Protocol of the Session on October 16, 2014

Die CDU Baden-Württemberg hat Ihnen beim Thema Ganz tagsschulen eine Zusammenarbeit angeboten. Darauf sind Sie nicht eingegangen. Vor einem Jahr hat Finanz- und Wirt schaftsminister Dr. Schmid in seiner Eigenschaft als Landes vorsitzender der SPD im Umfeld des SPD-Landesparteitags mit dem Stichwort Schulfrieden ein Ablenkungsmanöver ge startet. Was ist danach passiert? Wenn Sie, Herr Minister, glau ben, durch Ihren aggressiven Tonfall gegenüber Kolleginnen und Kollegen im Schulausschuss bestehe eine gute Grundla ge für Gespräche zwischen Regierung und Opposition über Schulpolitik, dann haben Sie diese Meinung wohl relativ al lein.

Sehen wir uns die Reaktion z. B. von Frau Boser auf den Vor schlag der FDP/DVP an. Dass Sie als Reaktion Guido Wolf angreifen, ist wohl weniger ein Zeichen dafür, dass Sie den Schulfrieden wirklich wollen, sondern eher ein Zeichen da für, wen Sie als Kontrahenten des Ministerpräsidenten bei der Landtagswahl 2016 mehr fürchten.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

Wir haben einen klaren Maßstab für bildungspolitische Ent scheidungen. Wir sehen keine Anzeichen, dass Sie diesem Maßstab auch nur im Ansatz gerecht werden. Dies wäre im Interesse der Schulen in Baden-Württemberg, und dies wol len wir von Ihnen sehen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Boser das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will eines vorweg sagen: Ich habe nicht das Gefühl, dass wir an unseren Schulen kriegs ähnliche Zustände hätten und wir deswegen von einem Schul frieden in unserem Land sprechen sollten. Wenn, dann sollten wir vielmehr von einem Schulkonsens sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Wir haben in der grün-roten Koalition bereits einen sehr gu ten Weg für unser gemeinsames Bildungssystem in BadenWürttemberg gefunden. Wir haben für diesen Weg bereits ei ne breite Unterstützung innerhalb der Gesellschaft. Dabei ha ben wir in den letzten drei Jahren mit den Schulträgern, den Schulen, den Lehrern, den Eltern und der Wirtschaft immer wieder um Positionen gerungen, um für diesen Weg in der Bil dungslandschaft in Baden-Württemberg eine breite Akzeptanz zu erhalten.

Wir wissen, dass diese Veränderungen den Schulen und Leh rern viele Anstrengungen abverlangen. Wir wissen, dass dies an den Schulen nicht immer einfach ist. Aber wir wissen auch, dass wir, wenn wir auf diese Veränderungen in der Bildungs landschaft nicht reagieren, mit der Bildungspolitik in BadenWürttemberg keinen Schritt vorankommen.

Diese Veränderungen haben in Baden-Württemberg nicht erst seit dem Regierungswechsel stattgefunden. Ich verweise auf den demografischen Wandel im Land, ein verändertes Über gangsverhalten und veränderte Leistungsstandards an unse ren Schulen.

Alles, was die CDU in Bezug auf diese Veränderungen in der Bildungslandschaft in ihrer Politik bisher gebracht hat, war ein vielstimmiger Kanon, aber kein einheitliches Konzept, aus dem sich irgendetwas ableiten ließe, was die CDU nach ei nem Regierungswechsel überhaupt machen würde.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Dabei wurde in der vergangenen Woche in der Zeitung eine Aussage wiedergegeben, die Kollege Helmut Rau bei einer Veranstaltung in Hausach gemacht hat; diese Aussage fand ich von ihm als ehemaligem Kultusminister bemerkenswert. In der Zeitung hieß es: Auf das glatte Parkett der Bildungspo litik wollte sich der ehemalige Kultusminister nicht begeben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen)

Ich finde, das ist schon sehr aussagekräftig, wie die CDU in Sachen Bildungspolitik gegenwärtig aufgestellt ist. Ich glau be, derzeit ist überhaupt nicht klar, welche Inhalte die CDU verfolgt.

Herr Kollege Schebesta, beide Spitzenkandidaten in spe, Gui do Wolf und Thomas Strobl, verwenden die Bildungspolitik für ihren eigenen, persönlichen Wahlkampf. Das führt dazu, dass wir ständig irgendwelche Informationen bekommen, was nach einem Regierungswechsel passieren würde.

Aber nicht nur die Spitzenkandidaten in Wartestellung brin gen ihre Gedanken zum Ausdruck.

(Abg. Winfried Mack CDU: Jetzt müssen wir erst einmal den Spitzenkandidaten bestimmen, dann die Wahl gewinnen!)

Vielmehr kommt zur Bildungspolitik auch aus der Fraktion ein Gedankenpapier von Volker Schebesta. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Peter Hauk, bringt seine Gedanken eben falls zum Ausdruck.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jeder macht, was er will!)

Vom bildungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Georg Wacker, war in den letzten Monaten überhaupt nichts zu hö ren.

(Abg. Georg Wacker CDU: Was?)

Dabei wird in der Fraktion jedes Thema in die eine oder in die andere Richtung verfolgt – ohne eine klare Linie. Ich habe den Eindruck: Die CDU schafft sich in der Bildungspolitik der zeit selbst ab.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist jetzt Konsens, oder was?)

Dann will ich einmal ein paar Punkte anführen. Sie sprechen zum einen von einer Rückführung der Gemeinschaftsschulen, zum anderen von einem Bestandsschutz der Gemeinschafts

schulen. Sie sprechen davon, die Bildungslandschaft müsse letztlich komplett umgekrempelt werden.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Sie mahnen eine regionale Schulentwicklung an. Aber letzt lich soll diese regionale Schulentwicklung keine Veränderung in der Bildungslandschaft mit sich bringen.

Die Schulsozialarbeit wird von Ihnen bis heute nicht als Auf gabe des Landes akzeptiert. Letztlich werden die Kommunen das wieder selbst tragen müssen.

An den Gymnasien soll es das G 8 und gegebenenfalls auch das G 9 geben. Aber da sind Sie sich noch nicht ganz sicher. Darüber muss man erst noch diskutieren.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Wer hat denn G 9 wie der eingeführt? – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wer hat denn das Chaos gemacht?)

An die Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulemp fehlung will man eigentlich nicht heran. Aber Kollege Wolf sagt: „Man muss sich schon überlegen, ob jeder letztlich die Chance haben soll, zu studieren“ –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Frau Gurr-Hirsch will es auch wieder einführen!)

also vielleicht doch eine Quote auf einzelne Schularten.

Zur Grundschulempfehlung will ich einmal eines sagen: Es wird immer wieder kolportiert, es gebe inzwischen überhaupt keine Empfehlung mehr an der Grundschule oder die Eltern würden keine Beratung erhalten. Thomas Strobl – Spitzen kandidat in spe nenne ich ihn jetzt einmal – schlägt daher vor, dass ein verbindliches Beratungsgespräch eingeführt werden soll. Er hat sich mit der Bildungspolitik anscheinend noch gar nicht befasst.

(Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Dieses verbindliche Beratungsgespräch gibt es in unseren Schulen bereits. Alle Eltern werden am Ende der vierten Klas se in Beratungen geführt. Die Beratungen finden ab der ers ten Klasse statt. Jedes Jahr wird über den Stand des Kindes informiert, und schließlich wird eine Beratungsempfehlung ausgesprochen.

(Zurufe von der CDU)

Vielleicht sollten Sie sich einfach einmal mit den Gegeben heiten auseinandersetzen, anstatt immer zu polemisieren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Dann führe ich noch einen weiteren Punkt an, denn das halte ich wirklich für eine bemerkenswerte Aussage der CDU: Die Sachkostenbeiträge an die einzelnen Schulen seien zu hoch. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei den Gesprächen mit den Schulträgern im ländlichen Raum, wenn Sie ihnen sagen, ih re Schulen erhielten zu viel Geld. Denn es würde den Todes stoß für die Schulen im ländlichen Raum bedeuten, wenn die Fixkosten nicht mehr getragen würden und die Schulen nicht mehr die Möglichkeit hätten, die Sachkosten zu decken.

Eigentlich müssten Sie es wissen: Die Sachkostenbeiträge werden nicht von uns beschlossen, sondern sie werden vom Statistischen Landesamt ermittelt, und Zahlen kann man nun einmal nicht anschreien.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ich frage Sie jetzt schon einmal: An welcher Stelle soll hier ein Schulfrieden ansetzen? Solange die CDU nicht ihren Frie den mit der Bildungspolitik im Land und ihrer eigenen Bil dungspolitik gemacht hat, sehe ich nicht, wie daran ein Schul frieden angesetzt werden soll.

Zunächst müsste überhaupt einmal ein Einvernehmen darü ber herrschen, was bei uns in der Bildungslandschaft passiert. Wir stehen vor zurückgehenden Schülerzahlen und vor dem Problem, wohnortnahe Schulen anzubieten. Die Eltern wäh len die Schule, an der ein höherer Abschluss möglich ist. Wir brauchen ein Schulsystem, in dem die Chancengerechtigkeit das höchste Maß ist. Wenn das schon nicht aus sozialpoliti schen Gründen für Sie der Fall sein sollte, dann sagen Sie doch zumindest im Blick auf den Fachkräftemangel: „Wir dür fen kein Kind bei uns im Land verlieren.“

Da unsere Schulen bei den Leistungsvergleichen in den ver gangenen Jahren nicht immer an der Spitze waren, brauchen wir eine veränderte Qualität an unseren Schulen. Solange die se Ausgangslage von Ihnen nicht akzeptiert wird, weiß ich nicht, wo wir mit einem Schulfrieden ansetzen sollen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Jetzt noch ein paar Sätze zum Papier der FDP/DVP. Darin sind sicherlich Punkte enthalten, die wir in Ansätzen mittragen. Dies gilt z. B. für eine größere Verantwortung der Schulen durch Schulbudgets. Bei vielen Punkten suchen Sie aber nur das Haar in der Suppe der koalitionären Bildungspolitik.

Zunächst fordern Sie eine regionale Schulentwicklungspla nung. Das kann man auch so nennen, aber am Ende ist es doch etwas ganz anderes. Ganztagsschulen soll es in verbindlicher oder in offener Form geben, aber nicht gemäß dem Konzept der Koalition. Die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung soll zunächst nicht wieder eingeführt werden, aber die Schu len sollen entscheiden, ob sie die Kinder aufnehmen oder nicht. Es soll also doch kein Elternwahlrecht gelten. Die Ge meinschaftsschule könne zwar bestehen bleiben, aber es sol len alle Konzepte möglich bleiben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Möglich werden!)