Protocol of the Session on June 26, 2014

Außerdem soll künftig ausdrücklich die Möglichkeit vorge sehen werden, die Mittel aus der Ablösung von Kfz-Stellplät zen auch für Parkeinrichtungen für Carsharing-Projekte ein zusetzen.

Neben den genannten verkehrsbezogenen Änderungen sieht der Gesetzentwurf mehrere Änderungen vor, die die Nutzung regenerativer Energien erleichtern sollen. So soll ein Rechts anspruch auf Zulassung von Abweichungen von bauordnungs rechtlichen Vorgaben vorgesehen werden, wenn dies der Ver wirklichung von Vorhaben zur Nutzung erneuerbarer Energi en dient.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich stelle ein Wind rad in meinen Garten!)

Ja. – Mit dieser Ergänzung soll insbesondere die Errichtung von Solar- oder Kleinwindenergieanlagen erleichtert werden. Für solche Anlagen könnten daher zukünftig z. B. auch Vor gaben zu Abstandsflächen unterschritten werden. Aber es ist darauf hinzuweisen, dass der Rechtsanspruch nicht grenzen los gewährt wird. Vielmehr muss auch hier in jedem Einzel fall eine Abwägung mit den nachbarlichen Interessen erfol gen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das Rotorblatt soll te nicht vor dem Wohnzimmerfenster sein! – Glocke des Präsidenten)

Als weitere Maßnahme zur Erleichterung der Nutzung rege nerativer Energien wollen wir die Möglichkeiten beschrän ken, in kommunalen Gestaltungssatzungen Regelungen zu er lassen, die Vorhaben zur Nutzung regenerativer Energien ent gegenstehen. Künftig sollen daher Anforderungen an die äu ßere Gestaltung baulicher Anlagen in solchen örtlichen Bau vorschriften, die allein zur Umsetzung baugestalterischer Ab sichten gestellt werden, nur noch dann zulässig sein, wenn sie die Nutzung erneuerbarer Energien nicht ausschließen oder unangemessen beeinträchtigen. Damit soll insbesondere der generelle Ausschluss von Solaranlagen auf Dächern aus rein baugestalterischen Gründen verhindert werden.

Gestaltungsanforderungen zur Erhaltung schützenswerter Bau ten, Straßen, Plätze oder Ortsteile mit geschichtlicher, künst lerischer oder städtebaulicher Bedeutung sollen aber wie bis her weiterhin möglich sein.

Auch wird weiterhin die Befugnis der Kommunen bestehen, die Errichtung von Solaranlagen in Altstädten oder denkmal geschützten Bereichen einzuschränken oder auszuschließen. Zulässig bleiben sollen zudem kommunale Vorgaben hinsicht lich der gestalterisch besonders problematischen Anlagen wie z. B. aufgeständerte Solarmodule, Über-First-Anlagen oder Dachwindkraftanlagen. Hier liegt nämlich dann keine unan gemessene Beeinträchtigung der Nutzung erneuerbarer Ener gien im Sinne der Neuregelung vor, wenn andere Möglichkei ten wie z. B. dachintegrierte Solaranlagen bestehen.

Um die Nutzung regenerativer Energien zu erleichtern, ist zu dem vorgesehen, die Verfahrensfreiheit für Solaranlagen auf Gebäuden zu erweitern. Solaranlagen auf oder an Gebäuden sollen künftig umfassend verfahrensfrei gestellt werden. Da mit soll künftig insbesondere die Nutzung von Dachflächen zur Erzeugung von Solarenergie durch andere Personen als die Hauseigentümerin oder den Hauseigentümer verfahrens frei möglich sein. Das galt bisher als gewerbliche Nutzung und machte deshalb immer ein baurechtliches Verfahren not wendig.

Künftig kann sich eine Genehmigungspflicht bei solchen So laranlagen allenfalls noch in Einzelfällen ergeben, z. B. dann,

wenn die Größe der Solaranlage wegen erhöhter statischer An forderungen eine bauliche Änderung des Gebäudes erforder lich macht.

Dem Umweltschutz und der Schonung endlicher Ressourcen dienen nicht zuletzt zwei weitere Neuregelungen:

Erstens: Baden-Württemberg ist die Holzbauregion Nummer 1 in Deutschland. Baden-Württemberg hat schon jetzt die holz baufreundlichste Landesbauordnung. Beides ergab eine aktu elle Untersuchung des Deutschen Holzwirtschaftsrats. Die Landesregierung will diesen Spitzenplatz weiter ausbauen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf von den Grünen: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Daher soll künftig zugelassen werden, dass Decken sowie tra gende und aussteifende Wände und Stützen generell aus brenn baren Baustoffen ohne nicht brennbare Brandschutzverklei dung bestehen dürfen. Dadurch wird auch bei höheren Gebäu den der Massivholzbau durchgängig ermöglicht, wodurch der Einsatzbereich von Holz als Baustoff deutlich erweitert wer den kann. Voraussetzung dafür ist, dass für die genannten Bau teile die geforderte Feuerwiderstandsdauer tatsächlich nach gewiesen wird und zudem konstruktive Vorkehrungen gegen Brandüberschlag über die Geschosse hinweg getroffen wer den. Damit stellen wir gleichzeitig sicher, dass beim Brand schutzniveau keine Abstriche gemacht werden.

Zweitens sieht der Gesetzentwurf vor, dass bauliche Anlagen z. B. auf dem Dach oder an der Fassade zu begrünen sind, wenn eine Begrünung oder Bepflanzung der Grundstücke nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist. Diese Pflicht soll jedoch nur dann bestehen, wenn Beschaffenheit, Konst ruktion und Gestaltung der baulichen Anlagen eine Begrü nung zulassen und die Maßnahme für die Bauherrin oder den Bauherrn wirtschaftlich zumutbar ist.

Der Gesetzentwurf enthält darüber hinaus noch eine Vielzahl von Änderungen, mit denen unterschiedliche Ziele verfolgt werden. So wird das Abstandsflächenrecht vereinfacht. Künf tig sollen bei der Berechnung der einzuhaltenden Abstands flächen die Giebel aller Dächer in gleicher Weise berücksich tigt werden. Durch die Änderung sollen Ungereimtheiten der bisherigen Regelung bereinigt werden.

Außerdem möchten wir, dass eine geplante Teilung eines Grundstücks künftig zwei Wochen vorher der unteren Bau rechtsbehörde anzuzeigen ist. Damit sollen die Behörden die Möglichkeit erhalten, rechtzeitig tätig zu werden, falls durch die Teilung bauordnungswidrige Verhältnisse entstehen.

Auch die Errichtung baurechtlich verfahrensfreier Mobilfunk antennen soll künftig mindestens acht Wochen vorher der Ge meinde angezeigt werden. Dadurch erhält die Gemeinde Kennt nis von der Planung und wird damit in die Lage versetzt, früh zeitig die Öffentlichkeit zu informieren.

Auch der Brandschutz bei der Tierhaltung in Ställen soll ver bessert werden. Gebäude zur Haltung von Tieren müssen künftig über angemessene Einrichtungen zur Rettung der Tie re im Brandfall verfügen. Die konkreten Maßnahmen sollen auf dieser Rechtsgrundlage nach den Anforderungen der ver schiedenen Fallkonstellationen festgesetzt werden.

Der Gesetzentwurf enthält auch eine verfahrensrechtliche Än derung, und zwar soll der Anwendungsbereich des Kenntnis gabeverfahrens eingeschränkt werden. Das Kenntnisgabever fahren soll nur noch in den Fällen eröffnet werden, in denen seine gebührenmäßigen und zeitlichen Stärken und Vorteile zum Tragen kommen. Bauvorhaben im Kenntnisgabeverfah ren sollen daher künftig die Festsetzungen des Bebauungs plans genau einhalten müssen.

Bisher kann der Bauherr bzw. die Bauherrin neben dem Kennt nisgabeverfahren isolierte behördliche Entscheidungen bean tragen. Diese Möglichkeit soll gestrichen werden. Denn die se zusätzlichen Entscheidungen verteuern das Kenntnisgabe verfahren und verhindern einen schnellen Baubeginn. Wer von baurechtlichen Vorschriften abweicht, muss künftig ein Bau genehmigungsverfahren durchführen. Hier steht aber weiter hin das vereinfachte Verfahren zur Verfügung.

Bevor ich zum Schluss komme, sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass der Gesetzentwurf auch noch die Anpassung der Landesbauordnung an die neue EU-Bauproduktenverord nung sowie verschiedene für die praktische Anwendung wich tige gesetzliche Klarstellungen und redaktionelle Anpassun gen enthält.

Meine Damen und Herren, mit dem Ihnen im Entwurf vorlie genden Gesetz nehmen wir notwendige soziale und ökologi sche Ergänzungen und Korrekturen im geltenden Bauord nungsrecht vor. Wir haben darauf geachtet, dass die Folgen der neuen Standards verhältnismäßig sind und die Bauwilli gen nicht überfordern.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ah ja!)

Der Gesetzentwurf ist durch eine umfassende Anhörung von über 160 Verbänden – darunter den kommunalen Landesver bänden und den betroffenen Berufsverbänden – mit vielen in tensiven Beratungen vorbereitet worden. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben.

Im Namen der Landesregierung bitte ich Sie, den Gesetzent wurf zu unterstützen, und ich danke Ihnen für Ihre Geduld. Denn das Gesetzesvorhaben ist ein größeres, und dementspre chend war die Rede auch etwas länger.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜ NE)

Das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Groh das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in ers ter Lesung den zweiten Teil der Novellierung der Landesbau ordnung, nachdem wir bereits am 10. Juli 2013, also vor rund einem Jahr, die Rauchwarnmelderpflicht beschlossen haben. Diese Novellierung steht unter dem Motto „Sozial und öko logisch“, wie es die Frau Staatssekretärin ausgeführt hat. Bei de Aspekte haben zwar ihre Berechtigung und werden von Grün

und Rot bei jeder Gelegenheit zur Genüge betont; gleichwohl vermissen wir, die CDU-Landtagsfraktion, einen dritten wich tigen Punkt – vielleicht die wichtigste Vorgabe –, nämlich die Wirtschaftlichkeit.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Jawohl!)

Vielen Dank, Herr Zimmermann.

Der vorliegende Gesetzentwurf spricht zu Recht einige wich tige Punkte an, die beispielsweise aufgrund des demografi schen Wandels die Gesellschaft als Ganzes betreffen werden. Nun hat aber eine Gesetzesänderung automatisch Nebenwir kungen, und die angeblichen Vorteile müssen gegenüber den Nachteilen abgewogen werden. Genau da setzt unsere Kritik an.

An zahlreichen Stellen des Gesetzestextes wird auf zusätzli che Kosten für Privatpersonen verwiesen, die aber derzeit noch nicht vollumfänglich abgeschätzt werden können. Sie, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, nehmen also bewusst die zusätzlichen finanziellen Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger billigend in Kauf nach dem Motto: Was für die Um welt gut ist, ist auch für jeden Einzelnen gut, koste es, was es wolle.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Insgesamt zeigt sich auch bei diesem Vorhaben der grün-ro ten Landesregierung: Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. Wir halten es daher für dringend geboten, dass die vielen noch offenen Fragen in einer Anhörung nochmals erörtert werden.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, auf einzelne Kri tikpunkte näher einzugehen:

Zur Neuregelung hinsichtlich der Kfz- und der Fahrradstell plätze: Dieses Vorhaben folgt in erster Linie einem lang er sehnten Wunsch der Grünen, die Nutzung des Autos bzw. den motorisierten Individualverkehr wenn schon nicht gänzlich zu verhindern, dann aber zumindest erheblich zu erschweren. Die Beobachtung, wonach sich das Fahrrad in Städten und Bal lungsräumen als urbanes Fortbewegungsmittel bewährt hat, wird weder von mir noch von meiner Fraktion infrage gestellt.

(Glocke des Präsidenten)

Kollege Groh, gestat ten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Lindlohr?

Am Schluss. – Insofern orientie ren sich die Maßnahmen zu den Fahrradabstellplätzen nur an einem wachsenden Bedarf. Unabhängig davon muss aber an gemerkt werden, dass das Auto auch in Zukunft das wichtigs te Fortbewegungsmittel der Deutschen sein wird. Die jüngst vom Bundesverkehrsministerium vorgestellte Verkehrsver flechtungsprognose 2030 zeigt ein deutliches Bild.

Hierzu einige Zahlen des Bundesverkehrsministeriums zur Verdeutlichung: Der motorisierte Individualverkehr wird bis 2030 weiter an Bedeutung zunehmen, und sein Anteil wird für diesen Zeitpunkt auf rund 83 % an allen Fahrten prognosti ziert. Die Verkehrsleistung des motorisierten Individualver kehrs – gemeint sind die gefahrenen Kilometer pro Jahr – wird

bis 2030 um 10 % steigen. Der Pkw-Bestand wird um 8,5 % zulegen und die Pkw-Dichte um 10 %. Hinzu kommt, dass aufgrund des demografischen Wandels der Anteil der über 65-Jährigen im Jahr 2030 rund ein Drittel der Bevölkerung ausmachen wird. Diese Prognose ist im Übrigen auch von zen traler Bedeutung für den Bundesverkehrswegeplan 2015.

Vor diesem Hintergrund lehnt die CDU ein Abrücken von der bisher gültigen Stellplatzregelung strikt ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP)

Städtetag und Gemeindetag sprechen in diesem Zusammen hang sogar von einem erheblichen Eingriff in die kommuna le Planungshoheit. Der geplante Ansatz in der novellierten LBO zeigt also einmal mehr: Wenn die Menschen nicht frei willig auf das Auto verzichten, sorgt Grün-Rot dafür, dass das Autofahren so unattraktiv wie möglich wird.

Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zu der in der Begrün dung gemachten Zahlenspielerei. Bei den Mehrkosten für Fahrradstellplätze wird ein durchschnittlicher Kaufpreis von 200 € pro Quadratmeter baureifes Land angesetzt. Mit dieser Milchmädchenrechnung wollen Sie den Menschen im Land vormachen, dass die Fahrradstellplatzpflicht im Grunde billig umzusetzen sei. Der Verweis auf durchschnittliche Kaufprei se ist in hohem Maß unseriös und dient nur dazu, von den wahren Kosten abzulenken.

(Beifall bei der CDU)