Protocol of the Session on July 29, 2010

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Dritter Punkt: Ich rate Ihnen, heute Nachmittag einmal in das Gutachten hineinzuschauen. Da können Sie es lesen. Denn Sie sagen ja: Ich will es sehen. Lesen Sie es – ich hoffe, dass Sie nicht nur des Lesens mächtig sind, sondern auch des Verste hens –,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist das Problem! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das Verstehen ist eher das Problem! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das ist Bachmann-Niveau!)

damit Sie dann auch wissen, dass das, was Sie gestern gesagt haben, falsch ist.

Mich verwundert, dass ausgerechnet Grüne, die sonst für die Nutzung der Schiene sind, mit einer solchen Äußerung die Menschen verunsichern. Im Übrigen ist die Schwierigkeit, dass ein nicht unerheblicher Teil derer, die gestern zwar den SWR gehört haben, heute diese Debatte aber nicht verfolgen und deswegen, weil man sich mit dem Projekt nicht beschäf tigt hat, jetzt mit der Verbreitung von Unwahrheiten unter wegs sind. Das macht mich betroffen, weil ich finde, dass das nicht die Art ist, wie man Politik macht.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich lege Wert auf die Feststellung, dass wir bisher mit der entsprechenden Transpa renz unterwegs waren.

(Lachen bei den Grünen)

Angesichts dessen, was vor Kurzem von Projektgegnern an Horrorzahlen für die Neubaustrecke veröffentlicht worden ist, zeigen die jetzt vorliegenden Zahlen – im Übrigen nach Be rechnungen auf der Grundlage von Planfeststellungsbeschlüs sen, auf der Grundlage von Anhörungsergebnissen zu Plan feststellungsbeschlüssen –, dass wir deutlich unter dem ge blieben sind, was an Horrorzahlen verbreitet worden ist.

Es ist klar, dass jede Kostensteigerung wehtut. Es ist klar, dass wir uns wünschen würden, dass wir in Zukunft im öffentli chen Bau unter unseren Kostenschätzungen blieben. Jeder in diesem Haus, der sich mit öffentlichen Bauten – egal, in wel cher Form – beschäftigt, muss jedoch wissen – das gilt im Üb rigen für grüne Oberbürgermeister genauso wie für SPD-Bür germeister, wie auch für CDU-Bürgermeister –, dass wir im Laufe von entsprechenden Verfahren meist Kostensteigerun gen haben.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Wir würden uns wünschen, wir hätten keine.

Die Tatsache allerdings, dass wir deutlich unter 3 Milliarden € bleiben, ist für uns ein wichtiger Punkt, um zu sagen: Dieses Infrastrukturprojekt bringt Baden-Württemberg in die Zu kunft.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP)

Wir wollen Zukunft für Baden-Württemberg gestalten. Ich würde mich freuen, wenn man sich einmal Gedanken darüber machen würde, wie man diejenigen, die man mit Debatten auf die Bäume jagt, von diesen auch wieder herunter bekommt.

Ich komme zurück zum Thema „Mythos Unumkehrbarkeit“. Das ist kein Mythos, das ist ein Fakt. Ich komme zurück zur

Frage: Warum muss man heute über ein Moratorium sprechen, wenn die Unumkehrbarkeit angeblich ein Mythos ist? Das liegt daran, dass es ein Hilferuf ist, weil man feststellt, dass all das, was man in den vergangenen Monaten zum Thema Stuttgart 21 gesagt und in die Debatte eingebracht hat, so nicht gilt und man jetzt nicht mehr weiterweiß. Deswegen gibt es jetzt den Versuch des Moratoriums.

Ich würde mir wünschen, dass Sie sich heute Gedanken dar über machen, wie Sie es schaffen, in Zukunft tatsächlich Über zeugungsarbeit auch bei denen zu leisten, die heute Gefahr laufen, auf die Bäume zu gehen. Ich wünsche mir, dass sie es nicht tun. Vor allem aber geht es um die Erhaltung des Rechts staats.

Wir wollen mit diesem Projekt die Zukunftsfähigkeit BadenWürttembergs voranbringen. Ich bin der Überzeugung – dar auf lege ich Wert –: Die demokratischen Entscheidungen in diesem Land sind auf allen Ebenen gefallen. Ich wünsche mir, dass man dies auch respektiert. Die Befürworter haben sich sehr intensiv mit diesem Projekt auseinandergesetzt. Das neh men wir für uns in Anspruch, und wir haben uns auch mit den Gegenargumenten auseinandergesetzt. Das habe ich heute not wendigerweise auch gemacht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, unter un seren Gästen auf der Zuhörertribüne gilt mein besonderer Gruß einer Delegation der Regierung des Schweizer Kantons Aargau unter der Leitung von Herrn Landammann Beyeler.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Da könnte man etwas über den Nahverkehr lernen! Da sollten wir hinfah ren!)

Die Delegation wird vom Schweizerischen Generalkonsul Hans Dürig begleitet.

Die Schweizer Gäste werden im Rahmen ihres Besuchs in der Landeshauptstadt mit Herrn Ministerpräsident Mappus und weiteren Mitgliedern der Landesregierung zusammentreffen. Heute Abend wird sich der Kanton Aargau beim Empfang von Herrn Generalkonsul Dürig aus Anlass des Schweizer Natio nalfeiertags präsentieren.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Landammann Beyeler, ich darf Sie und Ihre Delegation im Landtag von Baden-Württemberg herzlich willkommen heißen und Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und interes sante Gespräche in unserer Landeshauptstadt wünschen.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Das Wort erteile ich nun Herrn Abg. Kretschmann.

Meine Damen und Herren! Wir haben an keiner Stelle bezweifelt, dass das Pro jekt Stuttgart 21 durch demokratische Entscheidungen hier beschlossen wurde.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

Aber Sie verwechseln Legalität mit Legitimität.

(Beifall bei den Grünen – Widerspruch bei der CDU, der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Jetzt geht es aber los! – Abg. Hans- Martin Haller SPD: Ja, ja! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das ist die alte Tradition der Grünen! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wieder der Rück fall in die Chaotenzeit! – Unruhe)

Es ist ein Grundsatz, dass in der Demokratie Legitimation durch Verfahren herrscht. Man darf erwarten – darauf hat die Bürgerschaft ein Anrecht –, dass Projekte von einer solchen Dimension und Größenordnung

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ist das ille gitim?)

mit der nötigen Sorgfalt und Offenheit behandelt werden,

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Jörg Döpper: Seit 25 Jahren!)

dass hierbei Wahrheit und Klarheit herrschen, dass die Bür ger in der Lage sind, das Projekt mitzuvollziehen und zu ver folgen und dass dabei die Gebote der Fairness gelten.

(Beifall bei den Grünen – Zurufe, u. a. Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Der Brandstifter ruft nach der Feuerwehr!)

Allein dass die Kosten dermaßen aus dem Ruder laufen

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das stimmt doch gar nicht! – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sie sind nicht aus dem Ruder gelaufen!)

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Nein! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die Einzigen, die aus dem Ruder laufen, sind die Grünen!)

dass die Kosten so dramatisch aus dem Ruder laufen, wie sie das tun und wie dies die Gegner dieses Projekts immer prog nostiziert haben, dass Sie das aber immer bestritten haben und gesagt haben, es gebe kein besser gerechnetes Projekt als Stuttgart 21, das untergräbt eben die Legitimation eines sol chen Vorhabens. Das ist doch ganz offenkundig.

(Beifall bei den Grünen)

Trotzdem ist es demokratisch, wenn Sie es dann durchziehen wollen. Wir werden es auch nicht verhindern können, wenn Sie das machen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: 17 Jahre! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Endlich sehen Sie es ein! – Abg. Jörg Döpper CDU: Na also!)

Wir können das nicht verhindern. Wir sind hier eine Minder heit. Was wir heute machen, ist lediglich, noch einmal den Ap pell an die Mehrheit zu richten, einzuhalten,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Reiner Po pulismus, nichts anderes! – Zurufe von der CDU)

innezuhalten und noch einmal auf die Argumente einzugehen. Mehr können wir heute überhaupt nicht tun.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist doch scheinheilig!)