Protocol of the Session on July 29, 2010

die Stadt habe von der Bahn Grundstücke gekauft. Richtig. Der VCD steht Ihnen näher als mir.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Also wirklich! – Zu ruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Der VCD behauptet heute

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Keine Ahnung!)

hören Sie mir einmal zu! –, die Stadt Stuttgart habe von der Bahn Grundstücke gekauft.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Richtig. Die Bahn habe dafür Geld bekommen. Richtig. Aber jetzt geht es los: Die Bahn hätte das Geld zum Teil zu einem Zinssatz von 18,8 % angelegt

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ein Schwachsinn!)

und dadurch so viel an Zinsen erzielt, dass die Bahn die Kos ten, die entstehen würden, wenn wir das Projekt Stuttgart 21 beenden würden,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: 1,4 Milliarden € zah len könnte!)

ohne Weiteres bezahlen könnte. Einen größeren Unsinn habe ich noch nie gehört.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Volksverdum mung!)

Eine solche Aussage zeugt nicht einmal von einem Fünkchen juristischer Kompetenz.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau! Kei ne Ahnung!)

Meine Damen und Herren, warum ist Stuttgart 21 unumkehr bar? Bis heute ist die überwiegende Mehrheit in diesem Haus der Meinung: Wir brauchen und wollen Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm.

(Zurufe der Abg. Siegfried Lehmann und Bärbl Mie lich GRÜNE)

Frau Bauer, Sie haben vorhin gesagt, in Baden-Württemberg sei keine wirtschaftliche Dynamik festzustellen. Hier aber ist ein Punkt, bei dem Sie wirtschaftliche Dynamik verhindern – wider besseres Wissen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Ein weiterer Grund, warum das Projekt unumkehrbar ist: Al le Abschnitte von Stuttgart 21 bis auf den letzten auf den Fil dern sind planfestgestellt. Die Planfeststellung auf den Fildern ist bisher daran gescheitert, dass der Bundesverkehrsminister keine Zustimmung zu der Ausnahme gegeben hat, dass auf der S-Bahn-Strecke auch Fern- und Regionalverkehr der Gäu bahn stattfinden kann. Diese Zustimmung liegt jetzt vor.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das hat es vorher noch nie gegeben!)

Die Bahn ist seit Neuestem sogar bereit, daraus die Konse quenzen zu ziehen und diese Strecke wie eine neue Strecke zu behandeln und für die Anlieger einen Lärmschutz zu ins tallieren. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

In der zweiten Runde möchte ich Ihnen erzählen, warum das Projekt alternativlos ist. Jetzt noch einen einzigen Punkt, wa rum es unumkehrbar ist. Sie hätten eine einzige Chance ge habt, wenn Sie bei dem Urheberrechtsstreit nicht nur prozes siert, sondern auch eine einstweilige Verfügung beantragt hät ten. Davor haben Sie sich gescheut, weil Sie entweder schon wussten,

(Zuruf von den Grünen: Was heißt wir?)

wie es ausgeht, oder weil Sie das Geld nicht aufbringen woll ten oder konnten.

Noch einmal: Stuttgart 21 ist unumkehrbar. Wir gehen Ihnen nicht auf den Leim, diese Frage offenzulassen, um die Land tagswahl zu einem Plebiszit über dieses Projekt zu machen.

In der zweiten Runde erzähle ich Ihnen etwas darüber, war um Stuttgart 21 alternativlos ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hal ler.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ich hoffe, er liest jetzt nicht die Rede von Walter Sittler vor!)

Herr Kollege Walter, ich le se gar keine Reden vor; ich rede nach eigenem Gusto.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vorab zwei, drei Vorbemerkungen zur Verkehrspoli tik machen. Die SPD tritt entschieden für eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg ein, gerade auch bezogen auf die Schiene. Wir haben hier landauf, land ab kräftigen Nachholbedarf. Ein wirtschaftsstarkes Land braucht gute Vernetzungen in die Zentren, aber auch – das sa ge ich ganz deutlich – im ländlichen Raum, egal ob Südbahn, Frankenbahn, Hochrheinbahn oder Zollernbahn. Die Aufzäh lung lässt sich fortsetzen. Insoweit ist das Projekt, eine Schnellbahntrasse von Stuttgart nach Ulm zu bauen, eines von vielen Vorhaben, mit denen wir den Schienenverkehr in Ba den-Württemberg im Interesse dieses Landes und seiner Zu kunft verbessern wollen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU)

Bei all diesen Projekten, verehrte Damen und Herren, wird es Befürworter und Gegner geben. Das ist in Ihren Reihen so, und das ist auch in unseren Reihen so. Damit können wir bes tens leben. Das ist Sache einer Gewissensentscheidung. Das ist Angelegenheit der freien Ausübung des Mandats. Das ist innerparteilich und außerhalb gelebte Demokratie. Diese Dis kussionen brauchen wir.

Wir haben überhaupt kein Problem damit, dass es abweichen de Meinungen in manchen Reihen gibt, sei es bei Ihnen in der

CDU oder gar bei uns in der SPD. Das ist gelebte Demokra tie. Kollege Stickelberger hat einmal so schön gesagt: Wir ha ben gelernt – das gehört zu unserer Kultur –, auch mit Wider sprüchen zu leben. Das ist auch hier so. Wir haben in unseren Reihen, im Parlament und außerhalb, Kollegen, die keine Be fürworter des Projekts sind. Es ist elementarer Bestandteil ei ner 150-jährigen Tradition, kampferprobt zu sein und mit Wi dersprüchen zu leben.

Nun zum Projekt selbst ein paar grundsätzliche Anmerkun gen. Seit knapp 20 Jahren ist das Projekt in der Planung. Je der einzelne Schritt hat ein rechtsstaatliches Planungsverfah ren durchlaufen und hat Klageverfahren standgehalten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Zum Anfang gehören auch die Kritiker. Sie haben in Wahlen zum Teil erfolgreich abgeschnitten, aber sie haben in den letz ten 20 Jahren nie auch nur annähernd die Minderheitenposi tion verlassen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Diese Kritiker haben in der Vergangenheit alle rechtsstaatli chen Möglichkeiten und Instrumente, die ihnen natürlich zu stehen, genutzt, um das Projekt zu Fall zu bringen. Das ist völ lig legal. Jedes einzelne Instrument, so unterschiedlich es sich darstellt, hatte aber immer nur ein Ziel: das Projekt in toto, im Ganzen, zu Fall zu bringen. Es geht im Einzelfall nicht um ei ne Verbesserung hier, um eine Verbesserung dort, sondern es geht letztlich immer um das Projekt im Ganzen, weil Sie es nicht wollen. Seien es die OB-Wahlen, die Rechtsauseinan dersetzungen, die planerischen Mängelgutachten – es geht nie um die Einzelfallsystematik.

Auch heute führen wir eine Debatte, haben aber keinen An trag vorliegen, mit dem ein Moratorium begehrt würde. Das sei auch noch erwähnt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Man hätte einen ein bringen können, wenn man es ernst meinte! – Gegen ruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das ist bei einer Aktuellen Debatte nicht möglich!)

Wir von der SPD würden ein Moratorium auch nicht befür worten, weil wir zu diesem Projekt stehen. Für uns ist auch völlig klar, dass bei Projekten dieser Größenordnung – mög licherweise auch in Zukunft – Überraschungen finanzieller, baulicher, technischer Art anstehen werden. Das ist bei Groß projekten völlig normal. Man darf sich nicht bei jedem ein zelnen Schritt verunsichern lassen. Sonst haben wir in dieser Republik Stillstand. Das wollen wir nicht. Die Kollegen ha ben in mehreren Debatten darauf hingewiesen: Wir wollen dieses Land wirtschaftlich nach vorn bringen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Zum Vergleich: In der Schweiz gibt es das NEAT-Projekt mit Gesamtkosten in Höhe von ca. 30 Milliarden Schweizer Fran ken. Auch dieses Projekt ist umstritten gewesen. Allerdings gibt es einen Unterschied: Die Schweiz ist eine plebiszitäre Demokratie. Auch dort gab es Gegner. Wir haben eine reprä sentative Demokratie. Das eine kann nicht gegen das andere

ausgespielt werden. Wir stimmen in dieser Republik durch Parlamente ab – das ist seit dem Jahr 1949 unsere Tradition –,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! – Abg. Pe ter Hofelich SPD: Seit 1948!)

und niemand darf die vom Volk gewählten Abgeordneten als undemokratisch bezeichnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Jawohl!)

Denn sonst verlässt dieser den Rahmen des Grundgesetzes. Wenn nun die Gegner Stuttgarts

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Genau! Die „Gegner Stuttgarts“! – Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Wir sind überhaupt nicht gegen Stuttgart! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)