Protocol of the Session on July 28, 2010

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Herrn Abg. Scheu ermann das Wort.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich darf Sie um Ruhe bitten. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Frau Präsidentin, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, meine verehrten Kolle ginnen und Kollegen! Die Grundsatzfragen dieser Novelle der Vorschriften über das Wasserentnahmeentgelt haben wir in der ersten Lesung debattiert und besprochen. Weil es jetzt schon sehr spät ist, verfalle ich nicht in die Versuchung, das zu wiederholen.

(Zuruf: Sehr gut!)

Meine zweite Feststellung heißt: Die CDU-Fraktion wird – wie Sie es nicht anders erwartet haben – diesem Gesetz zu stimmen.

Meine dritte Feststellung heißt: Dieses Gesetz ist unverändert aus der Beratung des Umweltausschusses herausgekommen.

Viertens: Von den Grünen gibt es einen Änderungsantrag, der sich aus drei Bestandteilen zusammensetzt, wenn ich das rich tig realisiert habe. Hierzu möchte ich ganz kurz sagen, dass wir diese drei Forderungen ablehnen. Ich möchte auch versu chen, das ganz kurz zu begründen.

Der erste Teil des Antrags zielt darauf, dass man für die Ent nahme von Oberflächenwasser den im Gesetz vorgesehenen und in der Vergangenheit schon in den allermeisten Fällen so bestehenden Betrag von 1 Cent pro Kubikmeter Wasser ver doppelt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein Grundelement dieses Gesetzes, dass die Benutzung von Ober flächenwasser mit 1 Cent pro Kubikmeter Wasser als Wasser entnahmeentgelt belastet wird. Wir sehen überhaupt keinen Grund, warum man diesen Grundsatz, der über Jahre, über Jahrzehnte hinweg Bestand hatte, jetzt plötzlich durchbrechen und den Betrag verdoppeln sollte.

Im Übrigen ist diese Novelle vor allem deswegen gemacht worden, weil man Streitfragen in der Auseinandersetzung mit den Energieversorgungsunternehmen, die die Kraftwerke be treiben, beseitigen wollte. Das sind eigentlich die typischen Fälle für die Entnahme von Oberflächenwasser. Die ganze Konstruktion des Gesetzes ist auf diesem Betrag von 1 Cent pro Kubikmeter Wasser aufgebaut. Die ganze Statik des Ge setzes käme durcheinander, wenn man die Höhe jetzt plötz lich verdoppeln würde.

Der zweite Teil des Antrags der Grünen lautet: Wir sollen für die Erträge aus dem Wasserentnahmeentgelt eine Zweckbe stimmung in das Gesetz aufnehmen. Grundsatz bisher war und Grundsatz soll auch in Zukunft bleiben: Dieses Geld steht dem Haushalt zu. In der praktischen Handhabung, Frau Dr. Splett, war es in der Vergangenheit so, dass dieses Geld ausschließ lich, kann man sagen, für ökologische Zwecke verwendet wor den ist. Ich sehe überhaupt nicht, wie jemand in der Zukunft dieses Geld wenigstens im Wesentlichen für etwas anderes verwenden könnte.

Die zwei ganz großen Brocken, für die das Aufkommen von 80 bis 85 Millionen € pro Jahr verwendet worden ist oder ver wendet wird, sind SchALVO und MEKA für die Landwirt schaft. SchALVO ist die Ausgleichsverordnung, nach der die jenigen, die sich in bestimmten Gebieten mit der Düngung zu rückhalten, dafür eine Entschädigung bekommen, und genau so ist es beim MEKA bei richtigem Verhalten außerhalb der SchALVO-Gebiete. Wir lehnen also das Begehren, eine Zweckbindung in das Gesetz aufzunehmen, ab.

Der dritte Teil des Änderungsantrags lautet: Man möge Ermä ßigungsmöglichkeiten, wie sie im Gesetz für Industrie und Gewerbe vorgesehen sind, auch für die Wasserversorgungs unternehmen vorsehen. Das heißt, wenn jemand Maßnahmen durchführt, denen wir einen Lenkungseffekt in ökologischer Hinsicht zuschreiben können, dann gibt es Ermäßigung. Jetzt ist es natürlich außerordentlich schwierig, das auf Wasserver sorgungsunternehmen zu übertragen. Denn die Wasserversor gungsunternehmen sind nicht für die ökologischen Zwecke zuständig, sondern die Wasserversorgungsunternehmen müss ten dann mit denjenigen, die potenzielle ökologische Beein trächtigungen durchführen könnten, Abmachungen treffen oder Verträge abschließen, damit diese sich entsprechend ver halten. Dann könnten die Wasserversorgungsunternehmen nach dem, was die Grünen wollen, eine Ermäßigung des Was serpfennigs, des Wasserentnahmeentgelts bekommen. Wir ha ben das schon im Ausschuss abgelehnt und werden es heute ablehnen.

Wenn ich einen Grund zusammenfassend nennen sollte, dann würde ich sagen: Dieses Verfahren, das Sie uns hier vorschrei ben wollen, ist ein wirklich außerordentlich kompliziertes Ver fahren. Das ist der Grund, warum wir diesen Änderungsan trag insgesamt ablehnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Stober das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Gesetzesno velle schon deutlich früher hätte kommen sollen, um die Rechtsuntersicherheiten bei der Erhebung des Wasserpfennigs zu beseitigen, sind wir mit der vorgelegten Gesetzesänderung zufrieden und werden ihr deshalb auch zustimmen.

Die bisherigen Reduktionsregelungen des § 17 d des Wasser gesetzes, die dazu geführt haben, dass x Juristen mindestens x plus eins Meinungen zu der Auslegung haben konnten, ge

hören mit dem heutigen Tag der Vergangenheit an. Sowohl das Land Baden-Württemberg als auch die wasserentnehmen de Industrie haben nun wieder Klarheit darüber, wie viel Geld zu bezahlen ist bzw. mit welchen Einnahmen wir im Landes haushalt rechnen können.

Wir halten die Gesetzesnovelle sowie die Beibehaltung der derzeit geltenden Wasserentnahmeentgelte daher grundsätz lich für richtig. Solange unsere Nachbarländer RheinlandPfalz und Hessen keine Gebühren erheben – die sie aber nach der gültigen Wasserrahmenrichtlinie noch in diesem Jahr ein führen müssen –, macht es keinen Sinn, an den derzeit gelten den Sätzen herumzuschrauben.

Mit einem Entgelt von 1 Cent pro Kubikmeter Kühlwasser liegen wir etwa im Mittelfeld der Bundesländer, wenn man bedenkt, dass Länder wie Nordrhein-Westfalen deutlich hö here Gebühren erheben als wir.

Die Gebühren für Kühlwasser von 1 Cent auf 2 Cent pro Ku bikmeter zu erhöhen – Kollege Scheuermann hat es schon ge sagt –, wie es die Grünen beantragt haben, würde zu unnöti gen Wettbewerbsnachteilen unserer baden-württembergischen Industrie und dazu führen, dass die Wirtschaftsstandorte an derer Bundesländer entlang des Rheins attraktiver werden als unser Bundesland.

Wenn man noch bedenkt, dass aufgrund der bisherigen Ermä ßigungsregelung viele Unternehmen bisher nur einen halben Cent pro Kubikmeter Kühlwasser gezahlt haben, bedeutet Ihr Antrag, Frau Splett, für viele Unternehmen sogar eine Ver vierfachung der Gebühren. Das können wir unseren Unter nehmen nicht zumuten, zumindest nicht, solange in anderen Ländern entlang des Rheins kein Wasserentnahmeentgelt er hoben wird.

Ich will aber klar sagen – das habe ich auch schon in der ers ten Lesung gesagt –, dass wir nichts dagegen haben, im Ge leitzug mit anderen Bundesländern, insbesondere mit Rhein land-Pfalz und Hessen, wenn diese dann den Wasserpfennig auch eingeführt haben, die Ressource Wasser, deren Bedeu tung uns gerade in diesem Sommer wieder sehr deutlich wur de, mit einem höheren Betrag zu belegen. Sinn macht dies aber, wie ich schon gesagt habe, nur im Gleichschritt mit an deren Ländern, um Umweltdumping nicht noch mit besseren Wettbewerbsbedingungen zu belohnen.

Mittragen können wir auch die vorgeschlagene moderate Sen kung der Entgelte in zwei kleineren Teilbereichen. Dies gilt zum einen für die Abschaffung der Entgeltpflicht für die Be regnung und Berieselung landwirtschaftlicher Flächen, da da von auszugehen ist, dass schon bisher die Verwaltungskosten die tatsächlichen Einnahmen überstiegen haben.

Dies gilt zum anderen inzwischen auch – nachdem das The ma im Umweltausschuss noch umstritten war – für die Re duktion des Entgeltsatzes für sonstige Zwecke von 2 Cent auf 1 Cent pro Kubikmeter Wasser. Durch das Schreiben, das wir dieser Tage von Ihnen, Frau Ministerin, bekommen haben, ist klar, dass die Einnahmeausfälle in diesem Bereich gerade ein mal im sechsstelligen Eurobereich liegen. Das ist vor dem Hintergrund verkraftbar, dass man dann mit einem einheitli chen Satz arbeiten kann. Verkraftbar ist es vor allem dann, wenn man bedenkt, dass durch den Wegfall der bisherigen Er

mäßigungsregelungen auch an anderen Stellen mehr Geld in den Landeshaushalt fließt.

Für richtig halten wir auch, Unternehmen, die sich besonders umweltfreundlich verhalten, bis zu 25 % der Wassergebühren zu erlassen, wenn sie entsprechende Investitionen tätigen. Die ses Geld fehlt uns dann zwar für staatliche Maßnahmen zum Schutz der Gewässer, unterstützt uns aber bei der Umsetzung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie genauso.

Auch der Vorschlag der Grünen, umweltfreundliches Verhal ten von öffentlichen Trinkwasserversorgern zu belohnen, fin det grundsätzlich unsere Unterstützung. Wir haben aber, lie be Frau Splett – wie wir schon im Ausschuss gesagt hatten –, Probleme, uns konkret vorzustellen, was hier genau im Ein zelnen über die SchALVO hinausgehende Maßnahmen sein sollen, für die man entsprechende Investitionen anrechnen könnte.

Daher fehlt uns im Unterschied zu den sehr konkreten Buch staben f und g in § 17, was das Oberflächenwasser angeht, in Ihrem Vorschlag letztlich die entsprechende Konkretheit. Wir halten es aber im Grundsatz schon für die richtige Linie. Aber es muss, wie gesagt, an dieser Stelle auch rechtsfest sein. Des wegen haben wir nach langen Diskussionen im AK entschie den, uns bei diesem Punkt zu enthalten.

Definitiv nicht notwendig ist unseres Erachtens jedoch die von Ihnen beantragte Zweckbindung. Die Einnahmen aus dem Wasserpfennig fließen schon heute – Kollege Scheuermann hat es gesagt –, selbst unter einer CDU-geführten Regierung, in den Natur- und Gewässerschutz oder in andere umweltpo litische Maßnahmen. Das wird sich auch ab dem kommenden Jahr, wenn wir dann regieren, nicht ändern.

(Vereinzelt Heiterkeit)

In diesem Sinn bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jeder so witzig, wie er kann!)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Dr. Splett das Wort.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Will die auch mitre gieren?)

Wir wollen auch mitregie ren. – Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde sicher schon deutlich: Ich kann nicht ganz in das Loblied meiner Vorredner einstimmen.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Schade! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wie soll denn dann die Regierung klappen?)

Das ist aber wohlbegründet.

Ich bedaure, dass die Beratung im Umweltausschuss nicht da zu geführt hat, dass wir jetzt einen geänderten Gesetzentwurf vorliegen haben. Wir haben heute dieselbe Vorlage wie vor zwei Wochen.

Ein wesentlicher Grund, warum der Gesetzentwurf so aus sieht, wie er aussieht, ist die Koalitionsvereinbarung aus dem Jahr 2006. Darin heißt es unter der Überschrift „Verbesserte Rahmenbedingungen für die Energieerzeugung“ – darum geht es also –, dass die Tarife und Ermäßigungsregelungen des Wasserentnahmeentgelts mit dem Ziel zu überprüfen seien,

die Entwicklung der Rechtsprechung und des EU-Rechts nachzuvollziehen sowie Investitionen in den Wirtschafts standort Baden-Württemberg zu sichern und das Verfah ren der Erhebung zu vereinfachen.

Gegen eine Vereinfachung des Verfahrens haben wir nichts. Hierzu haben wir auch keine Änderungsanträge vorgelegt. Auch gegen die Einhaltung des EU-Rechts haben wir selbst verständlich keine Einwände. Die EU-Wasserrahmenrichtli nie sieht vor, dass entsprechend dem Verursacherprinzip Kos ten für Wasserdienstleistungen einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten zu entrichten sind. Die Mit gliedsstaaten sind aufgefordert, bis zum Jahr 2010 dafür zu sorgen,

dass die Wassergebührenpolitik angemessene Anreize für die Benutzer darstellt, Wasserressourcen effizient zu nut zen,...

Es ist dafür Sorge zu tragen,

dass die verschiedenen Wassernutzungen...

genannt sind Industrie, Haushalte und Landwirtschaft –

einen angemessenen Beitrag leisten zur Deckung der Kos ten der Wasserdienstleistungen.

Das Problem ist nun, dass die vorgesehene Absenkung der Ta rife für die Nutzung von Oberflächenwasser genau in die ge genteilige Richtung zielt. Statt die Lenkungswirkung, die die Wasserrahmenrichtlinie fordert, zu stärken, nimmt die Regie rung eine Kürzung der Tarife vor. Sie halbiert den Tarif für die sonstige Nutzung von Oberflächenwasser. Hiervon profi tieren – so steht es in der Begründung des Gesetzentwurfs – die Energiewirtschaft, das verarbeitende Gewerbe und die Ge winnung und Verarbeitung von Steinen und Erden – allesamt erfolgreiche Lobbyisten in Baden-Württemberg. Wir hatten schon vorhin einen Tagesordnungspunkt, bei dem das deut lich wurde.