Protocol of the Session on October 11, 2006

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Bei der lebendigen Demokratie!)

Bei allem Respekt für das, was die Kirchen im Bereich der Weiterbildung leisten: Für diese Art der Agitation habe ich überhaupt kein Verständnis. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wenn wir uns weiterhin in diesem Stil über diese Dinge unterhalten,

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Dann wird es übel! Dann wird es wirklich übel!)

dann muss ich sagen: Wir müssen wirklich einmal überlegen und prüfen, was nice to have ist und was wirklich existenziell, wirklich wichtig in unserem Land ist. Mit dieser Haushaltssperre wurde wirklich noch nicht die Axt an die Wurzeln der Weiterbildung gelegt. Ich kann mich da nur wiederholen. In meinem Wahlkreis hat eine Volkshochschule erklärt, diese Kürzung, diese Haushaltssperre vom Juni bedeute für sie, dass sie keinen zweiten Beamer anschaffen könne und dass der neue EDV-Raum, den einzurichten sie vorhabe, etwas kleiner ausfallen werde als geplant. Das war das Ergebnis der Haushaltssperre vom Juni in einer Volkshochschule in meinem Wahlkreis.

Ich bestehe auf der Feststellung: Das Land nimmt seine Verantwortung ernst. Denken Sie nur an das Lehrerprogramm. Denken Sie daran, was auf anderen Feldern geleistet wird, z. B. auch, was die IHKs leisten. Verschonen Sie uns mit rückwärtsgewandten Anträgen! Wir müssen nach vorn schauen, und das mit einem Minimum an Konsens.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Verschonen Sie uns mit rückwärtsgewandten Reden! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD – Unruhe)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bayer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kurtz, wenn an dieser Debatte überhaupt etwas rückwärtsgewandt war, dann war es das Pflegen alter Vorurteile gegenüber Weiterbildung, so, wie Sie es hier gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich hatte bei diesem Thema gedacht: Schlimmer geht’s nimmer. Aber man wird hier immer eines Besseren belehrt. Niemand hätte ja nach den Kürzungen der letzten Jahre überhaupt geglaubt, dass es noch schlimmer kommen könnte; denn der Punkt, der eigentlich nicht mehr unterschritten werden darf, ohne das System der öffentlich geförderten Weiterbildung überhaupt als Ganzes infrage zu stellen, war im Jahr 2005 schon längst erreicht.

Aber diese Landesregierung hat mit den Kürzungen in einem laufenden Haushalt – ob sie jetzt legal waren oder nicht, ist noch eine andere Frage –

(Zurufe der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und Die- ter Hillebrand CDU)

noch eins draufgesetzt; und ein Ende dieser Kürzungskaskaden ist offensichtlich immer noch nicht in Sicht. Zwischenzeitlich denkt Staatssekretär Wacker sogar laut darüber nach, dass man inzwischen bei einem so niedrigen Niveau angekommen sei, dass möglicherweise ganz auf Landeszuschüsse verzichtet werden könne.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Bei Veranstaltungen, wie sie vor Kurzem in Freiburg stattgefunden haben, wurde auch kolportiert, dass in den nächsten Jahren noch mit weiteren 18 % Kürzungen zu rechnen sei.

Meine Damen und Herren, da fällt es mir richtig schwer, sachlich zu bleiben. Ich möchte es trotzdem probieren und in aller Sachlichkeit sagen: Da drängen sich all denjenigen, die an staatlich geförderter Weiterbildung interessiert sind, und auch denen, die darauf angewiesen sind, einfach Fragen auf.

Da ist zunächst die Frage nach der Glaubwürdigkeit, wenn in Sonntagsreden immer wieder das Hohelied der Weiterbildung und der Notwendigkeit lebenslangen Lernens gesungen wird, im politischen Alltag aber über viele Jahre hinweg nur noch eine Abrissbirne bewegt wird.

Dann ist da die Frage nach der Verlässlichkeit, wenn in einem laufenden Haushalt gekürzt wird, wenn die Träger aufgrund der Zusagen der Landesregierung Verträge und Verbindlichkeiten eingegangen sind, deren Erfüllung nun infrage steht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Da ist die Frage nach der inhaltlichen Relevanz: Wenn alle bildungspolitischen Handlungsempfehlungen – auch die aus dem Abschlussbericht der Enquetekommission, die wir hier im Haus in der letzten Legislaturperiode erlebt haben –, gerade auch mit dem Blick auf besonders bildungsferne Zielgruppen, die herausragende Stellung von Weiterbildung betonen, dann stellt sich die Frage der inhaltlichen Relevanz bei dem, was Sie mit der Weiterbildung hier im Lande anstellen.

Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit. Wenn die Verantwortung des Landes für die Weiterbildung in der Landesverfassung explizit verankert ist, mit der jahrelang anhaltenden Kürzungsorgie aber zwischenzeitlich eine Größenordnung der Förderung erreicht ist, die dem nicht mehr entspricht, dann ist das vielleicht kein Verstoß gegen den Buchstaben der Verfassung – das vermag ich nicht zu beurteilen –, in jedem Fall aber ein Verstoß gegen den Geist dieser Landesverfassung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Meine Damen und Herren, wir werden in diesem Saal am 10. November eine Anhörung zu diesen Themen durchführen, bei der die Weiterbildungsträger und -institutionen nochmals die dramatischen Folgen der Kürzungskaskaden darstellen können. Spätestens dann sollten Sie begreifen, was die Stunde geschlagen hat. Wenn Sie die Kürzungen der Personalkostenzuschüsse, die sich für viele Träger

wirklich dramatisch auswirken – das geht bis hin zur Frage nach der Existenz –, schon nicht aus bildungspolitischer Überzeugung zurücknehmen, dann hilft vielleicht zumindest die Erkenntnis, dass Sie in diesem Punkt im Land völlig allein stehen, dass Ihnen völlig zu Recht Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit abgesprochen wird und dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit Ihres Vorgehens angemeldet werden. Stärkere Gründe, einen politischen Fehler zu korrigieren, kann ich mir nicht vorstellen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich komme zum Ende. Bei alldem darf man nicht vergessen, dass die politischen Handlungsnotwendigkeiten in puncto Weiterbildung weit über das hinausgehen. Der Trend zur ungesteuerten Privatisierung der Weiterbildung muss gestoppt werden, indem wir die Weiterbildung auch als öffentliches Gut begreifen. Die Bildungsbeteiligung muss erhöht werden, indem Bildung auch für bildungsferne Gruppen erreichbar bleibt, unter anderem deswegen, weil wir es uns nicht leisten können, Begabungsreserven brachliegen zu lassen. Wir müssen auch Kriterien für eine nachhaltige Verteilung der Finanzierungslasten entwickeln, und zwar ohne dass sich das Land aus der Verantwortung stiehlt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Für heute, meine Damen und Herren, würde es mir aber genügen, wenn Sie die Kürzung der Personalkostenzuschüsse zurücknehmen würden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Kleinmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass wir sparen müssen, ist Ihnen allen bekannt. Dass wir nur dort Einsparungen vornehmen können, wo wir gesetzlich nicht zu Zahlungen verpflichtet sind – also bei den freiwilligen Leistungen –, ist Ihnen auch bekannt. Das sollte man doch betonen.

Herr Kollege Metzger hat heute Vormittag eine sehr interessante Rede zum Thema Einsparen und zum Thema Haushaltskonsolidierung gehalten. Gleichzeitig knicken die Grünen genau an diesem Punkt schon ein und sagen: „Hier können wir nicht sparen.“ Dann müssen Sie Alternativen vorstellen,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das machen wir, Kollege Kleinmann!)

wie Sie zu dieser Haushaltskonsolidierung und wie Sie im Jahr 2011 auf eine Nettoneuverschuldung von null kommen wollen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das machen wir! Das haben wir immer gemacht!)

Dass Haushaltskürzungen nicht legal sein sollen, Herr Bayer, halte ich für eine leichte Unterstellung. Mir ist die Verpflichtung zur Förderung der Erwachsenenbildung in der Landesverfassung sehr wohl bekannt. Ich bekenne mich da

zu. Dennoch: Hier von „legal“ oder „doch nicht legal“ zu reden scheint mir überzogen.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Ist Ihnen bekannt, wie die Voraussetzungen für eine Haushaltssperre aus- sehen?)

Meine Damen und Herren, die FDP/DVP bekennt sich zu dem hohen Stellenwert der Weiter- und der Erwachsenenbildung. Das haben wir schon immer getan. Wir bekennen uns zum Bildungsauftrag der Volkshochschulen und der weiteren Einrichtungen, die gemäß diesem Auftrag ein Angebot für alle Bevölkerungsgruppen machen sollen, woraus unter anderem folgt, dass man in der Tat nicht beliebig an der Gebührenschraube drehen kann.

(Abg. Christoph Bayer SPD: Was Sie seit zehn Jahren tun!)

So weit sind wir uns einig.

In diesem Zusammenhang wiederhole ich gern, dass ich, wie ich bereits in der letzten Debatte zu diesem Thema ausgeführt habe, zusammen mit meiner Fraktion wahrlich nicht glücklich bin über einen Finanzierungsanteil der Volkshochschulen

(Abg. Norbert Zeller SPD: Legen Sie einmal ein Veto ein!)

von gut 50 % durch Teilnehmergebühren, Herr Zeller – gut 50 % nur Teilnehmergebühren.

Ich kenne die in der Landesverfassung verankerte Verpflichtung von Staat, Gemeinden und Landkreisen, die Erwachsenenbildung zu fördern. Niemand von uns will dies ignorieren und sich hier davonschleichen, auch deshalb nicht, weil sich die Arbeit – dazu bekennen wir uns ganz bewusst – der Volkshochschulen und anderer Weiterbildungseinrichtungen in unserem Land höchster und von uns voll geteilter Wertschätzung erfreuen kann.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das hilft denen nicht!)

Ein Beleg für diese Wertschätzung ist übrigens auch und nicht zuletzt die in Baden-Württemberg mit 36 % – man höre und staune – außerordentlich hohe Teilnahmequote an der Weiterbildung, die mit Abstand über der aller anderen Bundesländer liegt. Bayern liegt mit 30 % auf der zweiten Position; der Bundesdurchschnitt beträgt sogar nur 26 %.

Das alles aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nichts daran ändern, dass ich mich mit meiner Fraktion erneut ohne Wenn und Aber zur Unabweisbarkeit der Konsolidierung des Landeshaushalts bekenne.