Protocol of the Session on October 8, 2014

Für die Fraktion der FDP/DVP darf ich das Wort Herrn Kol legen Haußmann erteilen.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beschluss der Großen Koalition in Berlin zur Einführung einer Mietpreisbremse in der Bundes republik Deutschland ist ein Musterbeispiel fehlgeleiteter Symbolpolitik. Dieser Beschluss ist ordnungspolitisch ein ne gatives Signal und stellt wohnungsbaupolitisch einen Irrweg dar.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn wir die Daten im internationalen Vergleich heranzie hen, wissen wir, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland einen überdurchschnittlich hohen Mieterschutz haben. Das ist auch gut so; es wird sicherlich auch von allen Fraktionen hier im Haus unterstützt.

Wenn wir die Entwicklungen im Bereich der Mietpreise be trachten, stellen wir fest, dass es im Durchschnitt der letzten 15 Jahre einen Anstieg um nominal 1 % pro Jahr gab. Eine

solche Preisentwicklung hilft angesichts der mancherorts an gespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt sicherlich nieman dem; auch das ist klar.

Die letzte Bundesregierung hatte bereits auf die Problematik der steigenden Mietpreise reagiert, und zwar mit der Verschär fung der Kappungsgrenzen. Über eine Laufzeit von drei Jah ren darf die Miete nun nicht mehr um bis zu 20 %, sondern lediglich noch um bis zu 15 % erhöht werden.

Das Problem liegt inzwischen jedoch nicht mehr nur im Be reich der reinen Kaltmiete, sondern zeigt sich auch bei der Entwicklung der Nebenkosten. Dass diese deutlich gestiegen sind, ist auch staatlichen Entscheidungen geschuldet; ich nen ne hier nur die Stichworte Energiewende und „steigende Ener giepreise“. Die Energiekosten machen inzwischen einen im mer größeren Anteil an den Mietnebenkosten aus.

Dem angespannten Wohnungsmarkt will man nun mit einer Mietpreisbremse begegnen. Man hofft, dass man damit den Wohnungsengpässen insbesondere in Ballungszentren begeg nen kann – als ob man nicht bereits auf Erfahrungen in ande ren Ländern zurückgreifen könnte, die zeigen, dass ein Ein greifen in das freie Spiel der Kräfte zwischen Angebot und Nachfrage, wie es mit einer Mietpreisbremse geschieht, nicht funktioniert. Wir haben Beispiele hierfür in Großbritannien oder in Österreich. Da zeigt sich, dass die Mietpreisbremse gut gemeint ist, im Endeffekt aber nicht funktioniert.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Der Markt entwickelt daraufhin nämlich mittelfristig Umge hungsstrategien, die den Effekten einer Mietpreisbremse ent gegenlaufen. Schauen Sie sich solche Beispiele in anderen Ländern einmal an, dann wissen Sie, warum solche Entschei dungen dort bereits wieder zurückgenommen wurden.

Nun hat die Große Koalition am Ende des Entscheidungspro zesses noch kalte Füße bekommen und hat entschieden, eine Mietpreisbremse bei Neubauten nicht einzuführen. Ich bin einmal gespannt, was die nächsten Jahre zeigen werden. Wo möglich müssen dann Juristen Entscheidungen dazu treffen, was es mit sich bringt, wenn bei im September 2014 fertigge stellten Objekten eine Mietpreisbremse greifen soll, bei Ob jekten, die im Oktober 2014 fertiggestellt werden, aber nicht. Ich gehe davon aus, dass wir damit die Gerichte jahrelang be schäftigen können.

Damit komme ich zu der Feststellung: Es ist vorprogrammiert, dass die Mietpreisbremse zu einem Konjunkturprogramm für Anwälte und Gerichte wird. Das ist das Einzige, was wir mit einer Mietpreisbremse erreichen würden, meine lieben Kol leginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Denn mit der Mietpreisbremse wird die ortsübliche Vergleichs miete als Grundlage festgelegt. Diese will man laut Koaliti onsvertrag auf eine breitere Basis stellen. Es ist also noch sehr unbestimmt, wie sich die ortsübliche Vergleichsmiete über haupt entwickeln wird. Auch dies wird Ausgangspunkt für vie le drohende Rechtsstreitigkeiten sein.

Aufgabe des Landes wird sein – Herr Minister Schmid wird uns das sicher noch erläutern –, festzulegen, wo denn über

haupt angespannte Wohnsituationen vorliegen. Finden wir die se in ganz Baden-Württemberg vor, oder gibt es sie nur in ei nigen Universitätsstädten? Auch diese Frage wird ein Anlass für Gerichte sein, sich mit der Problematik zu beschäftigen.

Wir schaffen damit also nur ein Bürokratiemonster, erreichen aber nicht unser eigentliches Ziel, nämlich die Wohnungsnot in Baden-Württemberg zu lindern.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wieso waren Sie dann im Bundestag nicht da gegen?)

Wenn man sich mit diesen Fragen beschäftigt, muss man zu dem feststellen, dass eine Mietpreisbremse in Ballungszent ren einen Negativeffekt für den ländlichen Raum hätte. Wenn Sie die Wohnungssituation in ländlichen Regionen betrach ten, werden Sie die Probleme, die daraus entstehen können, klar erkennen.

Der Regierende Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, SPD, hat einmal gesagt: „Was wirklich hilft, wenn es darum geht, eine angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt zu beheben, ist die Schaffung von Wohnraum.“ Es geht in der Politik darum, Unterstützung zu leisten, indem sie private wie auch öffentliche Investoren dabei begleitet, Wohnraum zu schaffen. Das ist der Weg, mit dem wir dem Problem begeg nen müssen. Eine Mietpreisbremse hilft dabei nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Friedlin de Gurr-Hirsch CDU)

Es gibt übrigens ein bundesweites Verbändebündnis Wohnen, dem u. a. die IG BAU, der Deutsche Mieterbund und Verbän de der Immobilienwirtschaft angehören. Dieses Verbände bündnis hat einige Punkte formuliert, von denen ich nur drei herausgreifen will: Es wird verlangt, dass die Kommunen mehr Grundstücke und Räumlichkeiten vergünstigt und zweckge bunden zur Verfügung stellen, die soziale Wohnraumförde rung soll verstärkt werden, und die Abschreibungssätze für Mietwohnungen sollen von 2 auf 4 % erhöht werden. Damit könnten Impulse gegeben werden, wie sie in der Bundesrepu blik Deutschland und in Baden-Württemberg mit der Miet preisbremse nicht zu erzielen wären.

Uns wäre wichtig, vom Wirtschaftsminister eine Prognose da zu zu bekommen, wo in Baden-Württemberg angespannte Wohnraumsituationen herrschen.

Zum Abschluss möchte ich ein weiteres, mit viel Bürokratie verbundenes Projekt ansprechen, das die Landesregierung zu verantworten hat, nämlich die Novellierung der Landesbau ordnung. Vor 14 Tagen hatten wir dazu eine bemerkenswerte Anhörung, und die Lektüre des Protokolls können wir nur wärmstens empfehlen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Ich will dazu nur drei Stichworte ansprechen: die Ver schärfung des Kenntnisgabeverfahrens, die Verpflichtung zur Schaffung von überdachten und idealerweise noch begrünten Fahrradstellplätzen und die Verpflichtung zu einer je nach Grundstücksgröße gestaffelten Fassadenbegrünung.

Mit solchen verpflichtenden Maßnahmen werden unbestimm te Rechtsbegriffe eingeführt, und das Bauen wird unnötig ver teuert. Ich versuche gerade, mir ein zehngeschossiges Hoch haus vorzustellen, dessen mit Dämmplatten versehene Fassa de begrünt werden soll. Dem zuständigen Statiker wünsche

ich schon jetzt gute mathematische Fertigkeiten, um diese He rausforderung auch statisch in den Griff zu bekommen. Un ter ökologischen Gesichtspunkten ist eine solche Maßnahme ebenfalls problematisch, wenn nämlich die Fassaden nach ei nigen Jahren möglicherweise mit Chemikalien wieder gerei nigt werden müssen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Kontrapro duktiv!)

Wenn diese Landesbauordnung sozial und ökologisch sein soll, dann weiß ich nicht, nach welchen Kriterien Sie die La ge des Wohnungsbaus in Baden-Württemberg beurteilen, mei ne sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von Grün-Rot.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Tobias Wald CDU)

Wir sollten Wohnungsbaupolitik nicht mit Symbolen betrei ben, sondern wir sollten eine ideologiefreie und vernünftige Wohnungsbaupolitik machen, die private und öffentliche In vestoren fördert. Auf eine Symbolpolitik, wie sie in der Gro ßen Koalition jetzt vorgelebt wird, sollten wir beim Woh nungsbau verzichten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Wald.

Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne lieben Kolleginnen und Kollegen! Für die CDU-Landtags fraktion hat die Wohn- und Lebensqualität der Menschen in unserem Ländle einen sehr hohen Stellenwert. Ausreichender und bezahlbarer Wohnraum ist unerlässlich für den sozialen Frieden in unserem Land.

Die CDU-geführte Bundesregierung hat ein Jahr nach Ab schluss des Koalitionsvertrags bereits vieles auf den Weg ge bracht. So wurde das Gesamtvolumen für den Städtebau von 520 Millionen € auf 700 Millionen € erhöht. Das angekündig te Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen wurde auf den Weg gebracht. Sämtliche Partner der Wohnungswirtschaft ha ben unterschrieben; die Gruppe hat ihre Arbeit aufgenommen. Ein neues nationales Programm zur Förderung von Investiti onen im Städtebau in Höhe von 50 Millionen € ist ebenfalls in den Etat eingebracht worden.

Nun legt die Bundesregierung die Mietpreisbremse vor. Es ist vorgesehen, dass bei Wiedervermietung von Bestandsimmo bilien die Miete maximal um 10 % über der ortsüblichen Ver gleichsmiete liegen darf. Die Landesregierungen sollen er mächtigt werden, für fünf Jahre die Gebiete mit angespann ten Wohnungsmärkten auszuweisen, in denen die Mietpreis bremse gelten soll.

Aufgrund des sehr heterogenen Wohnungsmarkts in unserem Flächenland Baden-Württemberg halte ich die Mietpreisbrem se für nicht praktikabel. Das möchte ich zu Protokoll geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Ich stehe einer Mietpreisbremse – das sage ich offen – kritisch gegenüber. Wie schwer es ist, in diesem Bereich tätig zu wer den, haben Sie, Herr Minister Schmid, bereits feststellen dür fen. Denn Sie haben bei der Erarbeitung der Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gemäß § 558 BGB feststellen müssen – Sie haben angekündigt, diese einzuführen –, dass das schlecht rechtlich umsetzbar ist. Warum? Baden-Würt temberg lässt sich nicht wie beispielsweise Berlin in Bereiche mit Wohnungsnot und solche mit Leerständen clustern. Ba den-Württemberg ist ein sehr heterogenes Land. Es gibt vie le rechtliche Bedenken.

Aber, meine Damen und Herren, während die Bundesregie rung im Wohnungsbau Siebenmeilenstiefel angezogen hat, sit zen Sie seit dreieinhalb Jahren im Schneckenhaus und kom men nur im Schneckentempo voran. Sie haben bisher nur Maßnahmen ergriffen, die junge Familien, Bauwillige, Häus lebauer, Wohnungsbauinvestoren völlig verschrecken. Erhö hung der Grunderwerbsteuer – –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Es wird gebaut wie noch nie im Land! Wo leben Sie denn?)

Wie bitte?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehen Sie nicht, wie die Häuser hochschießen?)

Das ist unwahrscheinlich, Herr Schmiedel, vor allem bei Stuttgart 21; da werden 24 000 neue Wohnungen geschaffen. Es freut mich, dass Sie mit zugestimmt haben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Kommen Sie mal mit nach Ludwigsburg zu mir! Dann gehen wir einmal über ein paar Baustellen!)

Dann brauchen wir auch keine Mietpreisbremse, Herr Schmiedel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Sie haben die Grunderwerbsteuer erhöht, Sie haben die Plau sibilitätsprüfungen eingeführt, die den ländlichen Raum be nachteiligen. Sie haben die umstrittenen Zweckentfremdungs verbotsgesetze, die Umwandlungsverordnung eingeführt. Sie haben – Herr Haußmann, ich war Ihnen für diesen Hinweis dankbar – eine Änderung der Landesbauordnung vorgesehen. Das alles sind ideologisch geprägte Maßnahmen, die das Bau en verteuern. Die Maßnahmen für den Wohnungsbau sind nicht aus einem Guss.

Meine Damen und Herren, Sie schaffen im Wohnungsbau durch Ihre Verordnungen und durch Ihre Gesetze Bürokratie. Aber was trägt zu Wohnungsbau bei? Für Wohnungsbau brau chen wir ausreichend positive Rahmenbedingungen, die den Wohnungsbau stimulieren. Die sanierungsbedürftigen Wohn gebäude müssen umfassend in das Programm eingeschlossen werden. Das hilft dem Klimaschutz, das schützt den Mieter vor steigenden Mieten. Wir alle wissen: Die Nebenkosten ent wickeln sich zur zweiten Miete.

Wir brauchen ähnlich wie im Bund – das kann uns ein Vor bild sein – ein Bündnis für Wohnungsbau, einen Wohnungs baudialog – ich habe das hier schon einmal vor eineinhalb Jah ren angeregt –, eine wohnungsbaupolitische Allianz mit allen