Protocol of the Session on July 16, 2014

(Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Wir beglückwünschen die Volkshochschulen, und ich sage ausdrücklich: Sie mussten in der Vergangenheit schwere Kür zungen verkraften.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Von wem? – Abg. Martin Rivoir SPD: Wer war’s? – Abg. Claus Schmie del SPD: Wer hat gekürzt? – Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Das ist unbestritten. Jetzt wollen wir einmal ein bisschen die Historie betrachten. Ich bestreite gar nicht, dass es CDU-ge führte Regierungen waren, die hier eine Linie fortgeführt ha ben,

(Abg. Martin Rivoir SPD: Also!)

die aber schon Anfang der Neunzigerjahre begonnen hat. In der Regierungszeit der Großen Koalition, Herr Schmiedel, gab es eine eigene Weiterbildungsministerin, nämlich Frau UngerSoyka von der SPD. In dieser Zeit haben die ersten Kürzun gen begonnen,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Aha!)

die dann fortgesetzt wurden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Alexander Salomon und Sandra Boser GRÜNE sowie Claus Schmiedel SPD)

Ich will Ihnen sagen: Es war Ministerpräsident Oettinger, der im Jahr 2009 die Trendwende herbeigeführt hat, als er zuge sagt hat, dass zumindest einmal die Tarifsteigerungen im öf fentlichen Dienst bei den Volkshochschulen aufgefangen wer den.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Jetzt sind wir einen Schritt weiter. Aber – das kann ich mit Fug und Recht sagen – ich glaube, es wäre in dieser Legisla turperiode auch zu Erhöhungen gekommen, wenn die CDU an der Regierung gewesen wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei Ab geordneten der Grünen und der SPD – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Viel massiver! – Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Das können Sie mir glauben oder nicht. Aber wir betrachten die Wirklichkeit: Seit den Neunzigerjahren haben sich die He rausforderungen für die Volkshochschulen und ihr Aufgaben bereich gewaltig verändert, weil sich auch die Gesellschaft verändert hat.

Ich habe eben von den Integrationskursen gesprochen, die es seit etwa zehn Jahren gibt. Die Bevölkerungsstruktur ist heu te natürlich eine ganz andere. Wir verzeichnen Zuwanderung, und insofern sind wir froh, dass wir das Netzwerk der Volks hochschulen im Land haben, in dem wir diese Aufgaben an docken können. Dass so etwas ordentlich finanziert werden muss, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Ich bin dafür, dass das Geld auch zielgerichtet eingesetzt wird. Von Ihnen war immer von Gebührensenkungen für die Kurse die Rede. Das sollte man jetzt für bestimmte Zielgruppen und für bestimmte Kurse schaffen, um gerade diese bisher bil dungsfernen Schichten, die ihren Fuß noch nicht unbedingt über die Schwelle der Volkshochschule setzen, zu erreichen.

Es muss gelingen, neue Zielgruppen zu erreichen. Darüber sind wir uns auch völlig einig. Die Alphabetisierung ist eine große Aufgabe, und die häufig freiberuflich tätigen Dozenten müssen auch ordentlich vergütet werden.

Ich will aber eines für die CDU auch ganz deutlich betonen: Bildungsbereitschaft ist eine innere Haltung, meine Damen

und Herren. Die Bereitschaft, sich im Laufe seines Lebens im mer weiterzubilden und neugierig und lernfähig zu bleiben, ist eine innere Haltung. Solche Grundeinstellungen werden in der Regel in der frühen Kindheit und vor allem im Elternhaus ausgebildet. Später können sie teilweise nur mühsam und un ter großen Anstrengungen erworben werden. Es ist viel leich ter, wenn man das in einem entsprechenden Umfeld in ganz frühen Jahren lernt.

Natürlich spielen dort die Familienbildungsstätten mit ihren Angeboten eine große Rolle, aber uns in der CDU ist es auch ganz wichtig, dass wir die Familie als Bildungsort ernst neh men und ihr die Zeit und den Freiraum verschaffen, dass sie Kinder entsprechend auf den Weg bringen kann. Denn wenn Menschen im Laufe ihres Lebens keine Weiterbildungsbereit schaft als inneren Antrieb verspüren, ist es ganz schwierig, das aufzubauen. Denn man kann mit Geld wirklich nicht al les bewirken, was wichtig wäre.

Insofern müssen wir die Weiterbildung auch hier in einem gro ßen Kontext sehen. Dabei messen wir dem Elternhaus eine wichtige Bedeutung zu und bitten, das zu berücksichtigen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol lege Fritz.

Herr Präsident, verehrte Kollegin nen und Kollegen, meine Damen und Herren!

Unsere Zukunft ist ungewiss. Wir können sie nicht ken nen. Deshalb wissen wir auch nicht, welche speziellen Kenntnisse und Kompetenzen nötig sein werden, um in der Zukunft zu bestehen.

So beginnt die Stuttgarter Erklärung, die der Verbandstag der Volkshochschulen in der vergangenen Woche verabschiedet hat. Wer sich also auf die Zukunft vorbereiten will, der darf sich nicht – ich füge hinzu: er kann es auch nicht – nur auf ei ne konkrete Zukunft vorbereiten. Was in unserer sich rasant entwickelnden und verändernden Welt heute noch als gesi chert gilt, kann schon morgen obsolet sein.

Vielmehr ist Orientierung gefragt, heute und zukünftig noch vermehrt. Jede Kassiererin im Supermarkt – ich meine das nicht despektierlich – hat heute mehr Faktenwissen als Me lanchthon oder die anderen Philosophen der frühen Neuzeit; dieser aber hatte Orientierung, hatte Urteilskraft. Wir leben mitnichten in einer Wissensgesellschaft, sondern wir leben in einer Informationsgesellschaft. Mir scheint bei der ganzen In formationsflut kein Mangel an Faktenwissen zu bestehen, wohl aber ein Mangel daran, die Fakten einzuordnen, zu be werten und zu gewichten, also ein Mangel an Urteilskraft. All gemeinbildung ist daher notwendig, und zwar mehr denn je.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

In einer Gesellschaft, die auf Mitsprache, auf Beteiligung und auf Partizipation setzt, gilt dies erst recht. Wer mündige Bürge rinnen und Bürger in einer Beteiligungsgesellschaft wünscht, muss auch die Voraussetzungen schaffen, dass sich alle Schichten die nötige Allgemeinbildung aneignen können.

Am Sonntag in der Nacht haben wir alle den Sieg unserer Na tionalelf bei der Fußballweltmeisterschaft gefeiert. Die Volks hochschulen und die anderen Weiterbildungsträger durften schon am Freitag, zwei Tage zuvor, feiern. Sie durften richtig feiern, und ich habe noch nie in so viele glückliche Gesichter gesehen wie beim Verbandstag der Volkshochschulen,

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

als die Nachricht durchdrang: Diese Landesregierung, diese Regierungsfraktionen erhöhen den Zuschuss des Landes für die Allgemeinbildung deutlich.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie schwimmen ja auch im Geld!)

Mit dieser nachdrücklichen Erhöhung würdigen wir die Trä ger der Allgemeinbildung, würdigen wir ihre Arbeit und ge hen wir einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Bürger gesellschaft. Bildung und Weiterbildung dürfen nicht vom Geldbeutel des Einzelnen abhängen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Die Kursgebühren der Volkshochschulen sowie der kirchli chen und anderen Träger der Weiterbildung muss sich jeder leisten können. Es ist eben nicht so, dass sich eine jede und ein jeder 100 oder 150 € für einen Sprachkurs locker aus der Portokasse leisten kann. Daher ist die Erhöhung des Landes zuschusses erforderlich gewesen, um einer sozialen Selekti vität in der Bildung entgegenzuwirken. Herzlichen Dank an meine Fraktion und an die Fraktion der Sozialdemokraten, dass sie diese Erhöhung genehmigen.

Lebensbegleitendes Lernen darf kein leeres Schlagwort blei ben. Insbesondere sozial schwache Schichten dürfen nicht durch steigende Gebühren – wie es in den vergangenen Jah ren ständig der Fall war – von Weiterbildung ausgeschlossen werden. Gerade die Volkshochschulen sowie die kirchlichen und anderen Träger der Allgemeinbildung unterstützen sozi ale Mobilität mit ihrem vielfältigen Angebot an Kursen.

Wie dringend nötig dies ist, zeigt erneut die PIAAC-Studie. Wenn jeder fünfte Erwachsene in Deutschland selbst kurze Zeitungsartikel nicht mehr versteht, gewinnt die Diskussion über den Mangel an Facharbeitern eine neue Dimension. Ins besondere die Volkshochschulen mit ihren zahlreichen Abend schulen sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Bil dungssystems. Sie ermöglichen nachholende Qualifikationen, sie ermöglichen es Menschen, die aus dem Ausland zu uns herziehen, einen anerkannten Schulabschluss zu erwerben; denn ein solcher fehlt oft, obgleich diese Menschen ein hohes Maß an Kompetenz und Wissen zu uns mitbringen.

Die Weiterbildungsträger ermöglichen Alphabetisierungskur se, und sie betreiben auch aufsuchende Bildungsarbeit. Mit ihren Integrationskursen und dem weiterführenden Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ leisten die Volkshochschulen ei nen unverzichtbaren Beitrag zur Integration.

Die Weiterbildungsträger leisten noch mehr. Die Volkshoch schulen sind gefragte Partner kleiner und mittlerer Unterneh men, und zwar nicht allein mit ihren berufsbildenden Kursen. Projekte wie Unternehmerstammtisch und Unternehmerfrüh stück, beispielsweise in meinem Wahlkreis Göppingen, zei gen die enge Verknüpfung der Kammern und Innungen mit

den Volkshochschulen. Die Volkshochschulen sind der idea le Bildungspartner für die Innungen und die Kammern.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Wo wären wir ohne dieses vorbildliche Engagement, meine Damen und Herren?

Nun, verehrte Frau Kollegin Kurtz: Es gehört schon ein ge rüttelt Maß an Dreistigkeit dazu, sich hier hinzustellen und zu sagen, diese Erhöhung des Landeszuschusses für die Weiter bildung sei eine Selbstverständlichkeit.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Versprochen! Was verspro chen wurde, muss eingehalten werden!)

Was ist Ihre Bilanz in der Förderung der Weiterbildungsträ ger? Die Volkshochschulen haben es in ihrem Plakat deutlich zum Ausdruck gebracht:

(Der Redner hält ein gefaltetes Schriftstück mit ei nem Diagramm hoch.)

Seit Mitte der Neunzigerjahre ging es unter Schwarz steil bergab.

Und was ist die Bilanz von Grün-Rot? Seit dieser Legislatur geht es steil bergauf.

(Der Redner faltet das hochgehaltene Schriftstück auf und zeigt das gesamte Diagramm. – Beifall bei den Grünen und der SPD – Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)