Protocol of the Session on October 11, 2006

Ein besonderes Augenmerk unserer Politik muss auf die Demenzerkrankten gelegt werden. Auch hier gilt es, Betreuungskonzepte zu finden, auch das Ehrenamt ein Stück weit einzubinden. Wir haben in unserer Stadt ein hervorragendes Konzept, mit dem wir Menschen ertüchtigen, sich in diesem Feld Kenntnisse anzueignen, um auf der einen Seite zu helfen, wo es notwendig ist, und auf der anderen Seite selbst zu erkennen, wo sich unter Umständen in einer Familie dieses Problem auftut.

Es wird in allem, was wir in den kommenden Wochen in der Haushaltsplanberatung zu besprechen haben, darauf zu achten sein, dass die vielen guten Ansätze erhalten bleiben und dass wir uns, wie ich vorhin schon sagte, dort herausnehmen, wo der Markt es regelt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist richtig!)

Vieles wird sich verändern müssen, aber einen Vorteil haben wir: Die Wanderungsgewinne in Baden-Württemberg sind höher als in anderen Bundesländern, und deshalb wird sich der demografische Wandel hier nicht so brutal bemerkbar machen. Wir müssen nur eines tun: Wir müssen den roten Faden unserer Politik fortspinnen. Wir müssen von der Wirtschaft in deren eigenem Interesse unterstützt werden. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Engagement mitnehmen und dürfen sie nicht angreifen. Die Verwaltung muss sich auf diese Entwicklung fokussieren. Und wir müssen uns viele innovative Gedanken machen, auch bezogen auf die Gesetzgebung. Dann werden wir es schaffen, auch auf diesem Politikfeld eine herausragende und damit beispielhafte Rolle in unserem Land zu spielen. Wir sind es unseren alten Menschen und den Kindern schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Mielich für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stimme mit der CDU überein, wenn sie sagt: Wir brauchen eine Generationenpolitik; wir brauchen eine Politik, die sowohl für die Jungen als auch für die Alten gedacht ist. Ich stimme auch darin überein, dass es in dieser Gesellschaft ein Klima braucht,

das sich verändert und ganz anders ist als das momentane, in dem demografischer Wandel eher als Krise oder als Makel bezeichnet wird. Ich finde, dass es ganz wichtig ist, dass wir sagen: Wir brauchen eine Generationenpolitik, die wirklich alle Menschen betrifft und die vor allem auch die Chancen und das Potenzial, das sich da bietet, nutzt.

Ich meine aber, dass wir dieses Klima erst einmal schaffen müssen. Da hat, finde ich, die Enquetekommission einiges geleistet. Ich bin ja neu hier in diesem Parlament und habe die Arbeit in der Enquetekommission nicht mitbekommen; um so spannender fand ich, ihren Bericht und die Große Anfrage zu lesen. Das, was sozusagen als Geist dieser Enquetekommission herausgekommen ist, kann ich unterstreichen. Ich kann unterstreichen, dass sehr viel Aufmerksamkeit auf die unterschiedlichen Felder gelegt wird, dass sehr viele Ideen vorgelegt und Vorschläge gemacht werden, was man letztendlich tun soll und tun muss.

Wenn ich diese Große Anfrage und die Antworten auf die ganz konkreten Fragen, die darin gestellt werden, lese, stelle ich mit Entsetzen fest, dass da ganz viel Lyrik enthalten ist, dass es da ganz viele Absichtserklärungen gibt, dass aber konkret letztendlich überhaupt nichts passiert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich will das einmal an einzelnen Beispielen auftun. Sie sagen z. B., man müsse ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördern. Klar. Das unterstütze ich voll. Jetzt stellt sich nur die Frage: Wie?

(Abg. Werner Raab CDU: Daran müssen wir arbei- ten!)

Ja. – Wie machen wir das denn jetzt? Dann heißt es: Na ja, das ist erst einmal Aufgabe der Unternehmen. Einverstanden. Aber die müssen natürlich auch unterstützt werden. Dann heißt es, es gebe Förderprogramme. Toll! Wenn ich schaue, was für Förderprogramme es wirklich gibt und wie viele Förderprogramme es gibt, dann lese ich, es gebe 22 Förderfälle mit insgesamt 42 teilnehmenden Personen. Da kann ich sagen: Das, was da auf den Weg gebracht wird, ist ja wirklich eine Maus oder eine Mücke, kann man besser sagen, also wirklich ein Minimum dessen, was gebraucht wird.

Ich will noch ein paar andere Punkte ansprechen. Von Ihnen, Herr Raab, aber auch von Frau Altpeter ist gerade das Thema „Ehrenamtliches Engagement“ angesprochen worden. Das ist ja in Baden-Württemberg immer der Top-Renner. Bei sämtlichen öffentlichen Terminen wird darauf hingewiesen: 42 % der Bevölkerung engagieren sich ehrenamtlich, so viel wie nirgendwo sonst in der ganzen Republik. Das ist wirklich toll – das finde auch ich –, und das muss man unterstützen. Dann muss man es aber auch wirklich unterstützen, also wirklich einmal Taten folgen lassen. Dann darf man aber nicht bei Freiwilligkeitsleistungen immerzu kürzen! Man muss einfach einmal sagen, dass es z. B. im Doppelhaushalt 2005/2006 eine komplette Kürzung bei der ambulanten Altenbetreuung gegeben hat, dass z. B. die Landeszuschüsse für die Fort- und Weiterbildung für die Mitarbeiter in der Altenhilfe ebenso komplett gekürzt worden sind.

Dazu muss man sagen: Das kann so nicht sein. Wenn wir A sagen, wenn wir also bürgerschaftliches Engagement wol

len, müssen wir natürlich auch B sagen und dann auch die entsprechenden Strukturen zur Verfügung stellen, aber auch die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, um das bürgerschaftliche Engagement tatsächlich zu unterstützen. Denn – und das sagen auch alle Leute, die sich ehrenamtlich engagieren – es geht natürlich auch um eine Anerkennung und eine Wertschätzung, aber letztlich auch darum, dass Strukturen geschaffen werden, die das bürgerschaftliche Engagement insgesamt erleichtern.

Gerade bei einem Thema wie der Altenbetreuung ist es total wichtig, Nachbarschaftshilfe zu organisieren. Das ist gerade im ländlichen Raum ein ganz wichtiger Punkt, z. B. bei der ambulanten Pflege. Dann muss man die aber auch unterstützen! Da kann man doch nicht einfach die Strukturen kaputt machen, sondern muss denen auch Mittel zur Verfügung stellen!

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Bei der Familien- und der Dorfhilfe ist es ganz genauso. Da kann man, finde ich, nicht einfach hingehen und sagen: Wir machen nur diesen ersten Schritt, und den zweiten machen wir nicht. Es darf also nicht so sein, dass wir nur sagen, was wir alles toll finden und welche tollen Maßnahmen wir ergreifen wollen, dass aber dann, wenn es letztendlich darum geht, auch die Strukturen zu unterstützen und die entsprechenden Maßnahmen zu treffen, leider nichts passiert.

Dann kommt noch so ein Punkt, bei dem sich dieses Land und diese Landesregierung von Baden-Württemberg, denke ich, kleiner machen, als es eigentlich nötig wäre. Es ist z. B. völlig klar, dass wir ein neues Heimrecht brauchen, und durch die Föderalismusreform haben wir auch tatsächlich die Chance, ein neues Heimrecht auszugestalten. Aber dann heißt es, bei der ambulanten Pflege sei gar nicht unbedingt das Heimrecht, sondern das Leistungsrecht das Thema. Dann sagen ich Ihnen: Machen Sie doch einmal Nägel mit Köpfen! Machen Sie doch einmal eine Bundesratsinitiative mit der Zielsetzung, dass die Pflegeversicherung Bestandteil der Krankenversicherung wird! Sie haben im Bundesrat die Mehrheit. Sie könnten das hinkriegen. Dann gäbe es diese großen Verwerfungen vor Ort nicht, wenn es darum geht, tatsächlich die Leistung für die betroffenen Menschen zu bezahlen.

Ich finde – und das ist das Fazit; damit komme ich zum Schluss –, wenn wir die Vorschläge der Enquetekommission wirklich ernst nehmen, dann müssen wir hingehen und sagen: Bei den kommenden Haushaltsberatungen kürzen wir nicht bei den Freiwilligkeitsleistungen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements. Das ist der Punkt 1.

Punkt 2: Wir nehmen dieses Monitoring-Verfahren, das bei der Enquetekommission verabschiedet worden ist, sehr ernst. Daher müssen wir bei der Umsetzung all dieser geplanten Maßnahmen auch die Organisationen und die Initiativen vor Ort mit ins Boot holen und sagen: Wir brauchen ein gemeinsames Konzept, um dann tatsächlich auch für die Menschen, für die Kinder, für die Familien und für die Alten vor Ort ein gutes Konzept hinzukriegen.

Schönen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich erteile das Wort Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass sich in der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ teilweise auch fraktionsübergreifende Mehrheiten zu bestimmten Sachfragen gebildet haben. Ich darf schon noch einmal daran erinnern, dass ich nach wie vor dankbar bin, dass der Vorschlag der FDP/DVPFraktion, diese Enquetekommission überhaupt zu installieren, ganz breite Zustimmung gefunden hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Oh- Rufe von der SPD)

Ja, das darf man ja noch einmal sagen.

Jetzt zum Verständnis dieser Enquetekommission: Ich war auch der Meinung, dass es nicht sein kann, dass man viel Lyrik zusammenträgt und dass man das dann am Ende der Legislaturperiode in der Schublade verschwinden lässt, in der man, wenn man einmal bei der Vorbereitung von Grußworten ist, wenn man bei Senioren oder sonst wo redet, noch einmal nachguckt, was wir denn damals hierzu gesagt haben. Vielmehr haben wir in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, dass wir zur Mitte der Legislaturperiode einmal eine Bestandsaufnahme machen, was zu Beginn dieser Legislaturperiode Stand der Dinge war und was wir von den Empfehlungen der Enquetekommission umgesetzt haben.

Ich finde es auch richtig, dass wir in Person der Frau Professor Hübner eine Staatsrätin für die Aufgabe der Leitung des Kabinettsausschusses „Demografischer Wandel und Seniorinnen/Senioren“ benannt haben, der in der Tat alles, was mit demografischen Entwicklungen zusammenhängt – das sind eigentlich mehr oder weniger alle Politikfelder – an einer Stelle konzentriert und dann in einer Art Monitoring überprüft, inwieweit die Konsequenzen, die wir ja gemeinsam in der letzten Legislaturperiode erkannt und beschlossen haben, auch in reales Gesetzeshandeln umgesetzt werden.

Aber, liebe Kollegin Altpeter, so arg viele Sitzungen hatten wir noch nicht – die Legislaturperiode ist noch relativ jung –, und deshalb tue ich mich ein bisschen schwer, jetzt schon zu sagen, sie habe eigentlich bisher keinen Erfolg gehabt. Schon jetzt ein Urteil diesbezüglich zu fällen – vor einem knappen halben Jahr hat sie überhaupt erst mit ihrer Arbeit begonnen, und wir haben in dieser Legislaturperiode bisher noch relativ wenige Gesetze verabschiedet – halte ich nun in der Tat für verfrüht.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Fangen Sie doch endlich mal an! – Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD)

Zweiter Punkt, zum Selbstverständnis: Wer geglaubt hatte, als Opposition ein schönes Nachschlagewerk zu haben, um bei Haushaltsberatungen sagen zu können: „Das könnten wir noch machen, und das könnten wir noch machen“ – sprich noch mehr Geld und noch mehr Geld –, der hat das missverstanden. Die Enquetekommission hat vielmehr gesagt, dass es darauf ankommen wird, dass wir die faire Verteilung von Lasten zwischen den Generationen im Auge be

halten. Wenn wir uns hier und auch in der Koalition über eines einig sind, dann ist es das: Wenn wir irgendwo mehr Geld brauchen, dann lasst uns erst einmal nachschauen, ob wir möglicherweise an anderen Stellen bestimmte Dinge, die einmal richtig waren, verändern können, bevor wir über Schulden neue Dinge draufsatteln. Das wird so nicht gehen. Das also auf jeden Fall als Prämisse.

Jetzt will ich konkret etwas – man hat ja nicht so furchtbar viel Zeit bei diesem umfänglichen Thema – zum Thema „Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ sagen, das Sie zu Recht sehr in den Mittelpunkt gestellt haben.

Hierzu muss ich nun sagen: Wer jetzt das, was an vielfältigen Maßnahmen hier geschildert wurde – man kann ja alles nachlesen –, was insbesondere der Wirtschaftminister bisher schon zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemacht hat und was ja beschlossen ist – dass man in der neuen Förderperiode ESF-Mittel gezielt eher in diesem Bereich einsetzen wird –, kleinredet, der muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass das natürlich zunächst einmal originäre Aufgabe der Betriebe ist und übrigens auch Aufgabe des Landes ist, dort, wo es Arbeitgeber ist. Ich kann den Leuten nicht erzählen: „Ihr müsst künftig länger arbeiten“, ohne dafür zu sorgen, dass sie gesundheitlich und durch Entwicklungen in der Berufswelt dazu befähigt werden, tatsächlich länger zu arbeiten.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Deswegen will ich einfach einmal daran erinnern, dass wir z. B. dort, wo es uns angeht, nämlich bei Lehrern, intelligente Ansätze finden müssen,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Kürzungen bei der Weiterbildung!)

wie wir den Trend stoppen können, dass Menschen mit Burn-out-Syndrom vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden müssen. Wir müssen jetzt aufgrund der Vorschläge, die z. B. auch von der GEW vorgelegt werden, schnell in die Gänge kommen, dass wir dies tatsächlich tun.

Im Übrigen ist das zunächst einmal originäre Aufgabe der Betriebe, der Wirtschaft, weil sie daran ein Eigeninteresse haben muss. Aber es muss uns auch gelingen, in der politischen Diskussion klarzumachen: Es kann nicht sein, dass ihr ab einem bestimmten Alter sagt: „Ach, den brauchen wir nicht mehr lange; es lohnt sich nicht mehr, ihn fortzubilden.“ Es wäre ein Skandal, wenn man so denken würde. Aber man hat offensichtlich teilweise so gedacht, und dort, wo dies so ist, müssen wir das ändern. Politik ist auch dazu da, bewusstseinsbildend zu wirken und dann auch dafür zu sorgen, dass der Einzelne seine Bereitschaft zum Lernen mitbringt. Die legen wir übrigens hoffentlich schon in der Kindheit und in der Jugend an. Es geht nicht, den Menschen zu sagen, es reiche aus, einmal eine Ausbildung abzuschließen. Man kann nicht sagen, das werde schon reichen. Vielmehr muss man lebenslang lernen, und dafür wiederum sind die erforderlichen Strukturen zu schaffen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Deshalb kürzt ihr die Mittel beim lebenslangen Lernen! Wie toll! Ihr seid klasse!)

Nicht alles ist zunächst einmal Staatsaufgabe. Vielmehr ist es auch eine originäre Aufgabe der Betriebe.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Deshalb auch die niedrigste Förderung!)

Zu einem weiteren Thema, das Sie angesprochen haben. Wenn man jedes Problem damit zu lösen versucht, dass man fragt: „Wie kann ich über Zuschüsse z. B. an einen Betrieb die Beschäftigung älterer Menschen erhöhen?“, nimmt man die älteren Menschen doch sozusagen als Geiseln; denn dann wird gesagt: „Wenn ihr mir keine Zuschüsse zahlt, entlasse ich ihn. Dann stelle ich einen Jungen ein.“ Da muss man schon einmal über neue Möglichkeiten nachdenken und aufpassen, dass man nicht gut Gemeintes macht, was sich aber im Endeffekt zulasten der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auswirkt.

Ein zweites Beispiel: Freiwillige Leistungen beim bürgerschaftlichen Engagement werden wir gerade nicht kürzen. Wir sind uns alle einig, dass es bei der Haushaltsaufstellung nicht darum geht, die wenigen Mittel, die wir für die Stützung und Förderung bürgerschaftlichen Engagements einsetzen, in 10-%-Schritten wieder abzuschmelzen. Nein, Sie werden, wenn der Haushalt vorliegt, sehen, dass wir das an dieser Stelle gerade nicht tun.

Noch etwas zum Thema „Bürgerschaftliches Engagement“: Wenn Sie den Eindruck erwecken, bei den Älteren herrschten hier Defizite, darf ich Ihnen schon sagen: Alle Erfahrungen sprechen dagegen. Sie brauchen nur einmal in Vereine zu gehen, um das zu sehen. Dort gibt es Probleme, junge Menschen an bürgerschaftliches Engagement heranzuführen. Die Älteren sind sehr, sehr stark überrepräsentiert. Es ist ja manchmal das Problem, dass von den Jungen nichts nachkommt. Deshalb sollte man nicht Jung gegen Alt ausspielen, sondern die Menschen befähigen, aufeinander zuzugehen.

(Zuruf der Abg. Marianne Wonnay SPD)

Es ist doch manchmal das konkrete Problem, dass die Jungen sagen: „Wenn die Alten da sitzen und etwas miteinander machen, ist das nicht unser Ding.“