Protocol of the Session on July 29, 2010

Der Ministerpräsident hat gestern sagt: „Wir haben im Bereich der unter Dreijährigen die Mittel verzehnfacht.“

(Abg. Margot Queitsch SPD: Quatsch! – Abg. Ursu la Haußmann SPD: Oje!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist bei dem winzigen, verschwindend geringen Betrag, den wir als Ausgangsbasis hatten, nicht schwierig. Zehn mal wenig mehr als null ist auch noch nicht besonders viel. So wenig ist es zwar nicht, aber im Vergleich unter den Bundesländern taugt es bezüglich der In vestitionen in diesem Bereich nicht – das wissen Sie sehr wohl, die Sie sich auch mit bundesweiten Vergleichen be schäftigen –, um sich dadurch mit einem Ehrenkranz auszu zeichnen.

Jetzt beschäftigen Sie sich mit der Umsetzung des Orientie rungsplans. Herr Kollege Hoffmann, Sie haben sich viel Mü he gegeben,

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Ja!)

zu erklären, warum die Erzieherinnen bei Kindern unter drei Jahren keinen Schnitt machen. Ich sage Ihnen jedoch: Dass Sie mit der verbindlichen Umsetzung erst bei über Dreijähri gen beginnen und glauben, dass man den noch wichtigeren Bereich der unter Dreijährigen – in dieser Altersgruppe wird

auch nach Aussage aller Wissenschaftler der Grund gelegt – der Unverbindlichkeit und der Beliebigkeit überlassen kann, ist symptomatisch. Das halten wir für einen völlig verfehlten Ansatz.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Natürlich spiegelt sich das auch in der Personalausstattung wider. Das, was Sie vorlegen, reicht für den Anspruch der heu tigen Zeit nicht aus.

Ich will Ihnen noch einen anderen Bereich nennen, in dem wir unsere Hausaufgaben machen müssen. Sie wissen genau, wel che Bedeutung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit insbesondere der Ausbau einer verlässlichen Kinderbe treuung als Standortfaktor für das Land, aber auch für die Kommunen hat. Wenn jetzt zum einen die Kommunen in der Situation, in der sie sich befinden, sagen: „Wir haben damit finanziell ein Problem“, wir auf der anderen Seite lesen, dass wir unter Umständen ein Problem haben, bis 2013 überhaupt die 35-%-Marke zu erreichen – auch wenn das noch kein Rechtsanspruch ist; darüber sind wir uns sicher im Klaren –, und sich zudem das Riesenproblem abzeichnet, überhaupt aus reichend Fachkräfte zu gewinnen, dann muss man sagen: Das ist eine der zentralen Aufgaben, denen sich das Land gemein sam mit Partnern zu stellen hat. Da werden Sie Ihrem eige nen, selbst gestellten Anspruch jedoch überhaupt nicht ge recht.

Dieser Gesetzentwurf ist eine Teilantwort, aber diese Teilant wort reicht uns als Antwort auf diese zentrale gesellschaftli che Herausforderung nicht aus.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Lösch das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Mit der Zielsetzung des neuen Geset zes stimmen wir natürlich überein,

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Schön!)

was die Weiterentwicklung der Qualität in den Kindergärten auf der Grundlage des Orientierungsplans anbelangt. Dabei haben wir große Hoffnungen auf die Einigung zwischen Land und Kommunen gesetzt. Aber leider sehen wir unsere Hoff nungen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf enttäuscht.

Schon im Herbst 2009 sollte laut Ankündigung des Ministe riums der Orientierungsplan in Baden-Württemberg flächen haft in allen Einrichtungen verankert sein. Leider ist das Land aber weit hinter seinen Ankündigungen zurückgeblieben.

Das Land versäumt es nun, mit dem neuen Gesetzentwurf den Orientierungsplan gesetzlich zu verankern und somit auch ei ne Verbindlichkeit einzuführen. Der Orientierungsplan setzt hohe inhaltliche Standards in der Bildungs- und Erziehungs arbeit in den Kindertageseinrichtungen. Mit der fehlenden Verbindlichkeit nehmen sich das Land bzw. die Träger die Möglichkeit einer ebenso verbindlichen Evaluation und somit auch den Nachweis einer nachhaltigen Wirkung der Umset zung des Orientierungsplans.

Es geht nicht darum, Herr Kollege Hoffmann, nur Teile des Orientierungsplans umzusetzen. Wir wollen keinen „Orien tierungsplan light“, sondern wir wollen eine Verbindlichkeit des gesamten Orientierungsplans. Dazu hätte ein solcher Ge setzentwurf dienen können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Norbert Zeller SPD: Richtig! – Zuruf des Abg. Andreas Hoffmann CDU)

Zwar geht das neue Kindergartengesetz in die richtige Rich tung. Die ausgehandelte Mindestpersonalausstattung ist aber nach wie vor zu gering für eine gelingende Umsetzung des Orientierungsplans und somit für eine individuelle Förderung für jedes Kind.

Ich möchte Ihnen in der Kürze der Zeit nur zwei unserer Kri tikpunkte benennen, die sich auch mit den Kritikpunkten ver schiedener Verbände und Organisationen decken.

Erstens: Mindeststandards gelten nicht für unter Dreijährige. Wenn sich der Orientierungsplan auch auf die unter Dreijäh rigen bezieht, wenn dieser Plan auch für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren eine Orientierung bieten soll, dann wäre es auch richtig gewesen, die Mittel für die weitere Qua lifizierung des Personals sowie die Mindeststandards für das Personal auch für die Betreuung der unter Dreijährigen zu re geln. Das haben Sie mit dem Gesetzentwurf nicht gemacht. Unseres Erachtens widerspricht diese politische Entscheidung sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Bindungs- und Hirnforschung. Sie wissen: Je schlechter der Personal schlüssel ist – 5 : 1 –, desto schwieriger ist es für kleine Kin der, eine Bezugsperson zu haben und bindungstheoretisch – –

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Je schlechter das El ternhaus! Sagen Sie das auch dazu!)

Herr Kollege Zimmermann, Sie sind noch immer nicht in der Realität angekommen. Das erfährt man von Sitzung zu Sitzung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Was er sagt, ist doch wahr! – Abg. Marianne Wonnay SPD: So viel Stein zeit kann man nicht aushalten!)

Deshalb ignoriere ich Ihre Zwischenrufe jetzt einfach.

(Abg. Ursula Haußmann SPD zur CDU: Wenn man einen solchen Käs’ rausschwätzt!)

Der zweite wichtige Punkt, den ich in der Kürze der Zeit noch ansprechen möchte, ist die Verrechnungsmöglichkeit bei den Mindeststandards. Da gibt es sowohl die Kritik des Städte- und Gemeindetags als auch die Kritik der Verbände. Die in der Ergänzung zu § 8 Abs. 2 vorgesehene, am Mindeststan dard ausgerichtete Verrechnungsmöglichkeit von Zuschüssen für die Personalausstattung ist sehr schwer mit dem Ziel einer Verbesserung der Rahmenbedingungen in unseren Kinderta geseinrichtungen zur Umsetzung des Orientierungsplans in Einklang zu bringen, da dies hierdurch auch konterkariert wer den kann. Über den Mindeststandard hinausgehende zusätz liche Personalressourcen für Leitungs-, Beobachtungs- und Dokumentationsaufgaben, für die Pflege einer lebendigen El

ternpartnerschaft und die zusätzliche Förder- und Koordinie rungsarbeit, für Einschulungsuntersuchungen und für Sprach förderung können so auf kaltem Weg wieder einkassiert wer den. Die einzigen Profiteure wären letztendlich die bei den Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen handelnden Akteure.

Ein dritter Punkt: Die Umsetzung des Wunsch- und Wahl rechts ist nicht geregelt. Auch hier hätte es die Möglichkeit gegeben, die Umsetzung von § 5 des SGB VII zum Wunsch- und Wahlrecht neu zu ordnen. Als Beispiel muss ich leider die Stadt Stuttgart nennen. Sie ist nach wie vor nicht bereit,

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Ihr habt doch die Mehrheit!)

dem Wunsch- und Wahlrecht nach der jetzigen Regelung zu zustimmen. Hier hätte es die Möglichkeit gegeben, dies noch einmal klarer zu regeln.

Der vierte Punkt ist die nach wie vor fehlende Definition der Betriebskosten, und der fünfte Punkt ist die fehlende Defini tion von Mindestpersonalstandards bei unterschiedlichen Rah menbedingungen. Es gibt auch noch einen sechsten, siebten, achten Punkt – so könnte ich gerade weitermachen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie gesagt: Das Gesetz ist in seiner Zielsetzung richtig.

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Das ist doch schön! Also zustimmen!)

Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ein ganz kleiner!)

Aber wenn man eine Novellierung eines Gesetzes vornimmt, dann sollte man die bestehenden bekannten Schwachstellen in diesem Gesetzentwurf berücksichtigen und dies verbessern. Man sollte sich nicht an den vielen Puzzleteilen der frühkind lichen Bildung, die es in Baden-Württemberg gibt, orientie ren, sondern man sollte sagen: Das A und O der frühkindli chen Bildung ist der Orientierungsplan. Der Orientierungs plan ist die pädagogische Zielrichtung, um den gesamten Kin derbetreuungsbereich zu stärken.

Wir möchten die Erzieherinnen – und die wenigen Erzieher – bei ihrer Arbeit unterstützen. Wir möchten ihnen gute Rah menbedingungen bieten. Dazu bedarf es einer Menge Korrek turen. Wir werden diese Korrekturen in Form von Änderungs anträgen in die Debatte einbringen. Je nachdem, wie Sie mit unseren Änderungsanträgen, mit unseren Vorschlägen umge hen, werden wir unsere Entscheidung bezüglich einer Zustim mung zum Gesetzentwurf treffen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold das Wort.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt wird alles gut!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich kann mich kurz fassen, denn meine Vorrednerin nen und Vorredner haben ausführlich dargelegt, worum es sich bei dem Orientierungsplan handelt, den wir jetzt in BadenWürttemberg auch in der Fläche verankern können. Auch der wesentliche Inhalt der Gesetzesnovelle wurde schon darge legt.

Ich möchte auch für meine Fraktion unserer großen Freude darüber Ausdruck verleihen, dass wir es geschafft haben, den Orientierungsplan in die Fläche zu bringen, und wir in einem ersten Schritt der Veränderung des Mindestpersonalschlüssels auch notwendige Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Orientierungsplan so umgesetzt werden kann, wie wir uns das wünschen.

Der Orientierungsplan ist eine wichtige Grundlage der Kin dergartenarbeit. Das ist keine Frage. Er ist Grundlage für al le anderen Maßnahmen im frühkindlichen Bereich, die wir in den letzten drei Jahren auf den Weg gebracht haben und die wir in einem Gesamtkonzept zusammenfassen müssen.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Aber nach so langer Zeit wäre ein Gesamtkonzept auch nicht schlecht!)

Aber für uns ist es – ich betone es noch einmal – ein erster Schritt. Wir wissen, dass wir, wenn der Orientierungsplan in der ganzen Qualität, die in ihm angelegt ist, wirklich zum Tra gen kommen soll, in der Zukunft einen noch besseren Perso nalschlüssel brauchen. Wir brauchen auch andere Gruppen größen. Wir halten an dem ursprünglichen Ziel der Landesre gierung, diesen Erziehungsrahmenplan im frühkindlichen Be reich verbindlich zu machen, fest. Wir hoffen sehr, dass wir dieses Ziel in der nächsten Legislaturperiode Schritt für Schritt umsetzen können.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Ur sula Haußmann SPD: Schwacher Beifall! – Abg. Bri gitte Lösch GRÜNE: In der nächsten Legislaturperi ode!)