Sie haben zudem – ich finde, das wiegt noch viel schwerer – die warnenden Hinweise Ihrer eigenen Verkehrsverwaltung eigentlich auch mehr oder weniger zur Seite geschoben.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Un glaublich! – Abg. Volker Schebesta CDU: Belegen Sie das doch, wenn Sie können! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und bei Ihnen sind die auf den Bäumen, oder wie? – Abg. Peter Hauk CDU: Dann belegen Sie das doch einmal!)
Aber die Bahn hat das Land auch nicht zeitnah, nicht ordent lich informiert. Das wird immer deutlicher, je tiefer wir in die Akten eindringen und untersuchen, wer wann was gesagt und wie informiert hat.
(Abg. Tanja Gönner CDU: Wie immer! – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist der Umgang der Landesregierung mit dem Parlament! Das ist eine Sauerei! – Unruhe – Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Hört doch einmal zu!)
Bereits 2008, also vor dem Abschluss der Vereinbarung, gab es massive Hinweise auf Kostensteigerungen bei den Tunnel bauten. Projektscharfe Darlegungen ergaben Mehrkosten von 900 Millionen €.
Über diese Tatsache – bereits 2008 ergaben sich bei Tunnel bauten zusätzliche Kosten in Höhe von 900 Millionen € – hat die Bahn das Land nicht zeitnah informiert. Das belegen Hin weise der Mitarbeiter meines Hauses. Das sind übrigens die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon die Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter meiner Amtsvorgängerin waren. In ei nem Vermerk heißt es:
Die hohen Kostensteigerungen resultieren im Wesentli chen aus den Tunnelabschnitten.... Die Kostenzusammen stellungen... tragen das Datum November 2008. Dies be deutet,
dass bei der DB beim Abschluss des Finanzierungsver trags bereits bekannt war, dass im Tunnelbau mit deutlich höheren Kosten zu rechnen ist!
Das heißt, der Finanzierungsvertrag vom April 2009 wurde auf der Grundlage von alten, überholten Zahlen abgeschlos sen, und das bedeutet, im Bundestag war im November/De zember 2008 – da war ich selbst extra zu diesem Tagesord nungspunkt im Haushaltsausschuss, und ich war auch im Ver kehrsausschuss – das Datenmaterial veraltet, wie wir heute wissen, obwohl die Bahn schon deutlich andere Hinweise hat te.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie waren schon damals dagegen! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Aus Ihren ganzen Reden höre ich immer nur Wider stand! Anstatt dass Sie als Verkehrsminister das Pro jekt fördern!)
Dies bedeutet aber auch, dass der Landtag im Mai 2009 sei ne Zustimmung zum Finanzierungsvertrag in dem Glauben erteilt hat, dass die dort festgeschriebenen Zahlen realistisch sind. Das hätte man aber, wenn man alle Informationen der Bahn gehabt hätte, so nicht annehmen können.
Hier stellt sich die Frage nach der Legitimation von Parla mentsbeschlüssen im Bundestag und im Bundesrat, wenn die se Gremien auf der Grundlage von nicht aktuellen Zahlen – diese lagen deutlich unter dem, was kurze Zeit später bekannt gemacht wurde – entscheiden.
Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass die damals zu ständigen Beamten – übrigens damals im Innenministerium – entsetzt waren, als sie von der Kostenexplosion bezüglich der Tunnelpassagen erfuhren. Ich zitiere wörtlich aus einem Ver merk vom 6. November 2009:
Das stand am Schluss dieses Kommentars von Beamten. Sie waren entsetzt darüber, wie man ihnen falsche Zahlen hat vor gaukeln können. Das Land war also offenbar selbst nicht ge rade begeistert von der Informationspolitik. Denn sonst hätte man nicht ein Anwaltsbüro beauftragt, zu prüfen, ob arglisti ge oder fahrlässige Täuschung vorliegt.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Hört, hört! – Abg. Tanja Gönner CDU: Mit welchem Ergebnis? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Keine Ahnung! Das ist doch logisch: Wenn man ei ne Beteiligung des Landes will, rechnet man seine Kosten höher, damit der Anteil der Beteiligung höher wird! – Weitere Zu- und Gegenrufe von der CDU und den Grünen – Unruhe)
Hört, hört! – Wir konnten den Akten leider nicht entnehmen, warum Sie diesem Ansinnen nicht weiter nachgegangen sind.
Meine Damen und Herren, im Jahr 2009 ist Bahnchef Meh dorn gestürzt worden. Er hat einen Nachfolger namens Gru be. Herr Grube hat sich vorgenommen, für mehr Kostentrans parenz und Klarheit zu sorgen. Das hat er auch sehr schnell getan. Zu meinem großen Erstaunen – vielleicht auch zum großen Erstaunen des einen oder anderen von Ihnen – hat er sehr schnell ein neues Kostentableau gehabt, und zwar eines von 5,2 Milliarden €. Er hat, wie er mir damals persönlich ge sagt hat, nachrechnen lassen, wie sich das Ganze zusammen setzt.
Es war natürlich in der Tat ein Problem, dass jetzt plötzlich 5,2 Milliarden € anstanden. Er hatte dann das Problem: Wie bekomme ich das wieder herunter? In relativ kurzer Zeit hat er ein knappes Papier erarbeiten lassen, mit dem er 900 Mil lionen € wieder hat herausrechnen lassen – mit sehr vielen An nahmen, beispielsweise mit der Annahme der Reduzierung von Tunnelstärken, ohne dass klar war, ob das EBA dies je ge nehmigen würde, beispielsweise mit der Annahme, dass bei den Grundstücksankäufen deutliche Einsparungen zu erzie len sein würden,
(Abg. Peter Hauk CDU: Das alles sind doch alte Ka mellen! Das weiß doch jeder! Es geht um die Kosten 2011!)
ohne dass bereits Grundstückskäufe getätigt worden wären. Es wurden eine ganze Reihe von Luftbuchungen genau in die sem Bereich vorgenommen.
Aber – jetzt tritt die Verantwortung des Landes in Kraft – man hätte seinerzeit nachfragen können und müssen, ob diese Kos teneinsparungen denn möglich waren. Da war, muss man sa gen, Fehlanzeige. Es gibt bis zum heutigen Tag keinen Nach weis, dass Einsparmaßnahmen in dieser Größenordnung wirk lich realisiert werden können.
Es gibt Erläuterungen der Bahn. Sie sagen, man könne es so oder so machen. Es gibt aber keine nachvollziehbaren Bele ge,
anhand derer man überprüfen und glaubwürdig nachvollzie hen könnte, dass diese 900 Millionen € wieder herauszu schwitzen sind.
Meine Damen und Herren, so kann Kontrolle nicht funktio nieren, wenn man einfach nur hinnimmt, was einem kurzzei tig vorgelegt wird, und wenn für die Kontrolle nur zwei Tage angesetzt werden. Wenn es um so komplexe Zahlenwerke geht, muss man sich Zeit nehmen. Genau das haben Sie aber vor der entscheidenden Sitzung des Lenkungskreises nicht ge tan, als es darum ging, ob man für dieses Projekt endgültig grünes Licht gibt.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Das entspricht nicht den Tatsachen! – Abg. Karl Zimmer mann CDU: Sagen Sie doch einfach, Sie unterneh men alles, damit es verhindert wird! – Gegenruf der Abg. Nicole Razavi CDU: Das hat er doch schon ge sagt!)
Das wollten auch Sie nicht. Denn der damalige Ministerprä sident Oettinger hat deutlich gesagt: Es kommt zwar darauf an, dass die Mehrkosten und die Kostensteigerungen plausi bel gemacht werden, aber entscheidend ist, dass beide Ver tragsparteien von den bestehenden Ausstiegsklauseln keinen Gebrauch machen. Es war also klar: Es sollten keine Zahlen nach außen dringen, die das Projekt und die Zustimmung da zu gefährden könnten. Das war der entscheidende Punkt. Sie haben die letzte Chance, angesichts drohender Kostenüber schreitungen von diesem Projekt Abstand zu nehmen, verstrei chen lassen.
Sie haben in Ihrer Rede heute darauf hingewiesen, dass in der Faktenschlichtung von drei Wirtschaftsgutachtern deutlich ge macht worden sei