Im Zuge des Regierungswechsels wurde das Anliegen dann vollumfänglich in den Koalitionsvertrag aufgenommen und in den nächsten Haushaltsjahren systematisch umgesetzt. Dies erfolgte, wie gesagt, zunächst in etwas kleineren Schritten. Aber jetzt folgt ein großer Wurf: 3,9 Millionen € im Jahr 2015 und 8,6 Millionen € im Jahr 2016. Das ist eine Hausnummer, das ist eine Größenordnung, das ist ein enormer Schub für die Weiterbildung und die Verfolgung des Prinzips des lebenslan gen Lernens in Baden-Württemberg.
173 Volkshochschulen, 730 Außenstellen und viele, viele an dere Bildungsträger und bildungshungrige Menschen werden Danke sagen, Danke für zusätzliche Chancen, Danke für mehr Beteiligung, Danke für mehr Integration. Das ist insgesamt ein Meilenstein in der Weiterbildungsgeschichte dieses Lan des.
Meine Damen und Herren, es gibt immer noch ein Klischee, das heißt: In der Volkshochschule trifft sich die Generation Rollator zu einem Makrameekurs.
Das alles ist längst widerlegt. Öffentlich geförderte Weiterbil dung hat einen ganz umfassenden Bildungsauftrag, der übri gens auch in der Landesverfassung verankert ist. Deswegen muss dieser Sektor der öffentlich geförderten Weiterbildung auch in die Lage versetzt werden, auf unterschiedliche, neue gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren.
Die Gesellschaft wird bunter, sie wird digitalisierter, sie wird ökonomieabhängiger, segmentierter und unübersichtlicher. Deswegen muss die Erwachsenenbildung hier auch mit unter schiedlichen Angeboten und Formaten reagieren – wobei rei ne Angebote auch nicht immer ausreichen; das wissen wir schon lange. Man darf nicht warten, bis bildungsaffine Leute zu den Einrichtungen kommen, sondern muss dorthin gehen, wo sich die Menschen aufhalten. Man muss also immer stär ker Komm- und Geh-Struktur vertauschen, um das zu leisten, was notwendig ist, nämlich die Vermittlung von Orientie rungs- und Lebensbewältigungswissen, was insgesamt genau so wichtig werden wird wie formalisierte und standardisierte Programme.
Ich meine, Volkshochschulen könnten und sollten in diesem Sinn auch zu offenen Begegnungsstätten werden – für ein Bil dungsangebot für alle Menschen jedweder Herkunft und jed weder Alltagskultur.
Deswegen sind diese Zuschüsse und ist auch die Höhe dieser Zuschüsse mit Erwartungen verknüpft. Die Regierungsfrak
tionen werden daher im Herbst zu einer Fachveranstaltung zu sammenkommen und gemeinsam mit den Volkshochschulen diese Erwartungen konkretisieren. So scheinen mir persönlich umfassende Kooperationsstrukturen unverzichtbar, Koopera tionsstrukturen, die Schulen, Kultur- und Bildungseinrichtun gen, Betriebe, Sportvereine, Initiativen usw. einbeziehen. An erkannte Zertifizierungen und professionelle Leitung sind un abdingbar.
Hinzu kommt eine Weiterentwicklung der Volkshochschulen zu interkulturellen Kompetenzzentren. Alle, die mich zu die sem Thema schon haben sprechen hören, wissen, dass mir dies besonders am Herzen liegt: eine Beteiligung an der Systema tisierung von Eltern- und Familienbildung und nicht zuletzt eine Bildungsberatung – neutral, trägerunabhängig und an der Biografie orientiert.
Das alles sind Projekte, die nicht vom Himmel fallen, die ei ne Grundlage haben und die auf Vorhandenes bei den Volks hochschulen sehr gut aufbauen können.
Vor allem aber, meine Damen und Herren, sind das alles Bau steine zu mehr Bildungsgerechtigkeit, zu mehr gesellschaft lichem Zusammenhalt. Deswegen wurden sie nicht von un gefähr gerade von dieser Landesregierung auf den Weg ge bracht.
Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hat der Volkshochschul verband Baden-Württemberg wieder zu seiner alljährlichen Mitgliederversammlung eingeladen. Dieses Mal fand sie in Stuttgart statt. In diesem Jahr hat der Verband einen beson ders renommierten Redner eingeladen, nämlich den ehemali gen Kulturstaatsminister der Regierung Schröder, den Philo sophen Julian Nida-Rümelin.
Er hat in seinem Vortrag das humanistische Bildungsideal ge rühmt und sich dabei auf Wilhelm von Humboldt berufen. Er hat eine Lanze für die alten Sprachen und die griechischen Philosophen gebrochen und darauf verwiesen, dass Bildung nicht nur das beinhalten darf, was auf dem Arbeitsmarkt ver wertbar ist, sondern auch das beinhalten muss – vielleicht so gar vornehmlich –, was der Persönlichkeitsentwicklung dient.
Das Publikum – so schien mir – war anfangs etwas irritiert. Manchen erschien dieses Bildungsideal etwas veraltet. Aber es ist sehr schnell klar geworden, dass das überhaupt nicht der Fall ist und sich die Volkshochschulen dem tatsächlich wid men. Denn sie leisten beides: Einerseits vermitteln sie Wis sen und Fakten, Qualifikationen, Fähigkeiten und Kompeten zen, die Menschen für ihren beruflichen Alltag brauchen. An dererseits ermöglichen sie es, Erfahrungen zu machen, die ei nen Menschen bei der Selbstfindung und der Persönlichkeits entwicklung voranbringen. Ich möchte anmerken, dass dabei auch die kirchlichen Weiterbildungsträger sehr stark sind; das haben wir neulich im Ausschuss in einem Gespräch wieder erfahren.
Die Volkshochschulen haben eine Stuttgarter Erklärung ver fasst, in der sie die Allgemeinbildung ganz deutlich in den Mittelpunkt gestellt haben – als ganzheitliche Bildung, die geis tige, emotionale, soziale Kompetenzen in den Blick nimmt, die auch auf ästhetische, musische, kulturelle und interkulturelle Fähigkeiten Wert legt.
Die Volkshochschulen halten also auf moderne Art und Wei se das humboldtsche Bildungsideal ganz hoch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum haben Sie dann die Zuschüs se permanent gekürzt?)
Sie sind in Baden-Württemberg flächendeckend gut vertreten und werden auch sehr gut angenommen. Kurzgefasst kann man sagen: Jeder Fünfte in Baden-Württemberg nutzt das Volkshochschulangebot, und die Sprachkurse spielen dabei mit einem Anteil von über 40 % eine besonders große Rolle.
Vor etwa zehn Jahren haben die Volkshochschulen ein, so möchte ich fast sagen, neues Geschäftsfeld aufmachen müs sen. Sie sind nämlich bundesweit der größte Anbieter für die Integrationskurse. Das hat auch dazu beigetragen, dass sie ih re Teilnehmerzahlen in den letzten zwei Jahren noch einmal beachtlich steigern konnten.
Aber, meine Damen und Herren, das Problem sind nicht die Menschen, die die Volkshochschulkurse besuchen.
Das Problem ist vielmehr der Personenkreis, der nicht einen eigenen Impuls verspürt, sich weiterzubilden.
Herr Kollege Bayer hat dies schon angesprochen und auch auf die PIAAC-Studie verwiesen. Wir nennen sie gern auch die PISA-Studie für Erwachsene. Die PIAAC-Studie hat ergeben, dass Berufstätige, Menschen mit einem höheren Bildungsab schluss und – das ist mir ganz wichtig – Menschen, die ehren amtlich aktiv sind, besonders stark daran interessiert sind, sich weiterzubilden. Aber gerade diejenigen, von denen wir viel leicht sagen, sie hätten es am nötigsten, noch einmal in ein Buch zu schauen oder sich Zusätzliches anzueignen, haben eine gewisse Schwellenangst.
Auf die vielen Analphabeten, die es hier im Land und auch bundesweit gibt, hat Herr Bayer auch schon hingewiesen.
Es ist also wichtig, dass die Volkshochschulen hier zusätzli che Angebote entwickeln. Sie können sich vorstellen: Man muss ein bisschen ideenreich sein, wenn man einen Kurs für Analphabeten anbieten will. Diesen kann man schließlich nicht in das Programm schreiben.
Da besteht also noch Handlungsbedarf, und die Volkshoch schulen sind die richtigen Einrichtungen, um dies zu leisten.
Wir haben das auch in der letzten Legislaturperiode in der En quetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ gemeinsam formuliert.
Wir haben da gemeinsam bemerkenswerte Forderungen ver abschiedet. Das Ganze wird derzeit noch mit Enquetemitteln finanziert. Sie werden noch damit zu tun haben, dies weiter auszufinanzieren.
Ich muss auch sagen, Herr Schmiedel: Ich freue mich für die Volkshochschulen, dass Sie jetzt die Mittel erhöht haben. Aber das war für mich, ehrlich gesagt, eine Selbstverständlichkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei Ab geordneten der Grünen und der SPD – Zurufe von den Grünen und der SPD, u. a. Abg. Dr. Stefan Fulst- Blei SPD: Das ist der Hammer! Das ist dreist, Frau Kurtz! – Abg. Claus Schmiedel SPD: 60 % Mittel kürzung! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie schwimmen im Geld! Wenn man so im Geld schwimmt!)
Denn: Versprechen, die man in einem Koalitionsvertrag in die Welt setzt, sind einzuhalten. Ich habe mich wirklich gewun dert, dass es notwendig war, dass die – –
Ich habe mich wirklich gewundert, wie lautstark die Volkshochschulen Druck machen mussten, bis Sie sie gehört und sich an Ihre eigenen Versprechen gehal ten haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP – Lachen bei Abgeordne ten der Grünen und der SPD – Abg. Martin Rivoir SPD: Was?)
Das war eine ziemlich teure Kampagne, würde ich sagen, die da organisiert wurde. Aber sie war fruchtbar, und ich freue mich darüber.
Lieber Herr Bayer, ich habe großen Respekt auch vor Ihrem persönlichen Einsatz. Das möchte ich hier ausdrücklich sa gen. Wir haben in vielen Bereichen auch eine gute Zusam menarbeit und ein großes Einvernehmen. Aber stolz können Sie auf die Leistung Ihrer Regierung wirklich nicht sein.