Ich möchte Ihr Augenmerk – Herr Hoffmann, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie dazu die zwei Stichworte Qualität und Quantität genannt haben; ich sehe das genauso wie Sie – nicht nur auf die Quantität der Ausbildungsplätze richten, sondern vor allem auch auf die Qualität, und zwar auch auf die Qua lität der Erzieherinnenausbildung für die Betreuung von Kin dern unter drei Jahren.
Es ist richtig und wichtig, dass das Land zur Fortbildung der Erzieher weiter jährlich 10 Millionen € aufbringen will. Es ist auch richtig und wichtig, dass die Ausbildung der Erzieherin nen mit Blick auf die Implementierung des Orientierungs plans, aber, wie gesagt, auch gerade mit Blick auf die Betreu ung der unter Dreijährigen überarbeitet wird. Wir haben hier in der Tat noch dringenden Handlungsbedarf. Denn um die Qualität der Erzieherinnenausbildung zu erhöhen, müssen sich auch die jüngsten Forschungsergebnisse in diesem Bereich niederschlagen. Ich darf auf einige wenige Forschungsergeb nisse hinweisen.
Meine Damen und Herren, wir wissen heute: Frühkindliches Lernen findet dann statt, wenn die Aktivität vom Kind aus geht, wenn es selbst erkunden darf, selbst begreifen darf, selbst erfahren darf, und das mit möglichst vielen Sinnen und in emotionaler Sicherheit. Diese emotionale Sicherheit ist um so bedeutender, je jünger das Kind ist. Sie ist Voraussetzung dafür, dass sich ein Kind überhaupt aktiv mit seiner Umwelt auseinandersetzen kann. Sie ist Voraussetzung für jedes früh kindliche Lernen. Kinder lernen in und durch die Beziehung zu ihren primären Bezugspersonen, und dazu gehören im früh kindlichen Bereich auch die Erzieherinnen und Erzieher.
Deshalb ist die Erzieherausbildung so wichtig. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt einer gelingenden frühkindlichen Bil dung, und sie muss auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht werden. Auch hier müssen wir noch einen Zahn zu legen.
Falls tatsächlich das Damoklesschwert auf uns herniederfällt, dass wir auch im Bildungsbereich werden sparen müssen – diese Gefahr ist nicht ganz auszuschließen –, dann appelliere ich dringend an Sie, meine Damen und Herren hier im Land tag: Bitte nicht an der falschen Stelle sparen, nicht im früh kindlichen Bereich. Lassen Sie uns das Personal weiter aus bauen, und lassen Sie uns dafür sorgen, dass unsere Erziehe rinnen und Erzieher eine gute, qualitativ hochwertige Ausbil dung bekommen, gerade auch diejenigen, die später für die unter Dreijährigen zuständig sind.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her ren! Ich freue mich über den Imagegewinn der Imagekampa gnen. Wir haben einen großen Glauben daran, und zwar zu Recht. Ich freue mich natürlich noch viel mehr darüber, dass wir zu diesem Thema sehr einig sind und uns heute vor allem eines eint – das ist für mich auch aus den Anträgen deutlich geworden –, nämlich die Sorge, in diesem Bereich die richti ge Versorgung und das richtige Angebot bieten zu können.
Ich will hoffen, dass ich Ihnen ein bisschen die Sorge nehmen kann, dass wir da im Moment nicht richtig unterwegs wären. Lassen Sie mich versuchen, einfach noch einmal die Quellen deutlich zu machen – wenn ich das so sagen darf –: Woher be ziehen wir den Nachwuchs im Erzieher- und Erzieherinnen bereich? Da ist natürlich zum einen die originäre Ausbildung der Erzieher und Erzieherinnen. Mit dieser Zahl allein hätten wir schon ganz gute Hoffnung, das Ausbauziel des Jahres 2013, die vorher genannten 7 300 Plätze, zu erreichen.
Wenn ich mir das aber einmal als Tortendiagramm vorstelle, kommen noch andere Kuchenstücke hinzu, aus denen wir in der Rekrutierung des Nachwuchses schöpfen. Das sind – das wurde vorher auch angedeutet – die Absolventen und Absol ventinnen der Hochschulstudiengänge. Darauf kommen wir sicher gleich noch.
Ferner haben wir die Absolventen der sogenannten schulfrem den Ausbildungsgänge, die sich über eine Prüfung einbringen, die vorher nicht in diesem Fachgebiet tätig waren, und wir ha ben das Potenzial der Wiedereinsteiger und Wiedereinsteige rinnen.
Ich will noch eine fünfte Quelle deutlich machen. Bei den heu te Beschäftigten im Erziehungsbereich haben wir eine extrem hohe Teilzeitquote. 51 % dieser Beschäftigten arbeiten in Teil zeit. Wenn es gelingen könnte, die Zahl der Stunden, die die se Damen und Herren arbeiten, zu erhöhen, wäre ein weiteres Reservoir gegeben.
Wenn wir uns diese einzelnen Quellen anschauen, können wir heute hier tatsächlich beruhigend sagen – wir wollen uns aber trotzdem überhaupt nicht zurücklehnen –, dass wir die Ver sorgung sicherstellen können. Gleichwohl diskutieren wir hier über ein Thema, das in den nächsten Jahren sicher immer wichtiger werden wird. Die angesprochene Imagekampagne
ist sicherlich nötig. Wir betreiben sie auch. Wir tun aber viel mehr, als nur eine Imagekampagne in diesem Bereich durch zuführen.
Sie haben die Sorge geäußert: Gibt es, wenn heute jemand Er zieher oder Erzieherin werden will, irgendwelche limitieren den Faktoren, die ihn oder sie davon abhalten könnten, die sen Weg zu beschreiten? Ich freue mich, sagen zu können: Solche limitierenden Faktoren gibt es im Moment nicht. Wir haben gesagt: Jede Schule, die neue Klassen einrichten will, kann dies tun, wenn denn der Bedarf vorhanden ist, das heißt, wenn die Nachfrage vorhanden ist. Wir haben vielmehr die Situation, dass wir im Moment nicht genug Nachfrage haben. Ein limitierender Faktor liegt hier in der Nachfrage und nicht in der Bereitstellung des Ausbildungsangebots.
Ähnliches gilt bei der Gründung von Schulen: Auch hier sind wir bis ans Maximum offen dafür, wenn aufgrund der Nach frage etwas getan werden könnte, dies zu tun. Der limitieren de Faktor liegt hier nicht auf der Finanzierungs- oder Regu lierungsseite. Er liegt tatsächlich bei den Bewerberinnen und Bewerbern, die heute – ich will es noch einmal deutlich sa gen – ausreichen, die aber nicht mehr ausreichen werden, wenn wir das umsetzen, was wir alle gemeinsam auch wol len, nämlich die Verbesserung der Qualität in diesem Bereich, sodass wir auch zusätzlichen Bedarf generieren.
Ich will dies ansprechen. Es gelingt uns, den Personalschlüs sel in den nächsten Jahren zu verbessern; das haben wir schon vereinbart, und auch die Finanzierung haben wir in Zusam menarbeit mit den Kommunen gesichert. Daraus wird zusätz licher Bedarf entstehen, den wir dann natürlich auch abfedern müssen.
Wir haben also eine Situation, die uns heute überhaupt nicht in Panik verfallen lassen muss, die uns aber gleichzeitig auf fordert, gemeinschaftlich – ich glaube, die große Einigkeit, die wir hier haben, kann uns dazu bringen, auch draußen ge meinschaftlich zu agieren – Werbung für diesen Beruf zu be treiben, und zwar nachhaltige Werbung in dem Sinn, dass es uns gelingt, junge Menschen auf den Weg zu führen.
Herr Abg. Mentrup, Sie haben die Frage aufgeworfen, ob sich die jungen Menschen, die den Beruf ergreifen, vielleicht selbst gar nicht so sicher sind, ob sie richtig geeignet sind. Dies be trifft das Thema Eignungsprüfungen. Ich halte es für schwie rig, eine Eignungsprüfung für junge Menschen im Alter von 16 Jahren vorzusehen. In diesem Alter haben die jungen Men schen, die sich hier auf den Weg machen, ihre Persönlichkeits entwicklung mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen, und deshalb sollten wir das erste Jahr, das sie absolvieren, auch als ein Jahr nutzen, in dem sie selbst erkennen – unter Förde rung und Führung ihrer pädagogischen Bezugspersonen –, ob sie dafür geeignet sind. Aber feststellen zu wollen, ob jemand im Alter von 16 Jahren in diesem Beruf dauerhaft erfolgreich sein kann, das wird nicht gehen. Das wird sich sicherlich erst in dem einen Jahr herausstellen. Aber hier müssen wir auch lange mit dabeibleiben.
Ich denke, das gilt für die Thematik insgesamt. Die einfachen, plakativen Lösungen sind hier nicht zu finden. Deswegen wür de ich an dieser Stelle gern der Aussage widersprechen, es ge be keine Gesamtstrategie. Selbstverständlich gibt es eine Ge samtstrategie. Ich habe versucht, Ihnen das am Bild der Tor
te deutlich zu machen. Die Gesamtstrategie besteht daraus, je de nur erkennbare und erdenkliche Möglichkeit zu nutzen, den Bedarf zu decken, und keinerlei limitierende Faktoren zu ha ben.
Das haben wir schon umgesetzt. Wir haben auch die Kapazi täten ausgeweitet. Das wissen Sie; das haben wir auch in der schriftlichen Stellungnahme ausgeführt.
Für den Bereich der Studiengänge ist vorhin in der Diskussi on angemahnt worden, hier unter Umständen noch mehr in Richtung Berufsbegleitung zu tun. Herr Abg. Hoffmann, Sie haben es angesprochen. Ich will sogar noch einen Schritt wei ter gehen: Es gibt bundesweit im Bereich der sozialen Arbeit und der sozialen Berufe Onlinestudiengänge. Das ist nicht et was, was man neu erfinden müsste. Damit will ich andeuten: Wenn es irgendwo noch Gelegenheiten gibt, um den Kuchen hinsichtlich der Mehrschichtigkeit und der Vielfalt zu vergrö ßern, dann werden wir dies gern tun. Ich glaube, da haben wir auch keinen Dissens. Es geht nur darum, diese Möglichkeiten letztendlich zu entdecken und zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, ich will ein Thema ansprechen, das mir Sorge macht und das mit Sicherheit dazu beitragen wird, die Attraktivität in diesem Berufsbereich entweder zu erhöhen oder zu schmälern. Wir alle sind uns einig, dass der frühkindliche Bereich heute vielleicht sogar der entscheiden de ist. Wir laufen durch die Lande und sagen dies. Warum? Weil wir davon aus tiefstem Herzen überzeugt sind und weil wir wissen, dass „Früh investieren statt spät reparieren“ die einzig entscheidende Losung ist, weil alle wissen, dass es spä ter ganz, ganz schwierig ist, nachzuholen.
Wir sind uns an diesem Punkt einig, und deswegen setzen wir in der Regierung und in der Politik insgesamt auch einen kla ren Schwerpunkt in diesem Bereich.
Was mir Sorge macht, ist nicht unsere Einigkeit – darüber freue ich mich –, sondern die Tatsache, dass wir im Erzieher bereich nicht das erleben dürfen, was wir in anderen pädago gischen Bereichen erleben, nämlich dass durch die Bedeutung dieses Bereichs der Druck auf die dort Tätigen gleichermaßen steigt. Heute lastet oft ein Druck auf der Lehrerschaft, weil die Eltern – nicht ganz zu Unrecht – vermuten, dass diese Per sonen wesentlich am Bildungserfolg beteiligt sind. Über die sen Druck muss man reden. Er ist auch nicht immer leicht aus zuhalten.
Vor diesem Hintergrund darf es uns nicht passieren, dass durch die Bedeutungserhöhung im Bereich der frühkindlichen Bil dung künftige Erzieherinnen und Erzieher schon vorweg den Druck verspüren, dass man von ihnen etwas erwartet, was man eigentlich erst später von Grundschullehrerinnen und Grund schullehrern erwartet, nämlich dass sie für den späteren Bil dungserfolg sozusagen eine Garantenstellung übernehmen. Hierfür möchte ich uns alle sensibilisieren und uns darauf auf merksam machen.
Wenn die Entwicklung in die Richtung geht, dass dann ein Druck auf dem frühkindlichen Bereich lastet und wir die Er wartungshaltung vorziehen, die heute in der Grundschule vor handen ist, dann werden wir Interessentinnen und Interessen ten für diesen Bereich eher abschrecken denn gewinnen. Wir gehen hier also durchaus eine Gratwanderung. Je mehr wir
von der großen Bedeutung sprechen, desto mehr erzeugen wir auch eine Erwartungshaltung. Dem muss ein junger Mensch mit 16 Jahren, der sich für den Beruf entscheiden soll, auch erst einmal gewachsen sein.
Deshalb bitte ich Sie hier um eine gemeinschaftliche, sehr sen sible Herangehensweise. Ich freue mich auch, dass wir in die ser Besprechung spüren können, dass auch nachdenkliche Tö ne hier einen Platz haben dürfen. Das Thema eignet sich nicht für plakative Auseinandersetzungen.
Ich will ein bisschen Sorge wegnehmen hinsichtlich der – Herr Abg. Hoffmann, Sie haben es angesprochen – blühenden Viel falt der Namen der Studiengänge. Hier ist auf der Ebene der Kultusministerkonferenz und der Jugendministerkonferenz bereits eine Initiative unterwegs, die genau dies einfangen will, sodass wir also – wenn ich ein Resümee ziehen darf, mei ne Damen und Herren – in allen Bereichen die richtigen Maß nahmen ergriffen haben, dass wir aber eine gemeinschaftliche Verantwortung haben.
Letztlich: Herr Abg. Mentrup, wenn es uns möglich ist, über gewisse Statistiken, die wir erweitern, hier einen Beitrag zu leisten, will ich das gern zusagen.
Ich will aber mit einem letzten Wort noch deutlich etwas zum Stichwort Migranten sagen – Sie haben es angesprochen –: Natürlich ist es wichtig, Erzieher und Erzieherinnen mit Mi grationshintergrund als handelnde Akteure zu haben. Aber ich will die Erzieher und Erzieherinnen ohne Migrationshinter grund nicht aus der Verantwortung entlassen,
für die Migrantenkinder spezielle Förderung zu betreiben. Auch das ist eine Aufgabe im Bildungswesen, die alle schul tern müssen.
Deswegen werde ich den Erfolg in diesem Bereich nicht da ran messen, ob wir die Quote der Erzieherinnen und Erzieher mit diesem Hintergrund gesteigert haben,
sondern daran, ob es uns gelungen ist, noch mehr zu veran kern, dass heute die Förderung von Migrantenkindern eine originäre Bildungsaufgabe ist – nicht für eine Randgruppe, sondern eine originäre Bildungsaufgabe.
Herr Präsident, Frau Minis terin, Kolleginnen und Kollegen! Sie haben, denke ich, in sehr überzeugender Weise ein Kuchendiagramm dargestellt, an dem deutlich wird, dass rein statistisch die Zahl der Ausbil dungsgänge und Studiengänge möglicherweise den Bedarf deckt und dass es aus Ihrer Sicht keine limitierenden Fakto
ren mehr gibt, um den Zugang für alle Interessierten zu er möglichen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass es nicht ausrei chend Interessierte gibt. Das ist doch ein limitierender Faktor, mit dem wir uns einmal beschäftigen müssen.
Dann nehme ich noch Folgendes auf: Herr Hoffmann, Sie ha ben sehr deutlich gesagt, es gehe bei der Ausbildung nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität. Vielleicht geht es aber auch bei dem anschließenden Arbeitsfeld nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität. Ich kann eine Image kampagne nicht auf etwas aufsetzen, wenn anschließend das Angebot dessen nicht stimmt, worauf ich die Imagekampag ne aufsetze.
Daher, Frau Ministerin, müssen wir uns noch einmal mit dem einen oder anderen Ihrer Vorschläge beschäftigen. Sie sagen, die Versorgung mit Erzieherinnen und Erziehern würde mög licherweise ausreichen, wenn man bei dem stark ausgepräg ten Teilzeitbereich ansetzt. Wenn Sie einmal in die Tiefe ge hen und sich vor Ort vor allem beim Projekt „Bildungshaus“ genau die Anforderungen anschauen, die heute an dieses ganz heitliche, individuelle, ganztägige Konzept gerichtet werden, dann stellen Sie zweierlei fest. Der erste Punkt: Ein Großteil der Erzieherinnen, die in Teilzeitarbeit sind, haben in ihrem Lebensentwurf nicht vorgesehen, diese Arbeit zu ihrer Voll zeittätigkeit zu machen. Der zweite Punkt: Die Besoldung der Erzieherinnen und Erzieher und die Möglichkeit, damit eine Familie zu ernähren, sind so gering, dass es für die meisten auch gar nicht attraktiv wäre, dies aus diesen Gründen heraus zu tun.
Daher kann ich Ihnen an dieser Stelle zwar statistisch recht geben; in der Logik, in der Konsequenz vor Ort bringt uns die ser Ansatz aber gar nicht weiter. Solange man die Erzieherin nen – nicht nur vom Gerede, sondern auch vom Status und von der Bezahlung her – nicht familienfähig macht, braucht man über eine höhere Vollzeitquote in diesem Bereich über haupt nicht zu diskutieren.