Protocol of the Session on July 23, 2014

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Es war immer wieder eine Diskussion darüber im Gange, dass Vereine, die Fernsehgelder kassieren, einen Beitrag leisten sollen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Das wäre für ei nen Regionalligaverein oder einen kleineren Verein nicht möglich. Ich frage nach Ihrer Haltung dazu.

Das Thema Fanprojekte ist angesprochen worden. Ich glau be, dass diese Projekte sehr erfolgreich und sehr wichtig sind.

Gibt es Überlegungen, diese weiter auszubauen oder auch die Amateurvereine stärker mit ins Boot zu nehmen?

Danke schön.

Bitte schön, Herr Minis ter.

Ich fange, werte Kollegin Schmid, einmal mit dem letzten Thema an. Diese Überlegun gen stellen wir nicht neu an. Die Verhandlungen und Gesprä che mit der Deutschen Fußball Liga, dem Deutschen FußballBund in den zurückliegenden Monaten – insbesondere im letz ten Jahr – hatten eindeutig das Ergebnis, dass sie nicht nur ge willt sind, sich mit 10 Millionen € am Ausbau der Fanprojek te zu beteiligen, sondern dies auch machen werden.

Ich bleibe trotzdem bei meiner Auffassung: Wir sollten schon sehr genau überlegen: Was passiert mit diesem Geld wirklich? Wird das, was wir beabsichtigen, damit bezweckt? Oder wer den bestimmte Fangruppierungen eher noch hofiert oder wer den ihnen Möglichkeiten gegeben, das auszuleben, was sie für richtig halten?

Wir haben schon den Anspruch, dass mit den Präventionspro jekten, den Fanprojekten auch das Ziel der Gewährleistung bzw. der Erhöhung der Sicherheit in und um Stadien verfolgt wird. Dies muss messbar zum Ausdruck kommen.

Zu dem von Ihnen angesprochenen Thema: Es wird deutlich, dass die Sommerpause näher rückt. Das heißt, die Themen wiederholen sich komischerweise immer wieder. Dazu zählt auch das, was der Innensenator von Bremen vorgeschlagen hat. Dabei geht es übrigens nicht nur um Fußball. Das wäre in dieser Form jedenfalls, denke ich, auch nicht möglich. Viel mehr wird daran gedacht, bei Veranstaltungen, die von mehr als 3 000 Menschen besucht werden, entsprechende Kosten in Rechnung zu stellen. Da mag sich jeder einmal ausmalen, was dies in Baden-Württemberg, in Ihren Heimatregionen be deuten würde. Dieser Tage habe ich das große Schützenfest in Biberach im Kopf. Ich denke beispielsweise auch an das Volksfest in Stuttgart, an das Landwirtschaftliche Hauptfest und, und, und. Wenn wir ein Bremer Modell zugrunde legen würden, wären alle diese Veranstaltungen davon erfasst. Ich glaube, das kann niemand ernsthaft wollen.

Die rechtlichen Möglichkeiten, ausschließlich den Bezahlfuß ball zur Kasse zu bitten, sind, glaube ich, sehr eingeschränkt. Ich bin mir ganz sicher: Auch das, was in Bremen ins Werk gesetzt wurde, wird einer gerichtlichen Überprüfung erst ein mal standhalten müssen. Das will ich eindeutig sagen.

Konkret zu Ihrer Frage: So etwas habe ich nicht im Sinn. Ich habe immer gesagt: Für die Sicherheit im öffentlichen Raum – – Die Hauptprobleme bestehen auf den Anfahrtswegen; dort gibt es die Störer, und dort ist der Staat zuständig. Ob man un bedingt den Vereinen die Störerhaftung zuordnen kann, halte ich für eine sehr problematische Frage.

Deshalb haben wir uns – und zwar quer über alle Partei- und Ländergrenzen hinweg – auf der zurückliegenden Innenmi nisterkonferenz sehr intensiv mit den Fragen befasst: Wie kön nen wir tatsächlich auf den Hauptaustragungsort von Gewalt einwirken? Wie können wir darauf Einfluss nehmen, wie sich

die Reiserouten der anreisenden Fans gestalten? Wie können wir Drittortauseinandersetzungen vermeiden, indem wir ein fach Züge aneinander vorbeileiten?

Wir werden darüber noch einmal intensiv mit der Deutschen Fußball Liga, dem Deutschen Fußball-Bund diskutieren. Denn Gewalt im Umfeld von Stadien hängt häufig auch davon ab, wie groß die Gruppierungen sind, die anreisen, ob es Begren zungen von Tickets gibt, ob es personifizierte Tickets geben kann und, und, und. Das sind Themenbereiche, mit denen wir uns beschäftigen werden.

Kostenerstattungen würden nach meinem Dafürhalten wirk lich nur dann Sinn machen, wenn es eine bundeseinheitliche Regelung gäbe. Denn ich würde es nicht für richtig erachten, wenn wir die baden-württembergischen Ligavereine einseitig belasten würden. Gegenwärtig fehlt uns dazu auch die Rechts grundlage. Diese könnte man schaffen, wenn man es denn will. Ich habe im Moment nicht die Absicht, sie zu schaffen. Eine bundesweite Regelung bekommen wir nicht hin, solan ge es Fußballvereine wie Schalke 04 oder Borussia Dortmund gibt; ich könnte noch andere nennen. Die entsprechenden Län der haben auch schon glasklar erklärt, dass sie dies nicht wol len.

Ich will noch einmal darauf hinweisen: Die Sicherheit im Sta dion, Kollegin Schmid, gewährleisten die Vereine. Das ma chen sie zwischenzeitlich sehr, sehr umfänglich. Ich habe mir die Zahlen geben lassen. Beispielsweise waren bei meinem letzten Besuch beim VfB 600 Ordner im Stadion.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Nur für Sie?)

Nein, nicht für mich. – Das heißt, zwischenzeitlich sind Abertausende Ordner entsprechend eingesetzt.

Es kommt aber auch darauf an – dabei gibt es noch Verbesse rungsbedarf; wir müssen mit den Vereinen darüber reden –, dass es auch qualifizierte Ordner sind, die wissen, was es im Fall der Fälle zu tun gilt. Denn immer wieder erleben wir auch – bisher nicht mit dramatischen Auswirkungen –, dass die Ordner mit bestimmten Entwicklungen und Situationen nicht zurechtkommen. Auch dort ist, glaube ich, ein gewisses Maß an Professionalität erforderlich. Da haben wir noch Gesprächs bedarf.

Es liegt eine weitere Wortmeldung von Herrn Professor Dr. Goll vor.

Es ist jetzt vieles in richti ger Weise angesprochen worden, auch zu dem aktuellen The ma Sportgroßereignisse.

Ich darf aber noch einmal zu dem Ausgangsthema zurückkom men. Sie haben von Vorbildfunktionen geredet. Dazu eine Vor bemerkung: Natürlich werden wir nichts daran verändern, aber ich habe es nicht als konstruktiv empfunden, dass ein Fußballspieler, der bei der Fußball-WM einen anderen in die Schulter gebissen hat, zwar anschließend für ein paar Mona te gesperrt wird, aber sofort in einem Rekordtransfer zu ei nem der legendären Vereine wechselt. Da verliert man dann auch ein bisschen die Illusion.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Jetzt aber noch einmal kurz zu der Gefahr, die man so be schreiben könnte: Wenn es so weit kommt, dass die Eltern zö gern, ihre Kinder auf den Sportplatz zu schicken, weil sie Angst haben, dass es dort zu Tätlichkeiten kommt, werden wir ein Problem haben. Ich würde diese Angst der Eltern nicht als fernliegend bezeichnen. Deswegen ist es nötig, dass man en ger mit den Fußballverbänden zusammenarbeitet. Sie kennen die Themen ganz offensichtlich.

Bislang reden wir immer über die Warnweste. Die Einführung der Warnweste ist bisher eigentlich die einzige Tat. Sogar dort gibt es die Gefahr, dass das Ganze wieder ein bisschen ver sandet, entweder indem es nicht mehr umgesetzt wird oder die Leute nicht geschult werden.

Wir kennen das von anderen Gelegenheiten, z. B. dem poli zeilichen Wegweisungsrecht oder Ähnlichem: Am wirksams ten ist immer eine bestimmte Beteiligung der Polizei, die der Sache Nachdruck verleiht. Ich weiß, dass da die Arbeitskapa zitäten begrenzt sind. Trotzdem: Ein bisschen mehr Segen des Staates und des Innenministeriums zu diesen Aktivitäten der Verbände und vielleicht eine gelegentliche Präsenz auch bei Spielen der Kreisliga würden wahrscheinlich eine abschre ckende Wirkung entfalten.

Herr Kollege Goll, ich glau be, Sie nehmen mir ab – darauf lege ich auch Wert –: An dem Spielertransfer war ich nicht beteiligt.

(Heiterkeit)

So wichtig bin ich da nicht.

Zum zweiten Thema, das Sie angesprochen haben: Ich habe jetzt die direkten Vergleiche nicht, aber ich habe jedenfalls aus den Gesprächen, die ich auch auf der IMK mit den Kollegin nen und Kollegen führe, den Eindruck, dass gerade unser Bun desland in dem Bereich der Zusammenarbeit der Fußballver bände in Baden und Württemberg mit den Profivereinen schon mehr macht als andere. Ich kann das jetzt nicht belegen. Des halb habe ich ausdrücklich gesagt: Das ist mein Eindruck.

In dem Ausschuss, den wir da gebildet haben, wo wir uns zu sammensetzen – insbesondere auch jeweils vor Ort –, haben wir eine Dezentralisierung vorgenommen. Die Sicherheits kräfte, das heißt die Ordnungsbehörden – Stadt oder Gemein de –, der Sportkreis vor Ort, der Verein und wir – mit „wir“ meine ich in diesem Fall die Polizei – sitzen an einem Tisch und tauschen uns im Vorfeld beispielsweise von Risikospie len über die Frage aus: Was muss und was kann gemacht wer den?

Es sei mir trotzdem noch eine Anmerkung erlaubt: Ich sehe die Entwicklung wie Sie auch und mache mir tatsächlich Sor gen. Aber damit man da jetzt nicht den Maßstab verliert, wei se ich einfach einmal darauf hin, dass wir in der zurückliegen den Saison in Baden-Württemberg rund 137 000 Spiele hat ten. 40 Spiele wurden wegen Gewalt unter den Spielerinnen und Spielern abgebrochen, und 27 oder 29, also knapp un ter 30, wurden wegen Tätlichkeit gegen den Schiedsrichter abgebrochen. Erfreulicherweise ist die Welt auf den meisten Fußballplätzen also schon noch in Ordnung. Deshalb dürfen wir uns aber nicht in Zufriedenheit wiegen.

Herr Goll, weil Sie von Präsenz gesprochen haben: Auch die zeigen wir, jedenfalls dann, wenn uns Erkenntnisse vorliegen,

wonach irgendetwas im Raum stehen könnte. Wenn wir ent sprechende Informationen, Erkenntnisse erhalten – über das Internet, durch die Internetstreifen bei der Polizei, durch was auch immer –, zeigen wir auch in den unteren Ligen im Rah men der bestehenden Möglichkeiten einmal Präsenz, und sei es nur durch Bestreifung des Revierdienstes. Aber da sind wir uns, glaube ich, auch einig: Das werden wir nicht flächende ckend an jedem Wochenende, an jedem Samstag und Sonn tag auf allen Plätzen unseres Landes gewährleisten können.

Herzlichen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Dann beende ich das erste Thema und rufe das zweite Thema auf, beantragt von der Fraktion der SPD:

R e c h t l i c h e r U m g a n g m i t n e u e n F o r m e n v o n D r o g e n , d i e n a c h d e r j ü n g s t e n R e c h t s p r e c h u n g d e s E u r o p ä i s c h e n G e r i c h t s h o f s a u ß e r h a l b d e r S t r a f b a r k e i t l i e g e n

Ich darf Herrn Abg. Wahl ans Rednerpult bitten.

Frau Präsidentin, werte Kollegin nen und Kollegen! Wir kennen ja – jedenfalls einige von uns – aus den Achtziger- und Neunzigerjahren die Berichte, wie in den Slums von Brasilien oder in den Slums von Moskau Kinder Klebstoff oder anderes geschnüffelt haben, Stoffe, die nicht für diesen Zweck vorgesehen sind und deren Schnüffeln eine Wirkung hat wie der Konsum illegaler Drogen.

Heutzutage stellt sich immer mehr das Problem, dass wir auch in Deutschland neue synthetische Drogen haben. Es werden Kräutermischungen, Badesalze, Raumlufterfrischer oder Pflanzendünger konsumiert. Das stellt ein relativ großes Pro blem dar, allerdings ist ihr Konsum bis jetzt nicht illegal.

Deswegen möchte ich die Landesregierung fragen: Welche Stoffe fallen unter das Stichwort „Neue synthetische Drogen“? Wie erfolgt bisher die strafrechtliche Behandlung in Bezug auf diese Stoffe? Kann sich gerade nach dem EuGH-Urteil er geben, dass eine neue Strafrechtsnorm notwendig wird? Wie könnte diese aussehen?

Herzlichen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Sti ckelberger.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wahl, ich freue mich über Ihre Frage, denn sie betrifft einen The menkomplex, der in den letzten Monaten zunehmend an Be deutung gewonnen hat: den Konsum von synthetischen Dro gen, mit denen der europäische Markt und insbesondere auch Deutschland überschwemmt werden.

Das Thema hat eigentlich zwei Aspekte: einerseits einen kri minal- und strafrechtlichen Aspekt und andererseits den As pekt der Prävention, Aufklärung und Verhinderung.

„Legal Highs“ – das ist der Fachausdruck für diese Drogen – werden synthetisch hergestellt. Sie kommen aus China, aber auch aus anderen Ländern. Sie sind mit einigen pharmakolo

gischen Grundkenntnissen auch – so sage ich einmal – für je dermann und jede Frau in Deutschland nicht sehr schwer her stellbar und stellen ein zunehmendes Problem dar. Das Lan deskriminalamt hat diese Fälle täglich auf dem Tisch, und es gab in den letzten Monaten drei Todesfälle aufgrund des Kon sums dieser synthetischen Drogen.

Das Problem ist: Wie erfassen wir die Herstellung und den Vertrieb dieser Drogen strafrechtlich? Dabei handelt es sich mittlerweile um ein Millionengeschäft mit organisierten Ver triebs- und Herstellungsstrukturen, also, wenn Sie so wollen, um organisierte Kriminalität. Da stellt sich schon die Frage: Wie bekämpfen wir das? Da können wir nicht tatenlos zuse hen.

Das Problem ist: Bei einer Strafbarkeit nach dem Betäubungs mittelgesetz konnte man früher entsprechend sanktionieren. Das scheidet mittlerweile als Reaktionsmöglichkeit weitge hend aus. Schon durch geringe pharmakologische Verände rungen in der Zusammensetzung dieser Drogen lässt sich das Produkt aus der Strafbarkeit herausnehmen, denn das Betäu bungsmittelgesetz definiert in einer Anlage genau, welche Stoffe der Strafbarkeit unterliegen.

Man hat sich bisher damit beholfen, das nach dem Arzneimit telgesetz für strafwürdig zu halten und auch zu ahnden. Aber seit zwei Wochen – Herr Kollege Wahl, Sie haben es erwähnt – gibt es ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der gesagt hat: „Eine Strafbarkeit nach dem Arzneimittelrecht kommt nicht mehr in Betracht, weil ein Arzneimittel in der Tendenz eben voraussetzt, dass dieses Produkt mittelbar oder unmittelbar der Gesundheit zugutekommen soll.“ Das kann man bei diesen Drogen weiß Gott nicht sagen, denn ihr Kon sum führt in der Regel zu schweren körperlichen und geisti gen Schäden bis hin zu Todesfällen; ich habe es bereits er wähnt.

Das Problem ist: Wenn Sie dieses Produkt über das Internet erwerben – das geht problemlos –, wissen Sie nie, was Sie ei gentlich kaufen. Das ist im Grunde eine Art russisches Rou lette. Sie können schon mit einem kleinen Briefchen, auf dem eine Kräutermischung abgebildet ist, eine hohe Zahl von ent sprechenden Konsumeinheiten herstellen und beziehen.