vernichtende Kritik – die nicht aus dem Mund der Opposition kommt. Das muss man erst einmal brin gen: Rekordeinnahmen und Rekordschulden.

Pro Tag muss unser Land eine Zinslast von 4,7 Millionen € schultern, und das bei einem historisch niedrigen Zinssatz. Der Rechnungshof geißelt das zu Recht; wir, die CDU, auch.

Das Problem ist die Ausgabenseite, moniert der Rechnungs hof und mahnt eine durchgreifende Veränderung des Länder finanzausgleichs an, um den Abfluss unserer Steuereinnahmen zu begrenzen. Die Landesregierung verhält sich wie Alois Hingerl, der „Münchner im Himmel“. Sie erledigten Ihre Auf gabe mit solcher Hast, dass Sie vom Schlag getroffen zu Bo den sinken.

(Heiterkeit des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Sie kennen das Ende der Geschichte von Ludwig Thoma: Die bayerische Regierung wartet noch immer auf die göttliche Eingebung. Wir auch, nur bei den Bayern bin ich mir nicht ganz so sicher.

Bei der Einnahmeseite schlägt der Rechnungshof vor, den So lidaritätszuschlag in der Finanzhoheit und Gesetzgebungs kompetenz der Länder als Ergänzungsabgabe mit eigenem He besatzrecht umzuwandeln. Die Bürgerinnen und Bürger könn ten so die Kosten staatlichen Handelns besser nachvollziehen, weil dadurch die Zusammenhänge zwischen Länderaufgaben und Ländersteuern transparenter würden. Das ist ein interes santer Vorschlag, wie ich finde – auch wenn ich meine, dass der Soli seine Schuldigkeit getan hat und abgeschafft gehört.

Aber warum debattieren wir nicht im Finanzausschuss oder im Plenum darüber?