Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, über den wir jetzt reden, ist ein Jahr alt. In diesem Jahr hat sich Gott sei Dank etwas getan.
Nun ist das Bessere immer der Feind des Guten. Deswegen können wir immer sagen, wir hätten nicht genug getan.
Lieber Herr Prewo, ich fahre selbst auf einer Strecke, die nach den entsprechenden Antworten der Landesregierung zu den am stärksten überlasteten gehört. Deswegen kann ich mit Fug und Recht sagen, dass sich etwas getan hat. Die Doppelstock züge auf der Strecke Karlsruhe–Stuttgart sind bisher mit vier Wagen gefahren, und ein Teil dieser Züge fährt jetzt, vor al lem in der Rushhour, also in der Zeit des Berufsverkehrs, mit fünf Wagen. Aber auch mit fünf Wagen sind sie nicht leer, son dern noch immer gut besetzt. In dem einen Jahr hat sich also wirklich etwas getan. Was ich jetzt berichtet habe, das gilt nicht nur für die Strecke Karlsruhe–Stuttgart.
Im Übrigen fahre ich auch allermeistens mit dem Zug, und den einen oder anderen trifft man ab und zu auch im Zug. Weil ich aber heute Abend eine Verpflichtung beim SWR habe, bin ich mit dem Auto gefahren. Auf der ganzen Strecke habe ich mich verflucht, dass ich wieder einmal der Versuchung erle gen bin, mich ins eigene Auto zu setzen. Heute war die Auto fahrerei furchtbar. So weit, so gut.
Nun sagt Herr Wölfle, es sei nicht genug getan worden. Ich bestreite überhaupt nicht, dass da noch sehr viel mehr getan werden könnte. Wie ist die Ausgangsposition? Zunächst ein mal hat die Regierung versucht, kostenneutral, das heißt, durch Umschichtungen innerhalb des Schienenpersonennah verkehrs einen Beitrag zu leisten, damit die am stärksten über lasteten Züge eine Entlastung erfahren.
Jetzt zum Zweiten: Wenn Sie sich die Bilanzen der Bahn an schauen, dann stellen Sie fest, dass die Bahn im Nahverkehr in Deutschland richtig gut Geld verdient.
Wir haben mit der Bahn einen Vertrag bis zum Jahr 2016 ab geschlossen. Ich glaube, ich trete niemandem zu nahe – we der denen, die damals den Vertrag abgeschlossen haben, noch der Ministerin, die heute Verantwortung trägt –, wenn ich sa ge: Wenn wir damals das gewusst hätten, was wir heute wis sen, hätten wir im Jahr 2008 – oder wann das gewesen ist – den Vertrag nicht so abgeschlossen.
Derjenige, der so etwas sagt wie ich jetzt, muss dann natür lich auch aufzeigen, in welchen Punkten er etwas anderes ma
chen würde. Genau das steht unter Abschnitt I Ziffer 3 unse res Entschließungsantrags. Die Bahn verdient Geld, weil im mer mehr Mitbürgerinnen und Mitbürger den Zug benutzen. Aber durch die Vertragsgestaltung, wie sie ist, partizipieren wir nicht an den Mehreinnahmen. Das heißt, unser Preis pro Zugkilometer im Schienenpersonennahverkehr bleibt gleich, auch dann, wenn wir Strecken haben, bei denen die Nachfra ge deutlich zugenommen hat.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das ist ge nau das, was unserer Meinung nach in Zukunft nicht so blei ben kann. Im Moment stehen wir im Vorfeld der Überlegung, was wir anstelle des bis zum Jahr 2016 laufenden großen Ver trags machen werden. Diejenigen, die in den entsprechenden Ausschüssen sind, wissen: Wir schließen nicht mehr einen ein zigen Vertrag über eine solche Menge ab, sondern teilen das in Teilmengen auf. In diese neuen Verträge muss aufgenom men werden, dass während der Laufzeit bei weiterer Zunah me des Verkehrs nicht nur die Bahn einen Vorteil von der Zu nahme der Nachfrage hat, sondern dass wir uns diesen wirt schaftlichen Gewinn zumindest teilen.
Gott sei Dank ist die Bahn aufgrund ihrer guten Ertragslage auch in der Vergangenheit bereit gewesen, uns in dem einen oder anderen Punkt nachzugeben. Das war der zweite Topf, aus dem Verbesserungen bei der Beseitigung von Kapazi tätsengpässen bezahlt worden sind.
Dass wir nun in Zukunft solche Vertragsgestaltungen wollen, steht in Abschnitt I Ziffer 3 unseres Entschließungsantrags, und das ist die eigentliche Intention, warum wir diesen An trag gestellt haben.
Wenn Sie das jetzt richtig übersetzen, Herr Wölfle, dann kön nen Sie ersehen: Wir sind mit den bisherigen Anstrengungen zur Beseitigung der Kapazitätsprobleme, obwohl einiges ge schehen ist, auch nicht zufrieden, und wir erkennen hier ei nen Weg, wie wir in Zukunft zu noch deutlicheren Verbesse rungen kommen können.
Meine Damen und Herren, das war das, was ich heute zu un serem Antrag und generell zu der Frage sagen wollte, wie wir auf eine Gott sei Dank deutlich gestiegene Nachfrage im Schienenpersonennahverkehr reagieren, damit in Zukunft vor allem in der Rushhour die Leute nicht mehr wie in der Sardi nenbüchse befördert werden, sondern so, wie es eigentlich zu mutbar ist und sein sollte. Ich bin guten Mutes, dass wir hier Step by Step weitere Fortschritte machen werden.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Zuruf von der CDU: Bravo!)
Herr Abg. Wölfle, war das gerade ein Änderungsantrag zu Abschnitt II des Entschlie ßungsantrags von CDU und FDP/DVP? Sie hatten da einen halben Satz eingefügt; ich habe ihn notiert.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Scheuermann hat schön dargelegt: Autofahrerei kann in Baden-Württemberg furcht bar sein.
Ihre Interpretation daraus: Zugfahren ist nicht ganz so furcht bar, aber Verkehr in Baden-Württemberg ist furchtbar.
Die Quintessenz lautet: Immer dann, wenn es um Verkehr geht, sei es Straße oder Schiene, ist in Baden-Württemberg das Adjektiv „furchtbar“ häufig angebracht.
Die beiden Vorredner haben dargelegt, was das Problem ist. Ich brauche nicht mehr lange darauf einzugehen. Es ist ein Er folg – ganz klar –, dass der Schienenpersonenverkehr so stark gewachsen ist. Dafür teilen wir auch uneingeschränkt Lob aus; das anerkennen wir. Das hängt auch mit verschiedensten Re formen auf Bundesebene zusammen; darauf brauche ich nicht im Einzelnen einzugehen.
Das Problem ist nun einmal, dass der Erfolg auch Probleme zeitigt. Die Wagen und die Züge sind nicht nur im Einzelfall überfüllt, wenn am Sonntagspätnachmittag viele Wandergrup pen gleichzeitig einsteigen oder wenn eine Schulklasse einen Ausflug mit dem Zug nach Stuttgart macht. Nein, es ist der Regelfall, dass wir zu 110 % und teilweise zu 160 % ausge lastete Waggons haben. Da sind uns die Hände gebunden, weil eben dieser Verkehrsvertrag mit der DB uns Fesseln anlegt – Fesseln, die die Landesregierung selbst gestrickt hat – und keine Möglichkeit für Flexibilität bietet.
Die Frage heißt: Was ist zu tun? Im Kern müssen wir mög lichst schnell zu Ausschreibungen kommen. Es ist ja auch das erklärte Ziel der Regierung, aus dieser Tranche von 2016 ein zelne Pakete vorher herauszulösen und auszuschreiben.
Dass man damit Erfolg haben kann, zeigt die Schwarzwald bahn, die auch einen hohen Zuwachs an Gästen hat, die hohe Qualitätsmerkmale hat – die z. B. einen Schaffner hat – und schon wieder Engpässe aufzeigt. Der Erfolg ist so groß, dass nach zwei, drei Jahre Betrieb schon wieder nachgebessert wer den muss.
In diese Ausschreibungen müssen wir sehr viel mehr Flexibi lität einbauen, Frau Ministerin, als es Ihre Vorgänger Müller und Mappus gemacht haben. Dieses steife Korsett muss auch in dieser Hinsicht gesprengt werden. Herr Scheuermann, da bei stimmen Sie uns zu. Wir haben das auch bereits mehrfach gefordert.
Mir scheint allerdings das Problem zu sein, dass die Regie rung an dieser Stelle wieder einmal nicht in die Gänge kommt. Von der Ausschreibung bis zum Betriebsbeginn der Schwarz waldbahn, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat es knapp vier Jahre gedauert.
Wenn man vor dem Jahr 2016, also spätestens 2014 oder 2015, auf Teilstrecken neues Material, neue Bedingungen haben will, dann muss man doch spätestens im Jahr 2010 ausschrei ben.
Die Ministerin soll uns bitte einmal erklären, wann und mit welchem Teillos sie mit der ersten Ausschreibung an den Markt gehen will.
Ich wage schon jetzt eine Behauptung: Sie hat keine präzisen Daten. Wenn dem nicht so ist, ziehe ich diese Behauptung gern zurück, Frau Ministerin. Es wäre einmal eine richtig gute Ver kehrspolitik, wenn man nicht nur mit Ankündigungen durch die Lande zieht, sondern Daten und Fakten nennt, wann sich etwas ändert.
Das ist das große Dilemma. Ob es um Straße – Straßenver kehr, Straßenbau – oder Schiene geht: Diese Regierung meint, die Ankündigung sei die Realität. Wir haben ein riesiges Voll zugsdefizit zwischen Bedarf, Ankündigung und dem, was ge schieht.
Da fordern wir Sie von der Regierung auf: Werden Sie aktiv! Bringen Sie die Dinge endlich voran. Schauen Sie, dass wir in diesem Land bald in Teillosen neue Strecken ausschreiben können. Denn darin sehen wir die einzige Chance, zu Verbes serungen zu kommen.
Noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: Es hat sich eini ges verbessert. Wir ziehen gemeinsam an einem Strang. Ein Finanzierungsmittel ist die Pönale, das heißt, die Strafgelder, die die Bahn für Versäumnisse, für Sanktionen zahlen muss. Der Topf, aus dem wir dann zehren können, ist bedauerlicher weise immer gefüllt.
Verehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag ist ein Jahr alt. Die Debatte ist deutlich älter. Wir führen sie mit schö ner Regelmäßigkeit. Ganz neue Erkenntnisse finden wir da bei eigentlich nicht.
Wir stellen immer wieder fest – das ist das Wichtige und Gu te –, dass die Züge überfüllt sind und dass der Verkehrsver trag eigentlich durch den Erfolg überholt wurde. Herr Kolle ge Wölfle, wir können doch froh sein – das ist uns allen ein Anliegen –, dass der freiwillige Umstieg auf den Schienen personennahverkehr bei uns im Land so hervorragend klappt, dass die Züge überfüllt sind und dass nicht, wie es in manchen Ländern leider der Fall ist, ganze Wagen mit warmer Luft spa zieren gefahren werden müssen. Bei uns gibt es nur ganz we nige solcher Strecken.
Mit Blick auf die Regierung muss man anerkennen, dass es gelungen ist, dass die Kürzungen, die aufgrund der Kürzung der Regionalisierungsmittel vorgenommen werden mussten, weitgehend kompensiert werden konnten und dass das Ange bot jetzt wieder so ist, dass wir damit eigentlich wieder her vorragend durchkommen.
Ich habe es mir extra notiert: Die Hauptkritik war, dass die Züge immer wieder überfüllt seien. Herr Kollege Scheuer mann hat es heute noch einmal anhand eines Beispiels, das er gut kennt – jeder kennt eine Zugstrecke –, erläutert. Aber auch insgesamt zeigen die Zahlen – die Ministerin wird Ihnen das noch einmal im Einzelnen erläutern –, dass immer wieder neue Züge eingesetzt werden, dass es der Regierung, obwohl es der Vertrag nicht vorsieht, immer wieder gelingt, neue Ka pazitäten zu schaffen.
Aber weil das ganze System so erfolgreich ist, laufen auch diese Kapazitäten immer wieder voll. Das ist das Wesen einer Erfolgsgeschichte. Meine Prognose ist, dass, wenn wir uns in einem Jahr oder in zwei Jahren wieder darüber unterhalten, genau das wieder der Fall sein wird, dass die neuen Züge – hoffentlich – dann wieder voll sind und wir wieder darüber diskutieren, neue einzusetzen. Es handelt sich also wahrlich um keine richtig neue Geschichte.
Kollege Wölfle, Sie haben so nett vorgeschlagen, den Ent schließungsantrag, den wir – CDU und FDP/DVP – gemein sam einbringen, um diese tolle Passage zu ergänzen. Vielleicht erklären Sie uns noch, wann es denn ausreichend ist. Nach un serem Eindruck muss man die vorhandenen Bemühungen auch einmal würdigen, und damit ist auch genug getan. Denn bei dem System, das ein Erfolg ist, gehen wir davon aus, dass es nie ganz ausreichend sein wird. Außerdem würde ich mich wundern, wenn die Opposition – und diese würde wohl auch ihre Rolle verfehlen – irgendwann sagen würde, es wäre mehr als genug getan. Denn was würden Sie dann bloß bei der nächsten Wahl tun?