Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landtagswahlgesetzes – Drucksache 14/6564
Die Fraktionen haben sich im Vorfeld darauf geeinigt, dass jetzt in der Ersten Beratung keine Diskussion erfolgt, sondern die Diskussion erst in der Zweiten Beratung stattfindet und die Regierung jetzt ganz kurz den Gesetzentwurf einbringt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Der Landtag hat das Landtagswahlge setz im Oktober 2009 materiell und strukturell geändert, näm lich mit der Wahlkreisreform und der Zuteilung der Zweit mandate nach prozentualen Stimmenanteilen.
Jetzt könnten Sie fragen: Weshalb steht das Landtagswahlge setz jetzt schon wieder auf der Tagesordnung? Die Frage ist rasch und kurz – Herr Landtagspräsident, ich habe verstanden – beantwortet:
Der Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, sieht keine grundle genden Veränderungen vor und hat deswegen auch keine Aus wirkungen auf das laufende Verfahren der Kandidatenaus wahl. Er passt das Landtagswahlrecht insbesondere verfah rensrechtlich und organisatorisch an das für die Wahlen des Jahres 2009 weiterentwickelte Bundestags-, Europa- und Kommunalwahlrecht an.
Die Änderungen – um es mit einem Satz zu sagen – zielen auf Erleichterungen und Bürokratieabbau für die Wähler und auch
für die Wahlorganisation ab – auch wegen der zeitgleich mit der Landtagswahl 2011 möglichen Durchführung von Bürger meisterwahlen und Bürgerentscheiden.
Erstens: Es wird wie im Bundestagswahlrecht künftig auf die öffentliche Bekanntmachung der Bestellung des Landeswahl ausschusses und der Kreiswahlausschüsse verzichtet.
Zweitens: Auf Vorschlag des Gemeindetags und des Städte tags wollen wir auf die Obergrenze, die bisher bei maximal sieben Beisitzern des Wahlvorstands liegt, verzichten. Die Be rufung der Gemeindebediensteten zu Mitgliedern der Wahl vorstände und einiges andere mehr wird erleichtert. Zur Zu lassung oder Zurückweisung der Wahlbriefe sind künftig nur noch drei und nicht mehr fünf Mitglieder erforderlich. Das heißt, die Beschlussfähigkeit des Briefwahlvorstands wird ge stärkt.
Drittens: Wie im Parlamentswahlrecht des Bundes und im Kommunalwahlrecht des Landes soll künftig auch im Land tagswahlrecht festgelegt sein, dass die Erteilung eines Wahl scheins und die Übersendung der Briefwahlunterlagen bean tragt werden können, ohne dass Hinderungsgründe glaubhaft gemacht werden müssen. Auch dies stellt eine wesentliche Er leichterung dar. Die Briefwahl wird immer wichtiger, weil der Anteil der Briefwähler zunimmt. Wir wissen es alle: Warum Briefwahl beantragt wird, wird im Einzelfall nicht hinterfragt. Bei der Masse an Antragstellern kann die Begründung auch nicht abgefragt werden. Deswegen lassen wir die Begrün dungspflicht wegfallen.
Viertens: Der bisherige Wahlumschlag für die Briefwahl soll künftig als „Stimmzettelumschlag“ bezeichnet werden, weil es zwischen den Begriffen „Wahlumschlag“ und „Wahlbrief umschlag“ immer wieder Verwechslungen gegeben hat.
Fünftens: Einzelbewerber, die mindestens 10 % der abgege benen gültigen Stimmen eines Wahlkreises erreicht haben, sollen – dabei orientieren wir uns an dem im Parteiengesetz vorgesehenen jährlichen Betrag von 70 Cent pro gültiger Stimme – eine Erstattung in Höhe von 3,50 € pro gültiger Stimme für die Landtagswahlperiode von fünf Jahren erhal ten. Diese Kostenerstattung müssen wir schon aus Gründen der Chancengleichheit gewähren; es wird sie auch für Einzel bewerber und nicht mehr nur für Parteien geben.
Sechstens: Wie im Bundesrecht soll klargestellt werden, dass die Willenserklärung – soweit die Schriftform für wahlrecht liche Willenserklärungen vorgeschrieben ist – im Original und handschriftlich unterzeichnet vorgelegt werden muss.
Die siebte Neuregelung betrifft die Wahlstatistik. Entspre chend den Regelungen auf Bundesebene sollen die Briefwahl stimmen in die Repräsentative Wahlstatistik einbezogen wer den. Nach dem, was ich eben gesagt habe, erklärt sich dies von selbst. Angesichts der Zunahme der Briefwahl sind eben genauere Wahlanalysen möglich und genauere Ergebnisse zu erreichen, wenn man die Briefwahlstimmen in die Statistik einbezieht. Dazu nur eine Zahl – ich will Sie nicht länger da
mit behelligen –: Bei der Landtagswahl 2006 lag der Anteil der Briefwähler bei 14,2 %. Auch die Parteipräferenzen von Briefwählern und Urnenwählern – dies will ich offen sagen – sind nicht deckungsgleich. Das wissen wir.
Die Repräsentative Wahlstatistik kann mit einer zahlenmäßig begrenzten Auswahl arbeiten. Bei der letzten Bundestagswahl wurden beispielsweise von den über 10 000 Wahlvorständen knapp 200 Wahlbezirke in die Statistik einbezogen.
Zusammengefasst wurden in der Repräsentativen Wahlstatis tik bisher die fünf Altersgruppen der 18- bis 24-Jährigen, der 25- bis 34-Jährigen, der 35- bis 44-Jährigen, der 45- bis 59-Jährigen sowie der 60-Jährigen und Älteren.
Aufgrund der demografischen Entwicklung – Herr Kollege Heiler, Sie kommen auch noch dorthin – soll durch Bildung einer sechsten Geburtsjahresgruppe – ich gebe zu, es schmerzt; aber es ist so – eine Aufteilung der Altersgruppe „60 Jahre und älter“ ermöglicht werden. In Anlehnung an die Gliederung der Altersklassen der Repräsentativen Wahlstatistik bei der Wahl beteiligung können dann die Altersgruppen „60 bis 69 Jahre“ und „70 Jahre und älter“ gebildet werden. Dies wird die Aus sagekraft der Wahlstatistik deutlich erhöhen.
Zusammenfassend halte ich fest: Durch die vorgeschlagenen Änderungen sind insgesamt keine zusätzlichen Belastungen für den Landeshaushalt zu erwarten. Die Änderungen stellen meines Erachtens eine sinnvolle und notwendige Weiterent wicklung der Verfahrensvorschriften des Landtagswahlrechts dar.
Vorschlag: Überwei sung des Gesetzentwurfs zur weiteren Beratung an den Stän digen Ausschuss. – Sie folgen dem Vorschlag. Es ist so be schlossen.
(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das wäre nicht schlimm gewesen, wenn Punkt 10 schon beendet ge wesen wäre! – Heiterkeit – Gegenruf des Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Der war gut!)
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes – Druck sache 14/6565
Für die Aussprache nach der Begründung durch die Regie rung hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Es ist kein Mensch da! – Zurufe: Herr Wacker! – Unruhe – Zuruf: Erle digt! – Staatssekretär Georg Wacker betritt den Ple narsaal. – Zuruf: Er ist da!)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bildung lebt von Vielfalt im Klei nen wie im Großen. Bildung lebt auch von Vielfalt der unter schiedlichen Schularten und vom Angebot der öffentlichen und privaten Schulen. Die Privatschulen sind eine Bereiche rung unserer Bildungslandschaft. Die Privatschulen in BadenWürttemberg, die auf eine langjährige Tradition verweisen können, sind keine Konkurrenz zum öffentlichen Schulwesen, sondern bieten eine sinnvolle Ergänzung.
Die Wertschätzung der privaten Schulen seitens des Staates drückt sich nicht zuletzt in den Anstrengungen aus, die die öf fentliche Hand unternimmt, um die Existenz der Schulen in freier Trägerschaft finanziell abzusichern. Daran gemessen hat Baden-Württemberg in der Geschichte unseres Landes sehr viel für die privaten Schulen des Landes getan und wird es auch in Zukunft tun. Denn die Summen für die Privatschulfi nanzierung belegen, dass wir von Jahr zu Jahr mehr in die Pri vatschullandschaft investieren. So investieren wir im Moment jährlich 641 Millionen € in die Privatschulen des Landes Ba den-Württemberg. Allein die sogenannten Kopfsatzschulen erhalten mehr als 400 Millionen €.
Diese Zuschüsse haben sich ständig erhöht. So erhalten die Privatschulen im Jahr 2010 rund 160 Millionen € mehr Mit tel als im Jahr 2004. Parallel zu den steigenden Schülerzah len haben sich kontinuierlich auch die finanziellen Mittel für die Privatschulen erhöht.
Die Landesregierung hat dem Landtag Ende des Jahres 2009 pflichtgemäß den Bericht über die Kosten der öffentlichen Schulen im Vergleich zu den Privatschulzuschüssen übermit telt. Aus diesem Bericht geht hervor, dass die Kostende ckungsgrade gegenüber der letzten Berichterstattung abgesun ken sind. Das Absinken dieser Kostendeckungsgrade nach dem Bruttokostenmodell, das die gesetzliche Grundlage für die Berechnung darstellt, hat verschiedene Ursachen. Zum ei nen ist es die veränderte Schüler-Lehrer-Relation; diese hat sich an den öffentlichen Schulen verbessert. Gleichzeitig ha ben sich die Aufwendungen der kommunalen Schulträger er höht. Dies spiegelt sich auch in der Berechnung der Kosten deckungsgrade für die Privatschulen wider.
Dennoch haben wir etwa zeitgleich zu diesem Bericht im Lan deshaushalt die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Zu schüsse ab dem kommenden Schuljahr wieder auf mindestens 70,5 % anzuheben, da nach diesem Absinken die Kostende ckungsgrade an einigen Schularten unter die Marke von 70 % gefallen sind.