Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Wir haben in diesem Raum eine bewegende Feierstunde erlebt.
Das darf man noch einmal mit einem Satz festhalten, gerade wenn uns jetzt der Alltag der baden-württembergischen Lan despolitik wiederhat. Dieser Alltag besteht darin, dass wir uns z. B. in der letzten Woche mit Lügengeschichten befassen mussten, die die Grünen in der Enquetekommission aufge tischt haben. Wir mussten uns damit befassen, dass ausgerech net der Drehbuchautor dieser ganzen Schwindeleien jetzt im Untersuchungsausschuss maßgeblich mitwirken soll.
Diese Zumutung wirft natürlich die Frage nach wechselnden moralischen Maßstäben bei den Grünen generell auf.
Wir werden gleich sehen, dass sich krasse Fälle von Doppel moral durch die unterschiedlichsten Bereiche grüner Politik ziehen – sozusagen wie ein grüner Faden.
Meine Damen und Herren, das für mich schlimmste Beispiel – übrigens auch mit aktuellem Bezug – möchte ich als Erstes nennen. Da händigt ein grüner Ministerpräsident einem Ju gendfreund, dem man für seine schlüpfrigen Äußerungen zur Sexualität mit Kindern eigentlich eher noch nachträglich ei nen Strafbefehl schicken sollte, einen Preis aus.
Man muss schon ganz schön befangen sein von der Arroganz der Macht, um nicht zu merken, dass dies nun gar nicht geht und auch ein Schlag ins Gesicht derer ist, die sich täglich ge gen das verdeckte Problem des Kindesmissbrauchs wenden und dagegen kämpfen und die sich in ihren moralischen Maß stäben hoffentlich nicht beirren lassen.
Da darf man den Grünen auch einmal zurufen: Es geht nicht um die Aufarbeitung der Vergangenheit – damit haben Sie oh nehin zu tun –, sondern es geht um die Aufarbeitung der Ge genwart.
Das nächste Beispiel aus einer Fülle von Beispielen, die Sie finden, wenn Sie einmal über wechselnde moralische Maßstä be und Doppelmoral bei den Grünen nachdenken: Gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode wurde die Grunderwerbsteu er erhöht. Diejenigen Abgeordneten aber, die die Grünen nach Berlin schicken, „vergessen“ gleich reihenweise, dort ihre Zweitwohnungsteuer zu bezahlen – allen voran der Fraktions sprecher. Da muss man sagen: Steuern hinterziehen kann man nicht nur in der Schweiz. Das kann man auch in Berlin. So viel zum Thema Steuerehrlichkeit.
Jetzt vielleicht als kleiner Zwischengang in diesem wenig ap petitlichen Milieu – ein kleines Kolorit sozusagen –: Wir ha
ben alle die Hitlisten des Schadstoffausstoßes der Dienstwa gen der Landesregierung gesehen. Damals wurde auf Nach frage der Grünen genau festgestellt: Wer fährt welches Auto, und welchen Schadstoffausstoß hat es? Meine Damen und Herren, ich stelle nüchtern fest: Die Grünen sitzen immer noch in genau den gleichen Autos, in denen wir gesessen sind.
Der einzige Unterschied ist der, dass sich die Grünen jetzt ein noch dickeres Fraktionsauto gekauft haben und aufgrund der Kabinettsvergrößerung ein paar Limousinen dazugekommen sind.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Hört, hört! – Zurufe von den Grünen – Abg. Thomas Poreski GRÜNE meldet sich.)
Jetzt kommen wir zum nächsten „Hauptgang“. Es gibt die ins besondere den Grünen nahestehende Neue Richtervereini gung. Sie hat jahrelang die Selbstverwaltung der Justiz gefor dert, und zwar in dem Sinn, dass der staatliche Einfluss – auch auf Haushaltsmittel der Justiz und vor allem auf Personalent scheidungen in der Justiz – ganz abgeschafft wird. Diese For derungen wurden von den Grünen in früheren Jahren gerade zu begeistert aufgegriffen. Aber seitdem Sie, meine Damen und Herren, an der Regierung beteiligt sind, kam es zu Ein flussnahmen auf die Personalauswahl in der Justiz, wie es sie in diesem Land bisher noch nicht gegeben hat.
Damit meine ich nicht nur die Entscheidung im Fall des Ge neralstaatsanwalts und die bekannte Einmischung des Staats ministeriums, sondern ich meine z. B. auch den Fall, dass der Justizminister offenbar ins Staatsministerium zitiert werden sollte, um über die Nachfolge des Oberstaatsanwalts Häußler zu reden. Dieses Gespräch hat dann nicht dort stattgefunden. Aber Sie können davon ausgehen, dass irgendwo darüber ge redet wurde, wie man einen missliebigen Staatsanwalt durch einen weniger missliebigen ablösen kann.
Das ist ein in der Landesgeschichte bisher einmaliges Ereig nis. Das muss man erst einmal fertigbringen. So viel zur Fra ge nach der Selbstverwaltung der Justiz und der Prinzipien treue der Grünen.
Herr Kollege Goll, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass das Dienstfahrzeug des Ministerpräsidenten gerade einmal ein Drittel des Schadstoff ausstoßes des Dienstfahrzeugs seines Amtsvorgängers hat?
Zum Zweiten: Würden Sie akzeptieren, dass es, wenn man Maßstäbe wie „genauso groß“ oder „größer“ ansetzt, eher von einem Neidkomplex zeugt als von der Überzeugung, dass un ser Land mit Hightech ökologischer werden kann?
Es ist sehr originell, dass Sie jetzt von einem Neidkomplex reden. Ich könnte mir vor stellen, dass wir, wenn wir an der Regierung geblieben wären – vielleicht sind wir auch bald wieder an der Regierung –,
auch etwas umweltfreundlichere Autos fahren würden. Es ist doch klar, dass jeder den technischen Fortschritt nutzt.
Aber das Interessante ist: Sie stellen jedenfalls nicht infrage, dass alle ein Fahrzeug der S-Klasse fahren müssen. Das freut mich ja. Das wurde eben früher durchaus in anklagenden Kommentaren infrage gestellt: „Warum fahren die so dicke Autos?“
Ich nenne – auch aus aktuellem Anlass – noch ein letztes Bei spiel. Insbesondere im Jahr vor dem Regierungswechsel hat sich der damalige Vorsitzende der Fraktion GRÜNE, der heu tige Ministerpräsident, eigentlich unaufhörlich als das Haus haltsgewissen des Landes präsentiert. Das hat so richtig an die alte Fernsehwerbung erinnert, die manche noch kennen: „Wer spricht zu mir?“ „Dein Gewissen.“
Ich verstehe schon, dass Sie sich darüber aufregen. – Als Herr Kretschmann Ministerpräsident geworden war, kam es bekanntlich zu einer Rekordverschuldung. Unser Gesetzent wurf zur Verankerung der Schuldenbremse in der Landesver fassung – textgleich im Finanzministerium erarbeitet – wur de in den letzten Tagen im Ständigen Ausschuss kommentar los abgelehnt – ohne jede Begründung. Das war für mich fast ein bisschen gespenstisch.
Gestern haben wir nur Ausreden gehört. Es wird im Grunde nur gemauert – eigentlich ohne jedes Feigenblatt. Man sagt einfach: „Die Maßstäbe, die wir einmal an euch gestellt hat ten, das ist für uns alles Schnee von gestern. Das interessiert uns heute nicht mehr.“
Wenn Sie all diese Fälle Revue passieren lassen – ich könnte noch weitere nennen, aber die Redezeit ist natürlich begrenzt –, dann wird Ihnen klar, dass die Fälle, in denen die Maßstä be ausgewechselt werden, sobald sie einen Grünen selbst be treffen, und die Fälle doppelter Moral bei den Grünen keine Einzelfälle sind. Vielmehr sind sie mittlerweile geradezu zu einem Erkennungsmerkmal grüner Politik geworden.