Protocol of the Session on June 9, 2010

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wir hatten die rot- grüne Laterne!)

Das war damals die Situation. Wir hatten eine Rekordver schuldung, und rundherum gab es Wachstum und prosperie rende Volkswirtschaften. In Deutschland gab es dieses Wachs tum nicht. Das war die Situation. Damals sind Steinbrück und im Vorfeld Eichel nach Brüssel gepilgert und haben die har ten Standards, die Helmut Kohl und Theo Waigel damals fest gezurrt haben, sukzessive aufgeweicht. Damit haben sie auch die Kontrollmöglichkeiten aufgeweicht. Das ist ein Teil der Wahrheit, und davon wollen Sie heute nichts mehr wissen. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dietmar Bach mann FDP/DVP)

Damit haben Sie erst das Einfallstor geöffnet, dass jetzt über haupt Rettungsschirme in Fragen der Währung aufgespannt werden müssen.

Ich muss ganz einfach sagen: Sie haben in der Frage der wirt schaftlichen Rahmenbedingungen keine neuen Ideen einge bracht.

(Zuruf von der SPD: Doch!)

Sie kritisieren, dass Rettungsschirme aufgespannt werden – nicht alle, aber zum Teil, die Grünen in Sonderheit –, aber ich will einmal daran erinnern, dass der oberste Aufseher inner halb der Bundesaufsicht elf Jahre lang ein sozialdemokrati scher Finanzminister war.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl! So ist es!)

Ich will hier auch zur Ehrenrettung der Landesbanken – zu mindest der LBBW – einmal festhalten, dass die größten Ver luste in Deutschland nicht bei den Landesbanken, sondern bei Privatbanken entstanden sind: bei der Commerzbank und der Dresdner Bank, bei der IKB, einer Tochter der KfW. Fragen Sie einmal, wer damals die Verantwortung bei der KfW ge tragen hat, vor allem wer den Aufsichtsrat der KfW oder der IKB mitgetragen hat.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Auch im Vorstand!)

Und auch im Vorstand mitgetragen hat. – Das waren Sozi aldemokraten und Grüne, die da dabei waren. Das alles ist sauber vertuscht worden – das muss man sagen –, überspielt worden, und jetzt vergießt man die Krokodilstränen, wenn wir in der Tat auch den Haushaltsgürtel enger schnallen müssen und konsolidieren müssen. Sie können aber nur dort Haushal te konsolidieren – das gilt für das Land genauso wie für den Bund –, wo Sie Ausgaben tätigen, wenn Sie einsparen wol len. Das heißt, dort, wo die großen Blöcke sind, wird auch et was dabei sein müssen. Das gilt sicherlich auch für den Sozi alhaushalt.

Dann ein Letztes, Herr Kollege Schmiedel, zum Thema „Ho tellerie und reduzierter Mehrwertsteuersatz“: Ich meine, Sie haben versucht, dieser Frage unelegant auszuweichen. Am En de ist Ihnen das aber nicht gelungen.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Doch, es war elegant!)

Nach dem, was Sie gesagt haben und was der Ministerpräsi dent gesagt hat, stelle ich Konsens fest. Auch ich sage: Ich bin für Wettbewerbsgleichheit. Das muss man ganz klar sagen.

Nun sind die Beschlüsse Anfang des Jahres oder Ende letzten Jahres so gefallen. Aber das war nur ein Teil des Wachstums beschleunigungsgesetzes. Der größere Block bezüglich der 30 Milliarden € entstand noch in der Zeit der Großen Koali tion. Auch das kritisieren Sie unterschwellig, wollen es aber heute nicht mehr wahrhaben. Das ist eben auch ein Teil.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen: das Thema Energie. Herr Kretschmann, es ist schon bemerkenswert, dass in einer Rede eines grünen Fraktionsvorsitzenden das Wort „Klimaschutz“ nicht ein einziges Mal fällt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist ihm wurscht! – Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Sie machen kritische Bemerkungen zum Thema „Atomkraft werke und Laufzeiten“ und erwähnen am Ende in einem Ne bensatz, dass der Anteil der fossilen Energieträger an der Stromerzeugung auch noch irgendwo mit reduziert werden müsse. Aber das Wort „Klimaschutz“ oder der Begriff „CO2“ fällt an keiner Stelle.

Jetzt ist die Frage, was Stringenz in der Politik ist. Dem Mi nisterpräsidenten werfen Sie einen Zickzackkurs vor. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Stringenz in der Politik!

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Denn das, was wir vor einem Jahr gesagt und als richtig er kannt haben, werden wir, wenn sich Rahmenbedingungen nicht verändert haben, auch heute und morgen noch sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Philosophie ist ganz einfach: Wir wollen einen Schub für regenerative Energie.

(Zurufe der Abg. Claus Schmiedel SPD, Karl-Wil helm Röhm CDU und Winfried Kretschmann GRÜ NE)

Das ist auch belegt. Die Stromerzeugung durch regenerative Energieträger hat bei uns einen Anteil von 13 %. Vor zehn Jah ren waren es noch 8 %, damals nur durch die Wasserkraft. Heute sind es insgesamt 13 % – Tendenz deutlich steigend.

Aber was wir nicht wollen – das wollten wir vor einem Jahr nicht und werden es auch morgen nicht wollen –, ist ein wei terer Ausbau der Energieerzeugung durch fossile Energieträ ger. Rot-Grün hat verheimlichend, aber wissend in Kauf ge nommen, dass mit einer vorzeitigen Abschaltung der Kern kraftwerke fossile Energieträger fröhliche Urständ feiern wer den.

(Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Das ist überhaupt nicht wahr! Das stimmt doch gar nicht! Auch ohne Atomkraft brauchen wir keine neuen Kohlekraftwer ke!)

Natürlich. – Es war auch Bestandteil aller Konzepte, die dort letztlich vorgelegt worden sind. Das eigentliche Problem ist doch – das wollen Sie nicht an den Tag legen und nicht ver öffentlichen –, dass Ihr Konzept – wenn Sie kurzfristig ab schalten – nur dann aufgeht, wenn Sie kurzfristig auch ent sprechende Kapazitäten im fossilen Bereich neu ans Netz brin gen,

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Sehr richtig!)

weil wir innerhalb von wenigen Jahren keine Kompensation erreichen – jedenfalls nicht in Baden-Württemberg. Es ist ein Problem der europäischen Verbundnetze: Die Frage der Netz schwankungen oder der Physik werden Sie auch durch noch so große Verbundnetze nicht aushebeln können. Sie müssen ein Stück weit auch dort Strom erzeugen, wo der Strom ge braucht wird.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Quatsch!)

An diesen physikalischen Grundwahrheiten wird sich auch in der Zukunft zunächst einmal nicht viel ändern. Die Wahrheit, dass wir ergänzend fossile Energieträger brauchen, verschwei gen Sie. Wir nehmen eine Laufzeitverlängerung in Kauf. Wir wollen sie auch entlang der Sicherheit. Denn, meine sehr ver ehrten Damen und Herren, entweder sind Kraftwerke unsi cher – dann müssten sie jetzt auf die Minute sofort abgeschal tet werden –, oder sie sind sicher, und dann können sie wei terhin laufen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir nehmen die Laufzeitverlängerung in Kauf. Aber wir wol len damit auch in Baden-Württemberg ganz klar deutlich mehr Investitionen in Forschung und in alternative, regenerative Energieträger.

Da muss man ganz klar sagen: Dabei geht es um Parteifragen, da geht es um Bund-Länder-Fragen. Insofern ist es, sage ich einmal, schon ein Affront gegenüber den Ländern, wenn der Bund jetzt sagt: „Wir machen eine Brennelementesteuer. Wir schöpfen schon einmal einen Teil des Zuwachsgewinns ab und stecken ihn in die Bundestasche zur Sanierung der Haushalts löcher.“ So viel zum Thema „Mästen der Atomindustrie“.

Das hat mit einem verantwortungsvollen Energiekonzept – das sage ich selbstkritisch an die Berliner Adresse – natürlich nichts zu tun. Das wollen wir auch nicht. Vielmehr wollen wir, dass in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren Jahr für Jahr 100 bis 150 Millionen € – das ist die grobe Rahmenbe dingung – ergänzend als lenkender Anreiz in regenerative Energien investiert werden können. Das ist unser Prinzip. Von diesem werden wir nicht abkehren. Insofern ist der Kurs, den die Landesregierung verfolgt, glasklar.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Hauk, ge statten Sie eine Kurzintervention des Herrn Abg. Unterstel ler?

Im Augenblick nicht.

Ein Letztes, was ich noch zum Thema „Rechtliche Bewer tung“ sagen will.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Darf man über haupt keine Kurzintervention mehr machen?)

Der Redner muss zu stimmen.

Nein, danke, im Augenblick nicht.

Es mutet schon etwas seltsam an: Da gibt es in unserem Nach barland einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten, Herrn Beck. Er kündigt an: Wenn jetzt im Bundestag ohne die Zustimmung des Bundesrats ein Gesetz verabschiedet werde, dann werde er Verfassungsklage einreichen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Zu Recht!)

Diese Logik muss mir einmal jemand erklären. Da gibt es ein geändertes Gesetz, das ohne die Zustimmung des Bundesrats beschlossen worden ist. Wenn man genau dieses Gesetz – kein anderes –,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht! Damals haben wir verkürzt! Das ist doch einfach Unsinn!)

das ohne die Zustimmung des Bundesrats beschlossen wor den ist, wieder ändert – ohne die Zustimmung des Bundesrats –, dann war entweder auch schon das alte Gesetz verfassungs widrig,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das ist einfach Quatsch!)

oder es war nicht verfassungswidrig – dann ist es aber auch das neue nicht. Das ist der entscheidende Punkt.