Aber jetzt zu Ihnen: Sie haben mit der Feststellung begonnen, dass Sie den Klimawandel bekämpfen wollen. Offensichtlich wollen Sie den Klimawandel mit der Windenergie in BadenWürttemberg bekämpfen.
Herr Kollege Untersteller, wenn davon die Rede war, man könne mit der Kernenergie einen Beitrag für den Kampf ge gen den Klimawandel leisten, haben Sie uns im Landtag von Baden-Württemberg schon öfter vorgerechnet, wie hoch welt weit der Anteil der Kernenergie an der Primärenergieerzeu gung sei. Daraus haben Sie dann die Schlussfolgerung gezo gen, die Kernenergie sei im Kampf gegen den Klimawandel nicht wesentlich. Stimmt’s?
Und jetzt, Herr Kollege Untersteller, erzählen Sie uns etwas vom Klimawandel im Zusammenhang mit der Windenergie in Baden-Württemberg.
Rechnen Sie uns doch einmal vor, wie hoch der Anteil der Windenergieerzeugung in Baden-Württemberg an der Primär energieerzeugung weltweit ist. Damit wird doch Ihre ganze Argumentation ad absurdum geführt.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Euch ist auch nichts zu blöd!)
Wir halten es durchaus für richtig, die Windenergie in BadenWürttemberg voranzubringen. Aber man muss die Dinge schon richtig einordnen. Man muss wissen, dass die Wind energie einen kleinen, bescheidenen Anteil an der Energieer zeugung in Baden-Württemberg hat. Diesen Anteil wollen wir künftig ausbauen, aber mit Maß und Ziel und vor allem mit den Verantwortungs- und Entscheidungsträgern vor Ort und nicht gegen sie. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Rein hold Gall SPD: Das ist kein Antrag, das ist ein Ge setzentwurf!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Schauen wir uns einmal die Fakten an: Fakt ist erstens, dass Baden-Württemberg hin sichtlich des Anteils der regenerativen Energien an der Wär meerzeugung einen Platz einnimmt, der in der Bundesligata belle einem UEFA-Cup-Platz entspräche. Zweitens stellen wir fest, dass Baden-Württemberg hinsichtlich des Anteils der re generativen Energien an der Stromerzeugung in der Bundes ligatabelle auf einem Mittelplatz läge.
Fakt ist aber auch, dass die regenerativen Energieträger, die zu diesem Mittelplatz in dieser Bundesligatabelle beitragen, sehr unterschiedlich gewichtet sind. Wir haben vorhin Zahlen aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern gehört. Da sind bezüglich des Anteils der Windenergie 10 %, 11 % und – im Fall von Rheinland-Pfalz – etwa 8 % genannt worden. Das alles ist richtig.
Wenn Sie die Situation in Baden-Württemberg betrachten, stellen Sie fest, dass das Land bei der Entwicklung der rege nerativen Energien logischerweise und sinnvollerweise zu nächst einmal auf die regenerativen Energien gesetzt hat, die zu diesem Land Baden-Württemberg besonders gut passen.
Das ist klar und eindeutig die Wasserkraft. Das ist kein Zu fall, sondern hängt einfach mit den topografischen Verhältnis sen im Land Baden-Württemberg zusammen. Dass BadenWürttemberg heute beim Anteil der Wasserkraft an den rege nerativen Energien mit Abstand deutscher Meister ist, das ist nun einmal so, und das sollte man bei Gelegenheit auch ein mal erwähnen, meine Damen und Herren; denn die Wasser kraft ist auch ein wichtiger Energieträger.
Wir haben nur ein Problem. Das Problem ist, dass der Ertrag der Wasserkraft nicht beliebig steigerbar ist.
Ich komme gleich dazu. – Durch die Anlagen in AlbbruckDogern und Rheinfelden sowie durch andere Maßnahmen werden wir noch einmal einen ordentlichen Schub bei der Wasserkraft bekommen. Das alles wird maßgeblich dazu bei tragen, dass wir die energiepolitischen Ziele in unserem Kon zept auch tatsächlich erreichen werden. Wir können sie ohne die Wasserkraft nie und nimmer erreichen.
Ähnliches gilt übrigens auch für die Biomasse. Meine Damen und Herren, das Land Baden-Württemberg ist ein Land mit etwa 35 oder 36 % Waldfläche. Wenn Sie Biomasse einsetzen wollen, dann brauchen Sie Landschaftsabfälle auch aus dem Wald. Der Faktor 4, den wir bei der Erhöhung des Anteils der Biomasse angesetzt haben, zeigt, meine ich, dass die Biomas se jener Bereich ist, der in Baden-Württemberg bei der Wär meproduktion, aber auch bei der Stromerzeugung eine ganz große Rolle spielen wird.
Wir haben bei der Biomasse allerdings ein Problem, Stichwort Kraft-Wärme-Kopplung. Herr Kollege Knapp, ich gehöre nun wirklich zu den Menschen, die ohne Netz und doppelten Bo den versuchen, diese Energiekonzepte voranzubringen. Ich bin mir auch nicht zu schade, ein Monitoring einzuführen – das habe ich von Anfang an gemacht – und ein renommiertes Institut zu beauftragen, mir und uns zu sagen, wo wir mit un serer Energiepolitik richtig liegen und wo wir damit falsch lie gen. Dazu bin ich mir nicht zu schade, und ich bin mir auch nicht zu schade, kritische Anregungen – in diesem Fall kamen sie vom ZSW – entgegenzunehmen.
Wenn Sie sich an die Diskussion erinnern, werden Sie fest stellen, dass es im Grunde zwei Punkte waren, die kritisch an gemerkt worden sind. Das eine war die Frage der Kraft-Wär me-Kopplung. Wir könnten in der Tat wesentlich mehr um weltfreundlichen Strom produzieren, wenn die Kraft-WärmeKopplung noch verbessert würde. Der Bund hat ähnlich wie Baden-Württemberg beschlossen, dass in den nächsten Jah ren, bis zum Jahr 2020, der Anteil von Strom aus Kraft-Wär me-Kopplung um 20 bis 25 % erhöht werden soll. Der Bund hat wie auch das ZSW zwischenzeitlich klargemacht – das gilt für die Regierungsfraktionen ebenso wie für die Opposition in Berlin –, dass weder der Bund noch das Land Baden-Würt temberg diese Marge schaffen werden. Da haben wir eine Schwäche; das stimmt. Diese Schwäche rührt daher, dass vie le Gemeinden nicht das Geld haben, die notwendigen Leitun gen zu bauen, die man dafür natürlich braucht.
Deshalb sage ich Ihnen: Wenn wir geeignete Wege finden, z. B. Abgabesysteme, meinetwegen auch die Brennelemente steuer,
und wenn es durch solche Instrumente gelingen kann, Mittel freizuschaufeln, um die Leitungswege zu bauen, die in den Gemeinden zur Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung gebaut werden müssen, dann würden wir einen riesengroßen Sprung machen, wenn es darum geht, unser gemeinsames Ziel zu er reichen, nämlich in Zukunft mehr umweltfreundlichen Strom zu erzeugen, meine Damen und Herren.
Nun gibt es noch einen zweiten Punkt, der angesprochen wur de – das sage ich hier auch ganz offen –, und zwar die Wind energie. Meine Damen und Herren, ich behaupte, es ist jeder zeit möglich – das sind auch die Erfahrungen, die ich in vie len Gesprächen mit den Regionalverbänden gemacht habe –, den Anteil der Windenergie auch in Baden-Württemberg zu steigern. Dazu braucht man ein Gesetz, wie Sie es vorgelegt haben, überhaupt nicht anzuwenden. Wir brauchen dieses Ge setz nicht.
Fakt ist, dass in der Vergangenheit Vorranggebiete ausgesucht worden sind, von denen wir heute wissen, dass sie nicht in je dem Fall auch wirklich Vorranggebiete sind.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Technischer Fortschritt! – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Wer ist denn die oberste Genehmigungsbehörde? Wer ge nehmigt das denn? Das ist doch das Wirtschaftsmi nisterium!)
Fakt ist zweitens, meine Damen und Herren, dass es laut Ge setz schon heute möglich ist, auch weitere Vorranggebiete aus zuweisen. Die Marke von 1 % zu erhöhen, wie Sie es fordern, ist schon heute, auch ohne Ihr Gesetz, jederzeit möglich. Sie müssen dazu nur ein paar Aufgaben erledigen. Zunächst ein mal müssen Sie die Akzeptanz derjenigen gewinnen, die dort beispielsweise Grundstücke haben.
Die Gemeinde XY, die ein Grundstück hat, auf dem eine sol che Anlage errichtet werden soll, wird mit Ihrem Gesetzent wurf oder ohne Ihren Gesetzentwurf immer Ja dazu sagen müssen, dass eine solche Anlage errichtet wird. In der Vergan genheit ging die Forstverwaltung in solchen Fällen außeror dentlich restriktiv vor. Das hat sich aber geändert, meine Da men und Herren. Nach ausdrücklicher Auskunft der Forstver waltung hat sich dies geändert. In Zukunft werden mehr Flä chen zur Verfügung stehen.
Dritter Punkt: Sie wollen neue Vorranggebiete ausweisen. Schauen Sie aber doch einmal in die Regionalverbände hin ein, was da los ist. Da ist jetzt wirklich Bewegung drin; da ist neue Musik, da ist neuer Wind hineingekommen. Denn die Regionalverbände wollen sich natürlich auch nicht vorführen lassen. Ich gestehe Ihnen zu: Das ist nicht bei allen der Fall. Aber grundsätzlich wollen sich die Regionalverbände nicht vorführen lassen; denn sie haben auch ihren Ehrgeiz, und auch sie verfolgen das Ziel, dass es nicht bei der Festlegung in ei nem Plan bleibt, sondern dass tatsächlich etwas daraus wird. Da kommt schon viel Wind hinein.
Aber wir haben natürlich immer das Problem: Wenn wir eine solche Anlage bauen, dann gibt es einen natürlichen Zielkon flikt mit dem Landschaftsschutz, mit dem Naturschutz und Ähnlichem. Dieser Konflikt muss ausgeräumt werden. Herr Knapp, unabhängig davon, ob das von Ihnen vorgeschlagene
Gesetz verabschiedet wird oder nicht, muss dieser Zielkon flikt mit dem Landschaftsschutz und dem Naturschutz in je dem Fall ausgeräumt werden. Das ist bei Ihrem Konzept so, und das ist bei meinem Konzept so. Diesbezüglich ändert sich überhaupt nichts.
Wir müssen also schauen, dass wir in diesem Zielkonflikt zwi schen Windkraft und Landschaftsschutz ein höheres Maß an Flexibilisierung hinbekommen. Da wird es Spielräume geben.
Diese Spielräume werden von uns auch konsequent ausge nutzt. Das ist ein weiterer wichtiger Punkt hinsichtlich der Veränderung, die in der Zwischenzeit stattgefunden hat.
Nun zum vierten Punkt, nämlich zu den Zielabweichungsver fahren, insbesondere bei solchen Anlagen, die schon bestehen und die jetzt beispielsweise repowered werden müssten, was aber nicht ohne Weiteres gemacht werden kann. Mit dem Ziel abweichungsverfahren könnten wir das in Zukunft machen. In der Vergangenheit hat das aber nie eine Rolle gespielt und ist absolut restriktiv gehandhabt worden. Ich habe die Regie rungspräsidien jetzt angewiesen, dass das nicht mehr so rest riktiv gehandhabt werden soll.
Als letzter Punkt bleibt noch die Frage: Wo sind die windhöf figen Gebiete? Die Tatsache, dass wir heute rechtskräftig aus gewiesene Vorranggebiete haben, die trotzdem nicht bebaut werden, hängt doch nur damit zusammen, dass diese Gebie te, die ausgewiesen worden sind, offensichtlich nicht so wind höffig waren, dass es sich für einen Investor gelohnt hätte, ei ne Investition vorzunehmen. Deshalb müssen wir den Regio nalverbänden helfen, und zwar zusammen mit anderen, dass in der Zukunft solche Gebiete ausgewählt werden, die von der Windhöffigkeit her besser geeignet sind und damit den Inves toren bessere Chancen eröffnen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Genau um diese Punkte geht es. Der neue Wind atlas soll, wenn alles gut geht, im Herbst auf dem Markt sein.
Weitere Stichworte sind die Flexibilisierung und die Verein barkeit mit Naturschutz und Landschaftsschutz; auch hier müssen wir zu neuen Möglichkeiten kommen.
Eine weitere Frage lautet: Wie gehen wir mit den alten Anla gen um? Auch hier müssen neue Möglichkeiten geschaffen werden.
Sie sehen also, meine Damen und Herren: Mit den Instrumen ten, die ich jetzt in die Hand nehme, werden wir in der Lage sein, genau das zu erreichen, was Sie im Grunde auch mit Ih rem Gesetzentwurf erreichen wollen.
Ich will darauf hinweisen, dass ich – hoffentlich noch vor der Sommerpause – eine entsprechende Kabinettsvorlage einbrin gen werde.