Protocol of the Session on May 6, 2010

Fahren Sie so oft?

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Wenn jeder so viel Bahn fahren würde wie ich – auch seitens der Landesregie rung –, wäre mir das recht.

Ich frage die Landesregierung: Beabsichtigt die Landesregie rung, ein generelles Überholverbot auf diesem Streckenab schnitt zu erlassen, oder hält sie z. B. eine intelligente Aus

dehnung des Überholverbots im Zeitraum des starken Ver kehrsaufkommens – also dann, wenn Berufsverkehr und Quellverkehr hinzukommen, und zwar beispielsweise mor gens ab 5:00 Uhr und in der Verlängerung bis 21:00 Uhr – für angebracht, und hält sie eine Ausdehnung des Überholverbots vor allem auf die häufig am Unfallgeschehen beteiligten Sprinter unter 7,5 t für sinnvoll?

Bitte, Frau Ministerin.

Zur Frage der Splittung will ich darauf hinweisen, dass die Spitzenzeiten des Verkehrs auf den Bundesautobah nen in Baden-Württemberg in den Zeiten des Berufsverkehrs liegen. Dies führt auf den Autobahnen in Ost-West-Richtung, also A 6 und A 8, sowie in den Ballungsräumen regelmäßig zu Beeinträchtigungen des Verkehrsflusses bis hin zum Stau. Ich gehe davon aus, dass so ziemlich jeder in diesem Haus dies schon einmal erlebt hat.

Zwischen den morgendlichen und den abendlichen Spitzen zeiten, die Sie jetzt genannt haben – auch mit Blick auf eine etwaige Splittung –, ist das Verkehrsaufkommen insbesonde re durch Schwerverkehr geprägt, und der belastet die Auto bahn sehr häufig so stark, dass es, wenn man die durch ein Überholverbot bewirkte Trennung des Verkehrs auf zwei Fahr spuren aufheben würde, trotzdem zu sehr starken Beeinflus sungen des übrigen Verkehrs führen würde. Das ist einer der Gründe, warum wir die Splittung per se für nicht sinnvoll hal ten und unseren Weg gehen; denn dieser trifft auch in den Nichtspitzenzeiten durchaus zur Verkehrsverflüssigung bei.

Wir haben uns noch keine Gedanken zu dem von Ihnen ange sprochenen Überholverbot für Sprinter unter 7,5 t gemacht. Ich bin mir nicht sicher, ob uns eine entsprechende Regelung in dieser Frage tatsächlich weiterhelfen würde. Natürlich gibt es andere Dinge, die dort ganz entscheidend sind. Deswegen stellen wir uns eher die Frage – in enger Abstimmung aller dings auch mit unseren Nachbarländern –, ob wir die Zeit, in der das Überholverbot gilt, um zwei Stunden nach hinten ver längern. Aber dazu sind wir gerade noch in den Abstimmun gen mit den übrigen Bundesländern. Denn ich glaube, dass das dann in einer konzertierten Aktion mit den Nachbarlän dern erfolgen sollte – nachdem Sie ganz bewusst auch nach der Entwicklung in Richtung bayerischer Grenze fragen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Pendler kommen künftig zwei Stunden später zurück!)

Keine weiteren Zusatz fragen? – Vielen Dank, Frau Ministerin.

Damit ist Tagesordnungspunkt 6 beendet.

Wir kommen jetzt zu Punkt 5 der Tagesordnung:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landespflegegesetzes und an derer berufsrechtlicher Vorschriften – Drucksache 14/6251

Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung eine Redezeit von fünf Minuten je Frak tion festgelegt.

Für die Landesregierung darf ich Herrn Staatssekretär Hille brand das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor nunmehr sieben Jahren hat das Recht der Pflege berufe durch das Altenpflegesetz des Bundes und das Kran kenpflegegesetz grundsätzliche Änderungen erfahren. Beide Gesetze haben zugleich die Möglichkeit eröffnet, darüber hi naus neue Ausbildungsformen in Modellprojekten zu erpro ben.

Die in beiden Gesetzen angelegte Umstellung vom Fächer- auf das Lernfeldprinzip und die Möglichkeit, neue Ausbil dungsplätze modellhaft zu erproben, haben im Land sowie in den Schulen und Stätten der praktischen Ausbildung große in novative Kräfte mobilisiert. Seite an Seite mit den Schulen, den Ausbildungseinrichtungen und den Aufsichtsbehörden ha ben wir uns auf Schritte zur praktischen Umsetzung der neu en Gesetze verständigt. In einer Vielzahl von Modellprojek ten wurden im Land integrative und generalistische Ausbil dungsansätze erprobt. Die Ergebnisse dieser Modellprojekte, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind teilweise bereits in die Lehrplangestaltung eingeflossen.

Diese schöpferische Unruhe bei den Pflegeberufen hat sich aber nicht nur auf die bundesgesetzlich geregelten Ausbildun gen beschränkt. Sie hat selbstverständlich auch die Überle gungen zur Weiterentwicklung der Pflegeberufe in landes rechtlicher Zuständigkeit beflügelt.

Die Entwicklung zeigt, dass uns die Umsetzung der beiden Pflegegesetze im Land insgesamt gut gelungen ist. BadenWürttemberg belegt mit nahezu 8 500 Auszubildenden in der Altenpflege einen bundesweit unbestrittenen Spitzenplatz.

Der vorläufige Landeslehrplan für die Berufe in der Kranken pflege und in der Kinderkrankenpflege hat sich zu einem bun desweiten Bestseller entwickelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Ihnen vor liegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landes pflegegesetzes und anderer berufsrechtlicher Vorschriften ver folgt die Landesregierung folgende Ziele: Wir ziehen aus der bisherigen Umsetzung des Altenpflegegesetzes und des Kran kenpflegegesetzes die Konsequenzen. Dazu gehören eine wei tere Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen für die Alten pflege- und für die Krankenpflegeausbildung. Wir verankern im Gesetzentwurf – ausgehend von dem vom Statistischen Landesamt prognostizierten Bedarf an Pflegekräften – bun desweit erstmalig ein Gesamtkonzept für den Ausbau der Pfle geberufe im Land sowie der Berufe im Vor- und im Umfeld von Pflege.

Hören Sie einmal zu: Im Land Baden-Württemberg sind ak tuell rund 98 000 Pflegekräfte beschäftigt. In 20 Jahren wer den wir nahezu die doppelte Anzahl benötigen; statistisch-pro gnostisch werden wir dann 187 000 Pflegekräfte brauchen.

Ausgehend von diesem Bedarf an Pflegekräften insbesonde re in der Altenpflege und von den absehbaren Entwicklungen bei den Angeboten auf dem Pflegesektor setzt die Landesre gierung auf gestufte Anforderungen von einfachen Versor gungs- und Betreuungstätigkeiten bis hin zur hochkomplexen Pflege, die einer akademischen Qualifikation bedarf.

Dabei denken wir bewusst auch an jene 8 000 bis 9 000 jun gen Menschen im Land, die jedes Jahr die Hauptschule ohne

Schulabschluss verlassen, sowie an Absolventen der Haupt schulen mit schlechten Zeugnissen.

Mit der Ausbildung zum Alltagsbetreuer oder Servicehelfer vermitteln wir ihnen nicht nur die Kompetenzen, die für eine einfache Versorgungs- und Betreuungstätigkeit an der Seite erfahrener Präsenzkräfte notwendig sind. Wer die Ausbildung zum Alltagsbetreuer bestanden hat, hat zugleich auch einen Hauptschulabschluss. Dieser Hauptschulabschluss kann gleichwertig zum allgemeinbildenden Abschluss erworben werden. Mit diesem Abschluss können die jungen Leute in ei nem hauswirtschaftlichen Beruf, in einem Pflegeberuf oder in einem gänzlich anderen Ausbildungsberuf weitermachen. Mit anderen Worten: Wir eröffnen diesen jungen Menschen Chan cen.

Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass neben den ein jährigen Helferausbildungen zum Altenpflegehelfer und zum Krankenpflegehelfer eine auf zwei Jahre verlängerte Helfer ausbildung für Menschen mit Migrationshintergrund einge richtet werden kann, die mit der fachlichen Qualifikation die Vermittlung der erforderlichen Deutschkenntnisse verbindet.

Schließlich sieht der Entwurf die Möglichkeit vor, neben den bundesgesetzlich geregelten dreijährigen Pflegefachausbil dungen eine zweijährige Pflegeausbildung nach Landesrecht einzuführen. Die Pflegekraft soll nach Abschluss dieser zwei jährigen Ausbildung nach Anleitung planbare und wiederkeh rende Pflegesituationen beherrschen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ziel des Konzepts ist, durchlässige Qualifizierungswege in der Pflege zu schaf fen, die im Idealfall vom Alltagsbetreuer bis zur Hochschul ausbildung reichen können. Dabei wollen wir in Umsetzung des Grundsatzes des lebenslangen Lernens zugleich die Mög lichkeit zeitlich überschaubarer und familienfreundlicher Aus bildungsabschnitte schaffen.

Darüber hinaus nimmt der Gesetzentwurf über eine Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung die Erfahrungen aus der Praxis mit der Ausbildung in der Gesundheits- und Kran kenpflegehilfe auf.

Mit dem Gesetzentwurf greift Baden-Württemberg – wie so oft als erstes Bundesland – die auf Bundesebene erarbeiteten Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Pflegeberufe sowie der Berufe im Vor- und Umfeld von Pflege auf. Nebenbei be merkt: Es war auch das baden-württembergische Sozialminis terium, also unser Haus, das auf Bundesebene daran maßgeb lich mitgewirkt hat.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Auf Initiative von Frau Ministerin Dr. Stolz haben inzwischen sowohl die Arbeits- und Sozialministerkonferenz als auch die Gesundheitsministerkonferenz die Bundesregierung jeweils einstimmig aufgefordert, die Weiterentwicklung der Pflege berufe auf Bundesebene in Angriff zu nehmen und zur Vorbe reitung entsprechender Gesetzesvorhaben eine Arbeitsgruppe mit den Bundesländern einzurichten. Dieser Aufforderung ist die Bundesregierung inzwischen nachgekommen. Unser Haus ist in dieser Arbeitsgruppe durch das zuständige Fachreferat vertreten.

Um eine länderübergreifende Berufeverlässlichkeit in den Be rufen des Gesundheitswesens sowie in den sozialen Berufen

herzustellen, hat Baden-Württemberg gemeinsam mit Ham burg in den beiden Ministerkonferenzen einstimmige Voten für die Erarbeitung von Rahmenbedingungen erreicht. Solche Rahmenbedingungen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sind zwingende Voraussetzung für die Bemühungen der Länder um Durchlässigkeit bundesrechtlicher Ausbildungsgänge auch für landesrechtlich geregelte Ausbildungen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind überzeugt: Die Regelungen des Gesetzentwurfs werden dazu beitragen, dass die pflegerische Versorgung der Bevöl kerung unseres Landes auch in Zukunft auf einem hohen Ni veau und vor allem aus eigener Kraft gesichert werden kann. Das vorliegende Gesamtkonzept eröffnet noch mehr Men schen im Land attraktive und zeitlich überschaubare Wege in die Pflegeberufe. Ich bitte Sie daher, im Hinblick auf unsere gemeinsame Verantwortung für das Wohl der Menschen in unserem Land den Gesetzentwurf in den Ausschussberatun gen nachhaltig und uneingeschränkt zu unterstützen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! So ma chen wir es! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Bravo!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Rombach das Wort.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Mein Krankenpfle ger!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Baden-Württemberg leben die Menschen im mer länger. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamts aus dem Jahr 2008 liegt der Altersdurchschnitt in Baden-Würt temberg bei über 42 Jahren. Vor 20 Jahren lag der Durch schnitt noch bei 38,8 Jahren. Der jährliche Zuwachs des Al tersdurchschnitts liegt bei 0,2 Jahren. Nach den Hochrechnun gen wird sich der Altersdurchschnitt bis zum Jahr 2025 vor aussichtlich auf knapp 46 Jahre erhöhen. Bundesweit wird der Altersdurchschnitt bis zum Jahr 2050 auf 50 Jahre steigen.

Diese Entwicklung ist für Baden-Württemberg vom Grund satz her gut. Das ist auch nicht verwunderlich in unserem Land mit seiner guten Esskultur und vor allem den guten ba dischen und württembergischen Weinen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf: Sehr gut! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Gut, dass nicht alle trinken!)

Die steigende Lebenserwartung bringt aber zugegebenerma ßen auch große Herausforderungen und Aufgabenstellungen mit sich, die wir gemeinsam bewältigen müssen.

Für Baden-Württemberg hat mit dem neuen Jahrhundert aus demografischer Sicht eine historische Zeitenwende begonnen. Erstmals leben in unserem Land mehr ältere als jüngere Men schen. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamts wer den im Jahr 2030 mehr als 3,7 Millionen Menschen im Alter von über 60 Jahren in Baden-Württemberg leben. Gegenüber 2005 beträgt der Zuwachs der Zahl der Pflegebedürftigen im Durchschnitt 54 %, wobei der Anstieg je nach Pflegeart un terschiedlich ausfällt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da dürfen sie halt nicht so viel Wein trinken!)

Die Zahl der ambulant Gepflegten wird nach diesen Berech nungen um 66 % und die Zahl der stationär Untergebrachten um 65 % steigen.

Gleichzeitig, meine Damen und Herren – das müssen wir zur Kenntnis nehmen –, haben sich die familiären Strukturen ver ändert. Während früher die Pflege in der Familie überwiegend von Angehörigen vorgenommen werden konnte, ist heute die Pflege durch Angehörige aus verschiedenen Gründen schwie riger geworden: Teilweise liegt das an der erhöhten Erwerbs tätigkeit, und teilweise ist aufgrund der räumlichen Entfer nung zwischen dem Wohnort der pflegebedürftigen Eltern und dem Ort, an dem die Berufstätigkeit ausgeübt wird bzw. der den Lebensmittelpunkt der Kinder bildet, eine erhöhte Mobi lität erforderlich. Außerdem wirken sich die rückläufigen Ge burtenzahlen negativ aus. Auch für die Betriebe und für die Mitarbeiter bedeutet die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege von Angehörigen eine immer größere Herausforderung.

In 20 Jahren – der Herr Staatssekretär hat es ausgeführt – wer den wir zusätzlich zu den aktuell rund 100 000 Pflegekräften in Baden-Württemberg weitere 80 000 bis 90 000 benötigen. Grund für den Mangel an Pflegekräften sind zu einem Groß teil die sicherlich – zugegebenermaßen – teilweise unattrak tiven Arbeitsbedingungen sowie unterschiedlichste und teil weise unregelmäßige Arbeitszeiten.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Lan despflegegesetzes und anderer berufsrechtlicher Vorschriften ist ein weiterer Baustein in einem umfassenden Konzept, um unser Land verantwortungsvoll fit für die Herausforderungen, die die demografische Entwicklung und der demografische Wandel mit sich bringen, zu machen. Er ist auch ein Schritt in die richtige Richtung, um die Pflegeberufe für sämtliche Bildungsabschlüsse attraktiver zu machen. Ziel ist eine ein deutige Aufwertung des Pflegeberufs und die Integration der Pflegewilligen.