Protocol of the Session on July 13, 2010

Ich bleibe jetzt so ruhig wie der Kollege Gall.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP zur SPD: Fragen Sie doch einmal den Kollegen Heiler! – Unruhe – Glo cke des Präsidenten)

Uns geht es in der Energiepolitik darum, unser Energiekon zept 2020 durchzusetzen und den erneuerbaren Energien ei ne Chance zu geben. In den nächsten Monaten geht es darum, auf der Basis unseres Landesplanungsgesetzes auf 1 % der Landesfläche günstige Vorranggebiete mit Windhöffigkeit zu finden, um darauf entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Das wollen wir gemeinsam mit den Regionalverbänden tun.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das ist eine Politik, die zum gesellschaftlichen Konsens in der Energiepolitik beiträgt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Seien Sie doch ehrlich: Sie wollen keine Windkraft!)

Das, was Sie betreiben, ist reine Krawallmache.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! Bra vo! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Herr Abg. Nemeth, gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abg. Lehmann?

Bitte schön, Herr Lehmann.

Sehr geehrter Herr Kol lege, ich habe hier schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es z. B. der Regionalverband Hochrhein-Bodensee abgelehnt hat, überhaupt ein neues Suchlaufverfahren durchzuführen. Es wird nämlich gesagt: „Wir haben eine Planung gemacht.“ Das Wirtschaftsministerium sagt: „Das ist nicht ausreichend.“

Wie wollen Sie aus diesem Konflikt, der hier offensichtlich besteht – Sie wollen eigentlich nicht mehr machen, während das Wirtschaftsministerium mehr machen will –, mit Ihrer Schwarz-Weiß-Planung herauskommen?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Er sieht doch gar kei nen Konflikt! Er will doch nicht mehr!)

Herr Lehmann, wir haben ganz klar gesagt, dass wir im Rahmen unseres Energiekonzepts mehr Windkraft wollen.

(Abg. Thomas Knapp SPD: An Ihren Taten werden Sie gemessen!)

Wir sind jetzt mit jedem Regionalverband dabei. Der Wirt schaftsminister hat das an diesem Platz oft genug ausgeführt. Er hat Briefe geschrieben, er ist mit den Regionalverbänden im Gespräch, um mehr windhöffige Standorte in Baden-Würt temberg zu finden,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Er hat aber nur noch ein paar Monate! Was will er da erreichen? Nichts!)

und das im Konsens mit der Bevölkerung. Dazu gehören die Regionalverbände. Ich glaube, dieser Meinung sind wir auch.

(Beifall der Abg. Jörg Döpper CDU und Beate Fau ser FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Bravo! – Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Un tersteller.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Kollege Nemeth, ich finde, dass es auch einmal notwendig ist, zu hinterfragen: Warum wollen wir – SPD, Grüne und, so sage ich einmal, Teile der CDU – mehr Windenergie? Wir haben ein Problem, das Klimawan del heißt. Wenn wir den Klimawandel bewältigen wollen, kommen wir – darüber herrscht doch hoffentlich Konsens – nicht darum herum, die erneuerbaren Energien auszubauen. Wenn wir die erneuerbaren Energien ausbauen wollen, müs sen wir sehen: Es gibt teure erneuerbare Energien – Stichwort Solartechnologie –, und es gibt kostengünstige erneuerbare Energien –

(Abg. Paul Nemeth CDU: Kernkraft!)

Stichwort Windenergie, Herr Ministerpräsident. Da muss man sich doch einmal fragen: Ist es richtig, dass wir bei der kos tengünstigsten erneuerbaren Energie – bei der WindkraftTechnologie – in Baden-Württemberg auf dem letzten Platz unter allen Flächenstaaten sind

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Weil wir die schöns te Landschaft haben!)

und dass wir in Baden-Württemberg die Zielsetzung haben: „Wir wollen bis zum Jahr 2020 alle Anstrengungen unterneh men,

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

um auf einen Anteil der Windenergie von maximal 1,7 % zu kommen“? Das ist doch erheblich zu wenig. Diese 1,7 % – darum kommt man nicht herum – sind ein Nasenwasser.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zurufe von der CDU)

Schauen Sie doch einfach einmal in Nachbarländer. Rhein land-Pfalz wurde schon mehrfach zitiert. Dort beträgt der An teil der Windkraft an der Stromerzeugung heute 6,5 %.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ach, das ist doch nicht wahr!)

Schauen Sie nach Sachsen: Dort beträgt der entsprechende Anteil heute 7 %.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das ist doch eine ganz an dere absolute Zahl in Rheinland-Pfalz!)

Schauen Sie nach Thüringen: Dort liegt der Anteil heute bei 10 %.

Das ist doch der Maßstab, den wir in Baden-Württemberg an legen müssen. Dann muss man fragen: Warum liegt der An teil der Windkraft bei uns derzeit unter 1 %? Sie kommen

nicht darum herum: Die Planungsgrundlagen – so, wie sie bis heute gültig sind – sind ein wesentlicher Grund dafür, dass wir unter den Flächenstaaten in der Bundesrepublik auf dem letzten Platz liegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Herr Kollege Nemeth, es ist nicht so, dass nichts passiert wä re. Der Minister hat die Regionalverbände aufgefordert, neue Vorranggebiete auszuweisen. Er hat mittlerweile kundgetan, dass das Zielabweichungsverfahren künftig anders gehand habt werden soll. Aber unter dem Strich sage ich Ihnen: Mit diesen Maßnahmen werden Sie vielleicht Ihr Minimalziel von 1,7 % im Jahr 2020 erreichen. Aber, noch einmal: Das kann doch beim besten Willen nicht der Maßstab sein, den wir an legen sollten. Vielmehr ist es vor dem Hintergrund des Kli mawandels doch das Mindeste, dass wir das erreichen sollten, was andere Binnenländer auch erreichen.

Jetzt noch ein Zweites. Ich war auf dem Branchentag Wind energie. Mittlerweile sprießen die Unternehmen, die in dieser Technologie unterwegs sind, auch in Baden-Württemberg re gelrecht aus dem Boden. Einige sind schon seit Jahren dabei: Liebherr, Lapp Kabel und andere. Mittlerweile gibt es aber auch große Maschinenbauunternehmen wie Schuler, die jetzt erstmals mit einer eigenen kompletten Windkraftanlage auf den Markt kommen.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Genau!)

Das ist eine 2,7-MW-Anlage für den Binnenstandort. Ein sol ches Unternehmen braucht einen Heimatmarkt, wo es die An lagen hinstellen kann, wo es Tests durchführen kann.

Daran hängen Arbeitsplätze, daran hängt Wertschöpfung. Der Ministerpräsident redet immer von Wertschöpfung im Ener giebereich. Ich sage Ihnen: In diesem Bereich der erneuerba ren Energien haben Sie ein Vielfaches der Wertschöpfung, die mit den Beschäftigten in den Kernkraftwerken erzielt wird. Ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht: Das ist einfach ein mal Fakt in der ganzen Debatte.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Noch ein anderes Beispiel zur Zielsetzung: In NordrheinWestfalen beträgt der Anteil der Windenergie heute 3 %. In der Koalitionsvereinbarung für Nordrhein-Westfalen steht: Unser Ziel ist das Erreichen eines Anteils von 15 % bis zum Jahr 2020. Jetzt kann man sagen: viel zu viel. Aber man muss sich doch dann wenigstens in den Größenordnungen bewe gen, in denen sich andere Flächenstaaten bewegen, und darf nicht wie Baden-Württemberg mit einem Anteil von derzeit unter 1 % hinterherhinken. Ich finde, das wird den Anforde rungen des Klimawandels, vor denen wir stehen, nicht einmal annähernd gerecht. Dieser Debatte sollten Sie sich endlich stellen.

Was ist in den kommenden Jahren zu tun? Ich finde, es muss Schluss sein mit einer Politik der „Ausschließeritis“. Es kann doch nicht sein – da hat der Kollege Knapp völlig recht –, dass wir 1 % der Landesfläche vorsehen, auf der prinzipiell Anla gen errichtet werden können.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Ist Ihnen das zu wenig?)

Herr Kollege Nemeth, das Ziel sollte doch sein, dass wir die Standorte nehmen, die windhöffig sind. Das muss das Ziel sein. Das machen wir im Moment halt nicht. Wir haben Stand orte in Baden-Württemberg wie beispielsweise den Branden kopf, die in ihrer Qualität mit Standorten an der Nordsee kon kurrieren. Die Anlage am Brandenkopf hat Laufzeiten von 2 500 Jahresstunden, genauso wie Standorte an der Nordsee. Ich finde, es muss das Ziel sein, solche Standorte zu nutzen.

Zweiter Punkt: Es sollte auch das Ziel sein, dass wir in Ba den-Württemberg die modernsten Technologien einsetzen. Macht das die Landesregierung? Meine Antwort: nein. Ich sa ge auch, warum. In Ihrem Energiekonzept nehmen Sie Anla gen der 2-MW-Klasse als Grundlage. Aber die Entwicklung ist in den letzten Jahren weitergegangen. Rheinland-Pfalz und andere Bundesländer diskutieren darüber und genehmigen mittlerweile Anlagen der 5- und 6-MW-Klasse.

Warum ist das wichtig? Ich verdeutliche es Ihnen an einem Beispiel – das ist nicht meine Rechnung, sondern das ist die Rechnung des zuständigen Abteilungsleiters im rheinlandpfälzischen Umweltministerium, präsentiert auf dem Bran chentag –: Wenn Sie die 14 Anlagen in Simmersfeld, von de nen vorhin schon die Rede war – das sind Anlagen der 2-MWKlasse –, durch Anlagen der 5- oder 6-MW-Klasse ersetzten, dann brauchten Sie hierfür rein rechnerisch ganze drei Anla gen. Das würde ausreichen, um den gleichen Ertrag zu erzie len wie diese 14 Anlagen in Simmersfeld.

Was will ich damit sagen? Wir sollten in Baden-Württemberg die Standorte nutzen, um die modernsten Technologien dar auf zu errichten. Dann erzielen wir auch einen erhöhten Er trag.