Protocol of the Session on November 26, 2014

Das sind doch nicht die eigenen Probleme der Realschulen. Die Realschulen haben doch heute Schwierigkeiten, die GrünRot ihnen aufgebürdet hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Das sind grün-rote Probleme an der Realschule.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Würden Sie die Realschulen in Ruhe lassen, würden Sie den Realschulen die nötigen Ressourcen geben, um ihre Arbeit, für die die dort tätigen Lehrkräfte hervorragend ausgebildet und vorbereitet wurden, wahrzunehmen, könnten die Real schulen allein entscheiden, und dann würden sie sich nicht für das Konzept der Pädagogik der Gemeinschaftsschule entschei den. 15 von 209 – das spricht eine klare Sprache. Das können Sie verbal verklausulieren mit „weiterentwickeln“ und Ähn lichem.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Sie möchten langfristig keine Realschulen mehr haben, son dern Gemeinschaftsschulen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Antrag der Abg. Peter Hauk u. a. CDU – Entlassung des Justizministers Rainer Stickelberger – Drucksache 15/6170

dringlich gemäß § 57 Absatz 2 Nummer 3 GeschO

Mit dem gestern Abend eingegangenen Antrag wird der Mi nisterpräsident nach Artikel 56 der Landesverfassung aufge fordert, Herrn Rainer Stickelberger aus der Landesregierung zu entlassen. Bei dem Antrag handelt es sich um einen dring lichen Antrag nach § 57 Absatz 2 Nummer 3 der Geschäfts ordnung. Dringliche Anträge werden nach § 57 Absatz 1 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der nächsten Plenar sitzung gesetzt.

Dieser Antrag bedarf nach § 56 unserer Geschäftsordnung der Unterstützung durch ein Viertel der Mitglieder des Landtags oder durch zwei Fraktionen. Nachdem dieser Antrag von 48 Abgeordneten unterzeichnet ist, sind die formalen Vorausset zungen für die Zulässigkeit gegeben.

Die Fraktionen haben folgende Redezeiten vereinbart: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minu ten je Fraktion.

Wem darf ich das Wort für die Begründung geben? – Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hauk für die CDU-Fraktion.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Nicht Herrn Wolf?)

Frau Präsidentin, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Die Freiheit eines Menschen endet an den Gefängnistoren, nicht aber die Menschenwürde und nicht der demokratische Rechtsstaat. Dieser Rechtsstaat befindet sich vielmehr besonders dann in einer Bewährungsprobe, wenn er denen Recht zukommen lassen muss, die sich ihm widersetzen und deshalb in staatliche Verwahrung genommen werden.

Sie, Herr Justizminister, sind für die Aufsicht und die Ausstat tung des Strafvollzugs verantwortlich, und Sie sind dieser po litischen Verantwortung nicht gerecht geworden.

In unseren Vollzugsanstalten arbeiten täglich viele hoch mo tivierte und qualifizierte Menschen in einem äußerst komple xen und immer schwieriger werdenden Umfeld. Sie sind häu fig mitunter gefährlichen Situationen ausgesetzt. Es ist Auf gabe der Politik, ihnen Rahmenbedingungen zu geben, damit sie sicher arbeiten können. Für ihre wichtige Arbeit danken wir ihnen, und wir wollen ihnen auch sagen, dass unser Fo kus der Kritik nicht auf der Arbeit unserer Justizbediensteten liegt, sondern auf Ihrer politischen Verantwortung, Herr Mi nister, für die Rahmenbedingungen.

Erstmals in der Geschichte unseres Landes ist am 9. August ein Mensch in einem baden-württembergischen Gefängnis un ter Aufsicht baden-württembergischer Beamten verhungert.

Er war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein Vierteljahr rechtswidrig in Einzelhaft – rechtswidrig, weil Ihr Ministeri um die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung zur Einzel haft nicht erteilt hatte. Es konnte sie auch nicht erteilen; denn die Justizvollzugsanstalt Bruchsal hatte keinen Antrag gestellt, und Ihr Ministerium hatte auch nicht mehr nachgefragt – und dies, obwohl bereits einmal, zum Jahreswechsel 2013/2014, dieselbe JVA bei demselben Häftling die Zustimmung zu spät beantragt hatte und Ihr Haus daraufhin den gesamten Vorgang fast einen Monat liegen ließ. Auch dies war rechtswidrig und geschah unter Ihrer Aufsicht.

Ihr Ministerium hatte auch nicht nachgefragt, als es spätes tens im Juli 2014 durch eine E-Mail des Anstaltsleiters wuss te, dass der Gefangene immer noch gefährlich war, keine An staltsnahrung zu sich nahm, nur Müsli aß und unter Wahnvor stellungen litt, die mit Medikamenten gut einstellbar gewesen wären, welche der Gefangene aber verweigerte.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Sie haben uns erläutert, dass für das Ministerium entscheidend gewesen sei, dass geschrieben wurde, der Gefangene sei – ich zitiere wörtlich – „gesundheitlich stabil und sauber“. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Anstaltsleiter bereits da mals Einrichtungen wie die Psychiatrie oder das Justizvoll zugskrankenhaus als besser geeignet sah, um den Gefangenen unterzubringen.

Außerdem liefen zeitgleich unter enger Begleitung Ihres Mi nisteriums Disziplinarverfahren gegen zwei Bedienstete we gen einer bizarren und menschenverachtenden Gefangenen darstellung im November 2013, in welcher einer den anderen in Gefängniskleidung und mit schwarz gefärbtem Kopf an die Heizung kettete und fotografierte. Schließlich gab es auch Haftraumkontrollen.

Diese Informationen hätten zusammengenommen dazu füh ren müssen, die Aufsicht über diese JVA mit besonderer Sorg falt wahrzunehmen. Ihr Haus haben Sie aber nicht so organi siert, dass solche Informationen über den Strafvollzug, einen neuralgischen Punkt in Ihrer Zuständigkeit, zusammenlaufen. Sie konnten auch nicht erklären, wieso Sie selbst überhaupt erst zehn Tage nach dem tragischen Todesfall von Ihrem Haus informiert wurden, und das, obwohl bereits vier Tage vorher von der Kriminalpolizei Akten sichergestellt worden waren und das Landespolizeipräsidium bereits acht Tage vorher Ih rem Haus gemeldet hatte, der Gefangene sei allerdings „sehr hager, fast abgemagert“ gewesen, denn – wörtlich – er habe das Essen und Trinken verweigert. Nur Müsli und Wasser ha be er zu sich genommen.

Sie haben in der Aufsicht aufgrund von Organisationsfehlern versagt, aber Sie haben auch bei der Aufklärung versagt. Wäh rend Sie zu Beginn und auch noch im Oktober 2014 alle Schuld der Einfachheit halber auf die Bediensteten und die Justizvollzugsanstalt abgeschoben hatten, mussten Sie schließ lich – das war ein Paradigmenwechsel – jetzt im November zugeben, dass in Ihrem Haus bei der Prüfung der Einzelhaft voraussetzungen erhebliche rechtliche Defizite bestanden.

In der jüngsten Sondersitzung des Ständigen Ausschusses ha ben Sie dann von einer für Sie unbefriedigenden Kultur der Bringschuld gesprochen, die Sie nunmehr in eine Holschuld des Ministeriums wandeln wollen. Damit haben Sie schluss

endlich auch Ihre Fehler in der Aufsicht eingeräumt, die Sie vorher immer bestritten hatten.

Sie, Herr Justizminister, haben nur zugegeben, was nicht mehr zu bestreiten war, und ansonsten nur Selbstschutz betrieben. Wesentliche Teile des Sachverhalts wurden erst durch unsere Berichtsanträge oder durch Presseanfragen bekannt. Durch die Presseberichterstattung wurde auch bekannt, dass es noch einen weiteren Fall ungenehmigter rechtswidriger Einzelhaft gegeben hat. Sie haben dies dem Ständigen Ausschuss ver schwiegen, als Sie das erste Mal im Oktober die Gelegenheit hatten, für Klarheit zu sorgen. Sie haben dafür einen Abtei lungsleiter Ihres Hauses verantwortlich gemacht, der Sie über die damals in Ihrem Ministerium bereits bekannte Tatsache nicht informiert habe.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Sie haben diesen altgedienten, hoch angesehenen Verwal tungsbeamten jetzt vorzeitig in den Ruhestand geschickt

(Lachen bei den Grünen – Glocke der Präsidentin)

und dadurch – meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, warum Sie so reagieren – ein weiteres Novum in der Landesgeschichte geschaffen.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Ihre Ministerialdirektorin, die einzige Beamtin, die Sie hätten in den Ruhestand schicken können – die einzige! –, haben Sie verschont und sich selbst natürlich auch.

Dass Sie einem Beamten die Schuld zuweisen, bestätigt, dass Sie sich auch nach einem intensiven Austausch über die Vor gänge in der JVA nicht selbst um die Aufklärung der Sachver halte gekümmert haben oder durch entsprechende Direktiven an Ihre Ministerialdirektorin als politischer Beamtin eine feh lerfreie Aufklärung sichergestellt haben.

Außerdem haben Sie am Parlament vorbei gearbeitet, um sich gegenüber der Öffentlichkeit Ihrer politischen Verantwortung zu entziehen. Dass Sie an der Sitzung des Ständigen Aus schusses am 6. November nicht teilnehmen konnten, weil Sie in der Justizministerkonferenz gebunden waren, haben wir re spektiert. Tags darauf in der Presse die Beschuldigungen ge gen die Beschäftigten in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal zu lesen, hat uns enttäuscht. Das war auch schlichtweg feige.

Dass Sie unmittelbar vor der Sondersitzung des Ständigen Ausschusses in einer Pressemitteilung Maßnahmen zur Än derung der Kontrollmechanismen im Justizvollzug verkün den, ohne deren Gründe und Ziele vorher mit dem Parlament zu diskutieren, entspricht auch nicht den guten parlamentari schen Gepflogenheiten.

Rückhaltlose Aufklärung, wie von Ihnen angekündigt, sieht anders aus. Vertrauen wurde zerstört und konnte von Ihnen auch nicht wiederhergestellt werden. Sie antworten und han deln nur dann, wenn Sie nicht mehr anders können. All Ihre Maßnahmen – das Opfern eines Abteilungsleiters, Änderun gen der Berichtspflichten im Strafvollzug, angekündigte Schu lungen des Personals sowie die Einsetzung einer Kommissi on – kommen zu spät, zu zögerlich, sind weder nachhaltig noch zielführend.

Können Sie durch Ihre Kontrollmechanismen sicher ausschlie ßen, dass in Baden-Württemberg künftig nie mehr ein Mensch rechtswidrig in Einzelhaft sitzt? Können Sie ausschließen, dass ein Mensch nicht mehr unter der Aufsicht baden-würt tembergischer Beamter verhungert? Können Sie ausschließen, dass durch Verschulden oder Unterlassen Menschen in Haft anstalten zu Tode kommen? Das gab es noch nie.

Sie haben sich im Kabinett nicht durchgesetzt; Ihr Haushalts entwurf lässt keinen Raum für strukturelle Änderungen im Strafvollzug. Das ist auch die Krux der von Ihnen angekün digten Kommission. Ohne Mittelausstattung fehlt ihr das In strumentarium, etwas zu bewirken. Sie ist auch nicht geeig net, Vorfällen wie beispielsweise der Massenschlägerei in Adelsheim für die Zukunft vorzubeugen.

(Zuruf: Waren Sie dort?)

Herr Justizminister, Sie haben am Ende einer langen, mit par lamentarischen Mitteln betriebenen gründlichen und aufwen digen Untersuchung einräumen müssen, dass Sie in der Auf sicht über die Justizvollzugsanstalten versagt haben. Sie ha ben in der Aufklärung der politischen Verantwortlichkeiten versagt. Sie können keine Perspektive für einen grundlegen den Neuanfang anbieten.

Herr Justizminister, wir fordern den Ministerpräsidenten des halb auf, Sie als Minister zu entlassen; denn Sie tragen ohne Wenn und Aber die politische Verantwortung für Ihr Ressort, und es ist einfach zu billig, die Strafvollzugsbediensteten da für allein verantwortlich zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD: Schwacher Beifall! – Unruhe bei den Grünen und der SPD)

Unsere Kritik richtet sich gegen Ihr Handeln und Wirken als Minister, nicht gegen Sie als Person. Sie haben es noch weni ge Minuten in der Hand, selbst darüber zu entscheiden, wie Sie mit der Würde und der Verantwortung Ihres Amtes umge hen wollen. Bloßer Machterhalt ist Ihrer und Ihres wichtigen und bedeutsamen Amtes nicht würdig.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Frau Abg. Sitzmann.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ja, wir diskutieren heute einen Fall, den es so in Baden-Württemberg noch nicht gegeben hat und der uns alle erschüttert und schockiert. Es ist völlig klar, dass der Hungertod des Häftlings in der JVA Bruchsal der Aufklä rung bedarf und dass Konsequenzen daraus gezogen werden müssen, meine Damen und Herren. Der Justizminister hat be reits zahlreiche Konsequenzen gezogen. Er hat auch für die Zukunft Verbesserungen, was die Prüfung von Einzelhaft an geht, auf den Weg gebracht.