Protocol of the Session on October 11, 2006

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Man muss sich vorstellen – ich habe es gesagt –, auf der anderen Seite „streiten“, wie man so schön sagt, Rechte der Betroffenen und auch Rechte auf ein Verfahren, das nach geordneten Spielregeln abläuft. Dazu gehört eben auch, dass das Verfahren ein Stück weit ungestört ablaufen kann, ungestört durch ein ständiges Hineinfunken von außen, durch die Veröffentlichung von Papieren, von Daten aus diesem Prozess. Das müssen Sie akzeptieren. Das tut weder dem Verfahren gut noch vor allen Dingen den Rechten der Betroffenen, die geschützt sind.

Wenn andererseits ein Journalist gezielt dazu anstiftet, dass ein Papier, welches unter dem Schutz des Dienstgeheimnisses steht, insbesondere in einem Strafverfahren, herausgegeben wird, dann zu sagen, dass das strafrechtlich irrelevant sein soll, ich glaube, auf diesem Weg sollte niemand Sie begleiten – um das ganz deutlich zu sagen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das wollen wir auch gar nicht!)

Dasselbe gilt für diese spezielle Vorschrift, die ich auch schon angesprochen habe: Heute steht es unter Strafe, wenn man Auszüge aus Anklagen oder Strafakten wörtlich veröffentlicht. Ich finde es auch richtig, dass man das nicht darf. Wenn wir das zulassen würden, wenn wir die präventive Wirkung dieser gesetzlichen Vorschriften aufheben würden, dann wäre natürlich zu erwarten, dass vor allem in medienwirksamen Verfahren vorab in erheblichem Umfang über Originalschriftstücke aus Strafakten berichtet würde. Die Verfahrensbeteiligten könnten dann versucht sein, durch die selektive Auswahl und Weitergabe von Papieren – selektiv wohlgemerkt – an die Presse die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dann entsteht vor oder während des Prozesses natürlich ein völlig schiefes Bild.

Deswegen sollte man diesen beiden Vorschlägen von Ihnen auf keinen Fall folgen. Im Übrigen bedarf es eines solchen Antrags ohnehin nicht, weil wir längst unterwegs sind.

Wir müssen eine ausgewogene Balance finden – ich glaube, das ist auch gelungen – zwischen dem Interesse der Presse an einer möglichst weitgehenden Begrenzung von strafrechtlichen und strafprozessualen Zugriffen einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Strafrechtspflege und dem Schutz der Bürger, die sich aus guten Gründen auf die Einhaltung des Dienstgeheimnisses verlassen können müssen, andererseits. Diese Balance müssen wir finden. Der Gesetzentwurf findet sie mit seinen maßvollen, abgewogenen Vorschlägen.

Ich bitte alle Sprecherinnen und Sprecher, die vorhin dazu gesprochen haben, jeweils auch in ihren eigenen Fraktionen und Parteien – das bezieht sich jetzt auf die Bundesebene – ein bisschen um Unterstützung für unsere Initiative zu werben. Im Rechtsausschuss des Bundesrats – das war schon ein bisschen erstaunlich – ist niemand anderes mitgezogen. Im Rechtsausschuss waren wir die Einzigen, die zugestimmt haben. Im Kulturausschuss war es anders, da wurde ihr mit 10 : 3 : 3 Stimmen zugestimmt. Ich hätte in Ihre Richtung den Vorschlag: Bitte nicht nur hier mit uns reden, sondern auch in andere Richtungen, damit der Vorschlag in Berlin eine möglichst breite Mehrheit findet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer.

(Minister Heribert Rech: Oh, der ist ja doch da!)

Ja, klar. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch zwei kurze Bemerkungen.

Herr Minister, es ist natürlich richtig, dass Sie jetzt eine Bundesratsinitiative einbringen. Es wäre einfach ein gutes Geschäftsgebaren – ich sage das noch einmal, weil mich das ärgert –, wenn Sie, wenn wir diese Frage im Ausschuss diskutieren, die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss mit der Bundesratsinitiative „füttern“ würden. Das wäre einfach ein ganz kollegialer Akt. Mehr erwarte ich da ja gar nicht. Aber dass Sie das jetzt im Parlament noch zum Thema machen, finde ich einfach unangemessen.

Ein zweiter Punkt: Natürlich hat unsere Initiative Wirkung gezeigt. Man kann natürlich sagen, Sie hätten Ihre Bundesratsinitiative sowieso gemacht. Aber unser Antrag, der vom 19. Juli 2006 datiert, beinhaltet unter anderem all die Dinge, die Sie jetzt als Bundesratsinitiative einbringen. Fairerweise sollten Sie auch dazusagen, warum das im Prinzip vertagt worden ist, nämlich einfach deshalb, weil jetzt die Anhörung in Berlin stattfinden soll. Deswegen können Sie sicher sein, dass Sie bei den wenigen Punkten, die Sie mittragen, natürlich auch unsere Unterstützung haben werden. Das ist selbstverständlich; das ist überhaupt keine Frage.

Ein allerletzter Punkt sei noch einmal angesprochen: Herr Minister, man muss sich doch einmal klarmachen, wer bei

dem Tatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses der eigentliche Täter ist. Das sind ja nicht die Journalistinnen und Journalisten, sondern es ist der jeweilige Amtsträger. Wenn der Amtsträger Dokumente herausgibt, dann ist der Tatbestand ja schon vollendet.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ich glaube, wir sind uns einig, dass man nicht die strafrechtliche Verfolgung von Teilnahmehandlungen wie Beihilfe ermöglichen sollte. Leider haben Sie in Ihrer Bundesratsinitiative – ohne dass ich sie kenne, weiß ich es – nicht das Begehren aufgenommen, dass die Beihilfehandlung dort herausfallen soll.

Im Übrigen muss – auch weil das Gesetz das explizit vorschreibt – von den Amtsträgern eingefordert werden, dass sie bei dem Verlangen von Journalistinnen und Journalisten auf Herausgabe von Informationen knochenhart sind und Nein sagen. Deswegen sagen wir: Zum Schutz der Pressefreiheit brauchen wir keine Strafbarkeit von Teilnahmehandlungen.

Diese Debatte können wir dann gerne – ich hoffe, die CDUFraktion stimmt der Überweisung des Antrags an den Ausschuss zu –, wenn die Verfahren konkret eingestellt sind, noch einmal führen. Ich bin gespannt darauf, was dann aus Ihrer Bundesratsinitiative geworden ist. Vielleicht wird sie dann auch noch etwas ausgedehnt hinsichtlich der Beihilfehandlungen, wenn sich der Kollege Föll vielleicht auch noch zu der Ansicht durchringen kann, dass die Beihilfehandlung bezüglich der Verletzung des Dienstgeheimnisses im Strafgesetzbuch nichts verloren hat. Dann haben wir ein richtig gutes Projekt in Baden-Württemberg hingekriegt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Eines von vie- len!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Fraktion GRÜNE begehrt die Überweisung des Antrags zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss. – Sie stimmen dem zu. Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Rücknahme der Kürzungen bei der Weiterbildung – Drucksache 14/155

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Lehmann.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten uns bereits vor der Sommerpause mit den zehnprozentigen Kürzungen der Landesförderung bei der Weiterbildung beschäftigt. Ich möchte

heute die Antragsbegründung nicht zum Anlass nehmen, nochmals die gleichen Argumente vorzutragen, sondern auf andere Aspekte hinweisen, die in der bisherigen Diskussion etwas zu kurz gekommen sind.

Seit Kurzem liegt uns der neue OECD-Bildungsbericht 2006 „Bildung auf einen Blick“ vor. Hier ist sicher zu vermerken, dass in dieser jährlichen Analyse die Botschaft neu ist, dass Deutschland auch bei der Weiterbildung im OECD-Vergleich nicht mithalten kann. Nach anderen Studien, die wir nach PISA schon zur Kenntnis nehmen mussten, wird deutlich, dass wir offensichtlich auch im Bereich der Weiterbildung erhebliche Defizite haben.

Folgerichtig hat der Bundespräsident in seiner Berliner Rede, die er unter dem Motto „Bildung für alle“ vor Kurzem gehalten hat, die Schlussfolgerung gezogen, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen zu wenig in das Bildungswesen investiert. Ebenso beklagte er die mangelnde Bedeutung der Weiterbildung in unserem Land. Das kann ich nur unterstreichen. Es ist eine Replik auf das, was wir vor der Sommerpause hier diskutiert haben.

Nach dem OECD-Bildungsbericht nahmen im Jahr 2003 in Deutschland lediglich 3 % der Personen mit einem Bildungsabschluss unter der Sekundarstufe II an einer Fortund Weiterbildungsmaßnahme teil. Im OECD-Schnitt waren es 7 %. Das ist mehr als das Doppelte. Das muss uns zu denken geben. Dagegen machen dies hier in Deutschland 24 % der Personen mit einem Bildungsabschluss im Tertiärbereich. Die Vergleichszahl beim OECD-Durchschnitt liegt bei 31 %. Auch in diesem Bereich sind wir hintendran.

Vor diesem Hintergrund müsste der Landesregierung endlich klar werden, dass die neuerlichen Kürzungen bei der Weiterbildung nicht nur unfair gegenüber den Trägern der Weiterbildung sind, sondern auch aufzeigen, dass die Landesregierung ihrem verfassungsrechtlichen und bildungspolitischen Auftrag zur Förderung der Weiterbildung nicht gerecht wird.

Der kontinuierliche Rückzug des Landes aus der Förderung der Weiterbildung führt nach Aussagen des Volkshochschulverbands dazu, dass 20 % der Volkshochschulen ihren Bildungsauftrag nicht mehr richtig wahrnehmen können. Durch die Kürzung der Landesförderung sorgt die Landesregierung dafür, dass Weiterbildung in Baden-Württemberg immer mehr zu einem Luxusgut wird, zu dem bestimmte Teile der Bevölkerung aus finanziellen Gründen keinen Zugang mehr haben.

Ich möchte die erste Runde mit den allgemeinen Ausführungen mit einem Zitat des Bundespräsidenten schließen:

Andere Nationen wandeln sich mit Begeisterung zu Wissensgesellschaften, in denen Lernen und Können als Auszeichnung gelten – Deutschland tut sich schwer damit.

Ich möchte für Baden-Württemberg und die Diskussionen um die Kürzungen, die im laufenden Haushalt bei der Weiterbildung vorgenommen wurden, hinzufügen: Baden-Württemberg tut sich in der Weiterbildung doppelt schwer.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Kurtz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben dieses Thema, wie es Herr Lehmann schon gesagt hat, kurz vor der Sommerpause ausführlich debattiert und die Bedeutung der Weiterbildung hier breit dargelegt und auch die Kürzungen besprochen. Für mich hat sich seither eigentlich überhaupt nichts geändert, nur dass wir jetzt vor den nächsten Haushaltsberatungen stehen und uns im Grunde schon mitten in den Beratungen für den nächsten Doppelhaushalt befinden. Ferner haben wir heute mindestens vier- oder fünfmal gehört, was unser Ziel ist, nämlich die Nullnettoneuverschuldung im Jahr 2011, und dass wir im nächsten Jahr 550 Millionen € und im Jahr darauf 650 Millionen € einsparen wollen. Meine Damen und Herren, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir diese Summen einsparen können, ohne dass es einer merkt. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir das hinbekommen, ohne dass das wehtut.

Ich habe eigentlich immer gedacht, dass wir uns gerade mit Ihrer Fraktion, Herr Lehmann – allein unter dem Stichwort Generationengerechtigkeit –, in diesem Ziel einigermaßen einig wären. Ich habe vor diesem Hintergrund, ehrlich gesagt, überhaupt kein Verständnis dafür, dass wir diesen rückwärtsgewandten Antrag von Ihnen heute noch einmal debattieren müssen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Was ist daran rück- wärtsgewandt? Bildung ist Zukunft!)

Warum müssen wir jetzt eine Haushaltssperre der Regierung vom Juni dieses Jahres, zu der die Regierung legitimiert ist und die auch Sinn macht, noch einmal neu besprechen,

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

während wir jetzt vor den neuen Haushaltsberatungen stehen?

Wir müssen uns wirklich überlegen, wie wir in Zukunft den Verfassungsauftrag der Erwachsenenbildung – da gebe ich Ihnen völlig recht, Herr Lehmann – auf die Beine stellen wollen. Wenn Sie jetzt mit der Weiterbildung und der OECD-Studie kommen wollen, dann müssen wir uns wirklich einmal überlegen, welche Weiterbildung wir eigentlich meinen. Das kann ja nicht L’art pour l’art sein und im Elfenbeinturm stattfinden; Fußpflegekurse und Bauchtanz haben nichts mit Weiterbildung zu tun. Dann müssen wir uns wirklich einmal ganz fundiert überlegen, welche Weiterbildung wir eigentlich meinen.

(Unruhe bei der SPD und den Grünen)

Ich war eigentlich der Meinung, dass wir doch irgendwie noch einen Funken Konsens in dieser Beziehung haben. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wenn ich sonntags in die Kirche gehe und mich der Pfarrer vorn vom Altar aus auf die Unterschriftenlisten hinweist, die ich beim Ausgang unterschreiben soll, um gegen die Kürzungen und die Haushaltssperre zu demonstrieren, dann frage ich mich wirklich, wo wir sind und wo wir in diesem Land noch Konsens haben.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Bei der lebendigen Demokratie!)