Protocol of the Session on May 6, 2010

Meine Damen und Herren! Ich er öffne die 94. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württem berg und begrüße Sie.

(Unruhe)

Ich darf zunächst bekannt geben: Wenn ich den Gong betäti ge, beabsichtige ich, die Sitzung zu eröffnen. Es wäre sicher lich angebracht, wenn Sie bei dieser Gelegenheit die Gesprä che einstellen und Ihre Plätze einnehmen, damit wir die Sit zung geordnet beginnen können. Ich glaube, das wäre auch für die anwesenden Zuhörer angemessen.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Heiler, Hollen bach, Schneider und Stratthaus erteilt.

Krankgemeldet sind Frau Abg. Dr. Unold und Frau Abg. Ru dolf sowie die Herren Abg. Braun und Reichardt.

Aus dienstlichen Gründen haben sich entschuldigt Frau Mi nisterin Dr. Stolz, Herr Minister Professor Dr. Goll, Herr Mi nister Professor Dr. Reinhart, von 11:00 bis 14:00 Uhr Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch und ab 15:45 Uhr Herr Minis terpräsident Mappus.

Dienstlich verhindert ist heute Nachmittag Herr Staatssekre tär Drautz.

Auch dazu eine kleine Bemerkung: Ich habe jetzt 14 Absen zen bekannt gegeben, obwohl wir nach einem Sitzungsplan vorgehen, der allen seit einem Jahr bekannt ist. Man müsste sich vielleicht auch einmal überlegen, ob Plenarsitzungen nicht den Anlässen vorgehen, wegen denen hier die Entschul digungen erbeten worden sind.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

a) Aktuelle Debatte – Zwischen Einnahmeeinbrüchen und

Ausgabenzwängen – Perspektiven der Finanzlage der Kommunen – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Finanzministeriums – Sicherung der Gewerbesteuer als wesentliche Finanzierungsquelle der Kommunen – Drucksache 14/5913 (geänderte Fassung)

Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die ein leitenden Erklärungen und je fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die Finanznot der Kommunen ist in aller Munde. Es ist die Rede von zu schließenden Schwimmbädern, von Schlaglöchern, die nicht ausgebessert werden können, und dergleichen mehr. Die meisten in diesem Haus haben oder hatten einen kommunalen Hintergrund, so auch ich. Insofern wissen wir alle, wovon wir reden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Oh, ganz schlimm, Pforzheim!)

Genau, Herr Kollege Schmiedel, in Pforzheim wissen wir besonders gut, wovon wir reden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber selbst verschul det!)

Mit „selbst verschuldet“ meinen Sie vielleicht irgendwel che Derivatgeschäfte. Diese sind im aktuellen Haushalt nicht einmal berücksichtigt. Es wäre auch so eng. Auch in vielen anderen Städten ist es eng.

Es stellt sich die Frage: Woher kommt die Finanznot der Kom munen? Offensichtlich spielt es eine nicht ganz unwesentli che Rolle, dass wir im Bereich der Gewerbesteuereinnahmen erhebliche Einbrüche haben. Diese Einbrüche sind nicht be rechenbar gewesen. Wenn wir uns die Geschichte der kom munalen Finanzen in Baden-Württemberg anschauen, stellen wir fest, dass es solche Einbrüche immer wieder gegeben hat und dass im Grunde nichts unberechenbarer ist als die Ent wicklung der Gewerbesteuereinnahmen. Insofern gibt es in Baden-Württemberg eine Vielzahl von Kommunen mit erheb lichen Einbußen, zum Teil sogar mit einem gänzlichen Aus fall der Gewerbesteuereinnahmen.

Hinzu kommt, dass insbesondere Personenunternehmen durch das Instrument der Gewerbesteuer bürokratisch belastet wer den. Denn es besteht die Notwendigkeit, eine gesonderte Bi lanz zur Verrechnung mit der Einkommensteuer zu erstellen.

In Zeiten der Krise, die Baden-Württemberg ganz besonders stark erwischt hat, stellt sich zusätzlich die Frage: Was kann man tun, um in dieser Krise den Unternehmen, insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen, zu helfen? Auch hier stellen wir fest, dass gewinnunabhängige Bestandteile der Be messungsgrundlage der Gewerbesteuer krisenverschärfend wirken.

Im Land Baden-Württemberg sind die Steuereinnahmen im Jahr 2009 um etwa 12 % eingebrochen. Die Kommunen wur den noch härter getroffen. Vor diesem Hintergrund ist es ob jektiv angezeigt, meine Damen und Herren, sich die Frage zu

stellen, ob die Gewerbesteuer so, wie dieses Instrument aktu ell existiert, tatsächlich zukunftsfähig ist. Ich glaube, das Min deste, auf das man sich in diesem Haus verständigen müsste, wäre eine nachhaltige, eine tief greifende Reform dieses Ins truments Gewerbesteuer.

Wir kommen zu dem Ergebnis, meine Damen und Herren, dass die Gewerbesteuer nicht zukunftsfähig ist, dass sie abge schafft werden muss und durch berechenbarere und klarere Instrumente zu ersetzen ist.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, die Kommunen brauchen eine brei tere Steuerbasis, und sie brauchen berechenbarere Instrumen te. Es wäre auch gut, die Bürger so an der Finanzierung der Kommunen zu beteiligen, dass diese Beteiligung transparent und nachvollziehbar wird. Es sollte nicht einfach eine anony me 15-prozentige Beteiligung an der Einkommensteuer sein.

Deshalb schlagen wir vor, einen aufkommensneutralen Ersatz der Gewerbesteuer anzustreben. Das könnte beispielsweise durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer geschehen. Es könnte zusätzlich noch ein kommunaler Zuschlag auf die Einkommensteuer und auf die Körperschaftsteuer vorgesehen werden.

Zu diesem Zweck, meine Damen und Herren – hören Sie gut zu –, schlägt ein FDP-Politiker Steuererhöhungen vor, näm lich eine Erhöhung der Körperschaftsteuer auf 25 %, um eben diesen Zuschlag möglich zu machen. Deshalb in aller Deut lichkeit: Wir wollen die Einnahmebasis der Kommunen nicht beschneiden, sondern wir wollen sie gleich lassen und bere chenbarer machen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Es wird immer als Hauptargument gegen diese Reform ange führt, wenn man die Gewerbesteuer abschaffe, dann werde das Band zerschnitten, das die Kommunen an die Schaffung von Arbeitsplätzen kettet, dann werde die Motivation genom men, Arbeitsplätze zu schaffen.

Meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall. Wenn wir den Kommunen einen Zuschlag auf die Einkommen- und auf die Körperschaftsteuer ermöglichen, dann bleibt dieses Inte resse. Es bleibt dieses Interesse an der Schaffung von Arbeits plätzen, aber es wird eben nicht nur eine Motivation für ge werbliche Arbeitsplätze geschaffen, sondern beispielsweise auch für die Schaffung eines Ärztehauses. Dagegen kann nach meiner Ansicht niemand sein.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Umvertei lung schlägt er vor!)

Die Kommunen haben nicht nur ein Einnahmeproblem, son dern sie haben auch ein Ausgabenproblem. Das muss an die ser Stelle auch deutlich gesagt werden.

(Vereinzelt Beifall)

Ich habe in den Debatten im Landtag von Baden-Württem berg schon öfter die positiven Aspekte der Hartz-Gesetzge bung angesprochen. Ich will auch an dieser Stelle überhaupt

nicht behaupten, dass die Hartz-Reformen generell negativ seien. Aber klar ist, dass die rot-grünen Hartz-Gesetze die Kommunen in vielen Bereichen der Sozialhaushalte belasten.

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, brauchen wir das, was wir in der Landesverfassung von Baden-Würt temberg vorbildhaft geregelt haben, nämlich ein klares und striktes Konnexitätsprinzip, auch im Grundgesetz. Dieses Prinzip im Grundgesetz zugunsten der Kommunen zu veran kern wäre sicherlich eine Handlung zugunsten der Kommu nen, die wesentlich besser wäre als manches Lippenbekennt nis, das in diesem Zusammenhang zu hören ist.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf: Sehr richtig!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Groh.

Vielen Dank. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere heutige aktuelle De batte beschäftigt sich, wie schon gesagt, mit den Einnahme einbrüchen und den Ausgabenzwängen auf kommunaler Ebe ne.

Um es vorweg zu sagen, Herr Dr. Rülke: Über eine tief grei fende Reform der Gewerbesteuer können wir jederzeit reden. Es ist aber sicherlich auch zu früh, bereits heute erste Pflöcke für die Neuordnung der Gemeindefinanzen einzuschlagen.

Dass die Kommunen eine Verstetigung ihrer Einnahmen be fürworten, ist angesichts der Höhen und Tiefen ihrer Haushal te nachvollziehbar. Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, ist es der CDU-Fraktion aber auch wichtig, dass die ertragsunabhängigen Elemente der Gewerbesteuer nicht in dem Maß wie bisher fortgeführt werden. Diesen Spagat gilt es zu meistern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Die von der Bundesregierung eingesetzte Gemeindefinanz kommission wird sich zunächst eingehend mit den hierzu vor geschlagenen Modellen beschäftigen. Die Modelle sind Ihnen alle bekannt: Es gibt das Zuschlagsmodell nach dem Koaliti onsvertrag, das Modell der Stiftung Marktwirtschaft und das Kommunalmodell. Es gilt jetzt, diese Modelle sehr intensiv zu untersuchen. Ziel muss dabei sein, dass sich die Kommu nen in Baden-Württemberg in einer Gesamtbetrachtung nicht schlechterstellen als bislang, dass dies aber auch nicht zu grö ßeren Verwerfungen in der Finanzverwaltung und in der Fi nanzverteilung unter den Kommunen im Land führt und vor allem, dass das Land nicht für Ausfälle, die auf Bundesebene beschlossen werden, einspringen muss.

Auf ein schier unlösbares Grundsatzproblem bei jeglicher Va riante der Steuerverteilung möchte ich gleich anfangs unserer Debatte hinweisen: Das ist die Wohnsitzregelung. Seit Jahr zehnten richtet sich die Steuerverteilung nach dem Wohnsitz des Steuerpflichtigen und führt u. a. bei großen Städten mit ihren Umlandgemeinden zunehmend zu Problemfeldern. Da bei vermag auch die sogenannte Gewichtung der Städte im kommunalen Finanzausgleich nur wenig Abhilfe zu schaffen. Noch größer allerdings sind die Probleme in den Grenzberei chen zu anderen Ländern.

Ziel der Kommission muss eine Aufgabenkritik sein. Es kann und darf nicht sein, dass den Kommunen immer neue Aufga ben ohne ausreichende Finanzmittel zugewiesen werden.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)