Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Schick, ich glaube, der entscheidende Punkt ist, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen, welches Lehr- und Lernverständnis wir haben. Sie sprechen zu Recht von in dividueller Förderung, was Frau Vossschulte infrage gestellt hat. Ich sage: Sie sprachen zu Recht davon. Die Frage ist: Was bedeutet dies? Auch Sie haben schon verschiedene Schulen besucht, die nach dem Prinzip, individuell zu fördern, arbei ten. An diesen Schulen kommen Sie zu der Erkenntnis, dass es gelingt, alle Kinder an einem Lerngegenstand gleicherma ßen zu fördern. Das ist mit mehreren Beispielen nachweislich belegbar.
Wenn man dieses Verständnis von Schule hat – dieses Ver ständnis von Schule beherrscht die Unterrichtsmethode in der Grundschule –, muss man sich doch fragen: Warum soll das, was vier Jahre lang richtig ist, ab der fünften Klasse falsch sein? Deswegen sagen wir: Wir wollen die Schulen und die Schulträger, die auf dem Weg sind, länger gemeinsam zu ler nen, unterstützen, statt sie zu behindern, was Sie derzeit ma chen.
Natürlich wird es unterschiedliche Wege geben. Wir haben übrigens schon jetzt eine große Unterschiedlichkeit. Es ist doch überhaupt keine Frage – jetzt empfehle ich Ihnen, auch einmal nach Finnland zu blicken –: Es gibt vom Land aus de finierte Rahmenpläne; es gibt vom Land aus auch klare Vor gaben, was Bildungsinhalte angeht, was Bildungsstandards angeht. Es ist jedoch Aufgabe der Profis an der Schule, die Ziele zu erreichen und sich daran messen zu lassen, sprich evaluieren zu lassen. Das ist der Weg, den wir gehen wollen.
Auch wenn Sie das bestreiten, auch wenn Frau Arnold das noch immer nicht einsehen möchte: Diese Schulen arbeiten sehr erfolgreich. Wir wollen die Kommunen und die Schulen, die sich auf diesem Weg befinden, unterstützen, statt sie zu blockieren, so wie Sie das machen.
Wenn Sie den Elternwillen – hoffentlich auch aus Ihrer Sicht zu Recht – sehr ernst nehmen, dann will ich nur daran erin nern – wir haben Ihnen ja erst kürzlich eine Umfrage zur Kenntnis gegeben –, dass über drei Viertel der Eltern wollen, dass die Gymnasialzeit wieder auf neun Jahre ausgedehnt wird. Die Eltern wollen das. Sie behindern und blockieren aber wiederum jene Schulen, die sagen: Wir wollen das ma chen; wir greifen den Elternwillen auf. Das ist eine Politik, die nicht unserem Verständnis entspricht. Das mag obrigkeits staatliches Denken sein. Wir wollen von den Eltern, von den Schulen und von den Kommunen ausgehen und eine wirklich effektive Bildungspolitik betreiben.
Nein, nein. – Ansonsten kommt jetzt die Frau Ministerin, die sich noch einmal zu Wort gemeldet hat. Die Redezeiten der Fraktionen würden sich nur dann erhöhen, wenn die Re dedauer der Regierung über eine bestimmte Redezeit hinaus geht.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Es wird wieder ein Genuss werden, ein großer Genuss! – Abg. Win fried Kretschmann GRÜNE: Ich will in der einen Mi nute doch noch reden, wenn sie etwas sagt!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Verehrter Herr Abg. Zeller, Sie haben noch einmal auf den Punkt gebracht, was eigentlich das Thema ist. Sie haben vorhin eine Schule beschrieben, die ein individuelles Lehr- und Lernverständnis, ein Förderverständnis hat, in der die oder der Einzelne individuell gefördert wird, in der viel Freiheit herrscht, in der Pädagogik richtig so stattfindet, wie man es sich vorstellt. Ich hatte das Gefühl, Sie beschreiben eine künf tige Werkrealschule. Ich habe letzte Woche eine besucht; Sie waren aber nicht dabei; das wäre mir sonst aufgefallen.
Sie haben eine pädagogische Welt beschrieben, die es, glau be ich, Ihrer Anschauung nach offenbar nur in einem anderen Schulstruktursystem gibt. Ich habe letzte Woche jedoch ge nau dies in unserer Schulstruktur erlebt, und zwar in einer Schule, in der die Freiheiten vollumfänglich genutzt wurden.
Jetzt kommen wir zurück zum Thema Waldorfschulen. Selbst verständlich gibt es Schulen im öffentlichen Schulsystem Ba den-Württembergs, die Epochenunterricht machen. Selbstver ständlich ist es heute bei unserem pädagogischen Konzept möglich, dass man Doppelstunden mit individueller Förde rung kombiniert, wie immer man will. Man kann Klassenzim mer kombinieren, die keine Klassenzimmer mehr sind, son dern Lehrerzimmer, in die die Schüler zu Besuch gehen.
(Abg. Norbert Zeller SPD: Warum wollen Sie die Schüler trennen? Lassen Sie die Schüler doch zusam men!)
Herr Zeller, Sie können das alles schon heute tun. Ich würde mich inständig freuen – aber ich weiß nicht, ob ich das noch in irgendeinem Dienst oder insgesamt noch erleben darf –,
(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Bis März! – Gegenruf der Abg. Ka trin Altpeter SPD: Höchstens! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)
wenn man diese Fragen trennt. Wir sind uns doch darin einig, dass wir die individuelle Förderung wollen. Aber sie ist doch nicht nur bei einem bestimmten Schulstruktursystem möglich. Das musste jetzt einmal gesagt werden.
Sie haben die Schule beschrieben, die ich besucht habe. Vie len herzlichen Dank. Das war eine Schule im öffentlichen Schulsystem Baden-Württembergs.
Frau Ministerin, die SPD erklärt uns einerseits, man müsse die Kinder über die bis herige Grundschulzeit hinaus länger gemeinsam beschulen. Gleichzeitig fordert die SPD die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Können Sie dem Hohen Haus vielleicht erklä ren, wie das zusammenpasst?
Herr Präsident, Herr Abgeordneter! Ich gestehe un gern, dass ich noch keine Lösung auf die Frage habe, wie die unterschiedlichen Verlängerungsmodelle der Grundschule mit dem Erhalt der Qualität des Gymnasiums zusammenhängen. Auch habe ich noch keine Antwort auf diese Frage bezogen auf die Basisschule, die sich die Grünen vorstellen. Herr Frak tionsvorsitzender, Sie sehen mich an dieser Stelle also ratlos.
Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! In der Schulpolitik betreiben wir kei ne Ideologie. Aber wir haben klare Ziele, und ein Ziel heißt Bildungsgerechtigkeit. Jedes Kind muss unabhängig von sei nem Elternhaus die Chance haben, die es verdient. Das ist ei ne klare Zielvorgabe.
Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Alles, was wir in den letzten Jahren jemals vorgeschlagen haben, wird irgendwo auf der Welt – eigentlich in unserem Nachbarbereich in Europa – schon erfolgreich praktiziert.
Frau Kultusministerin, jetzt noch einmal ganz einfach: Des wegen heißt unsere Überschrift zur Schulpolitik „Individuel le Förderung“.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, machen wir! – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Thomas Knapp SPD: Genau! Endlich sagt es einmal jemand!)
Die Politik muss überprüfen, was die richtigen Strukturen sind, um das optimal zu erreichen. Darüber müssen wir selbst verständlich streiten. Gerade Sie sind es, die mit der Einfüh rung der Werkrealschule dezidiert Strukturpolitik machen. Das können Sie überhaupt nicht bestreiten.
Darüber sollten wir uns streiten: Was sind die richtigen Struk turen, um dieses Ziel mit den Ressourcen, die wir haben, op timal zu erreichen? Das ist ein sinnvoller Streit. Diesem Streit stellen wir uns. Ich würde das auch ausführlich tun, habe aber leider keine Redezeit mehr. So ist es halt in diesem Parlament: Der Minister kann so lange reden, wie er will, und der Abge ordnete nicht. Das können wir vielleicht auch irgendwann ein mal ändern.
Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes zu holz schnittartigen Vorgaben sagen – Frau Ministerin, da Sie im mer genügend Redezeit haben, brauchen Sie so etwas nicht –:
Niemand hier will ein Schulsystem, in dem es keine staatli che Aufsicht mehr gibt. Eine solche Behauptung ist ziemli cher Blödsinn. Wir wollen die staatliche Aufsicht beibehalten. Aber wir haben heute mit den Bildungsstandards, mit den Bil dungsplänen genau das Instrument, um zu prüfen, ob die vor gegebenen Standards erreicht werden. Aber wie das Ziel er reicht wird, muss eine freiheitliche, am Kind orientierte Bil dungspolitik nicht vorschreiben.