Protocol of the Session on March 10, 2010

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Reichardt hat es gerade gesagt: In der Stadt Hockenheim plant einer der größten Steuerzahler dort eine Erweiterung seines Betriebs. Das ist eine erfreuliche Angelegenheit, denke ich.

Erweiterung bedeutet aber auch, dass man mehr Platz und mehr Fläche benötigt. Auf der infrage kommenden Fläche – es handelt sich um rund 5 466 ha – steht Staatswald.

(Zuruf von der CDU: 5 000 ha? – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das stimmt nicht!)

Entschuldigung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das macht nichts!)

Sie kennen die Größenordnung. – Niemand wird leichten Herzens Staatswald veräußern, auch in Hockenheim nicht. Deshalb wurde lange und sehr gründlich und auch ausführlich im Gemeinderat diskutiert.

Weil durch den Umbau des Hockenheimrings – manche werden sich noch daran erinnern – schon einmal über viel Wald diskutiert werden musste, ist man gerade in Hockenheim besonders sensibel, wenn es um das Fällen von Bäumen geht. Aber einer Firma, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, Erweiterung im ökologischen Sinn vorzunehmen, steht dann auch ein Gemeinderat in Hockenheim positiv gegenüber.

(Zuruf: Sehr gut!)

So wurde dem Antrag der Stadt Hockenheim auf Erweiterung des Gewerbegebiets öffentlich-rechtlich zugestimmt. Die zu veräußernde Fläche unterteilt sich in eine künftig bebaubare Fläche mit rund 49 620 m2 und eine Waldfläche mit rund 5 037 m2.

Nach dem Erwerb der Fläche wird die Firma im Rahmen ihrer Erweiterung mit EU-geförderten Maßnahmen den bereits

bestehenden Eisenbahnanschluss verlängern – Kollege Rei chardt hat es schon gesagt –, um damit den Haupttransport über die Schiene abwickeln zu können. Das ist eine, denke ich, sehr ökologische und von den Grünen sicher begrüßte Maßnahme.

(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Knapp SPD: Ja, gut! Gute Firma!)

Deshalb muss es eben genau dieses Grundstück sein – kein anderes. Außerdem soll ein Großteil der neuen Fläche mit Fotovoltaikanlagen bestückt werden. Dass es einen Gemeinderatsbeschluss gibt, der der Firma zur Auflage macht, auf einer gleich großen Ausgleichsfläche Wiederaufforstung zu betreiben, und außerdem – auch das hat der Kollege gerade gesagt – 20 bis 25 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, hat es dem Gemeinderat dann doch relativ leicht gemacht, diese Entscheidung zu treffen.

Die Offenlage der Maßnahme ist bereits abgeschlossen und der Bebauungsplan in Vorbereitung. Es ist eigentlich kein Grund erkennbar, warum diesem Antrag nicht zugestimmt werden sollte. Deshalb wird die SPD genau dies tun, nämlich dem Antrag zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pix für die Fraktion GRÜNE.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist wieder hart, wenn man so allein ist! – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Allein im wilden Wald!)

Jetzt hören Sie doch erst einmal zu, was ich zu sagen habe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ein Stück weit symbolträchtig: Es geht um einen Antrag des Finanzministeriums zu einem Grundstück im Gewann Kiesgrube 1. Unterschrieben ist der Antrag von Herrn Staatssekretär Fleischer.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Oh, das ist gefährlich! – Abg. Karl Klein und Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was soll das? – Abg. Alfred Winkler SPD: Es geht um Wald und nicht um Kies! – Abg. Thomas Knapp SPD: Aber die Bäume sind noch nicht versteinert!)

Ich sprach von einem Symbol. Warum das so ist, werden Sie gleich sehen. Denn es geht hier, sehr geehrte Damen und Herren, schließlich um nichts anderes als um den Verkauf von über 5 ha Staatswald.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Geplant ist die Ausdehnung einer in Hockenheim ansässigen Firma. Das ist selbstverständlich legitim. Das ist auch deswegen legitim, weil die entsprechende Firma schon lange in der Region ansässig ist, Arbeitsplätze sichert und Gewerbesteuer bezahlt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Also! Prima! Dann einfach zustimmen und fertig! – Weitere Zurufe)

Das Land will also dem Waldverkauf und damit einer Rodung zustimmen.

(Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Wir fragen uns: Wie hat das Land abgewogen? Insbesondere fragen wir uns: Gibt es eine Alternative, und, wenn ja, wurde diese geprüft?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

Bei der Bewertung dieses Vorgangs, der hier quasi klammheimlich und ohne Aussprache durch das Parlament ablaufen sollte,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bitte? – Unruhe)

mussten wir Grünen leider feststellen:

(Zuruf des Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU)

Es gibt eine ernsthafte Diskussion über die Nutzung einer alternativen Fläche. Vor diesem Hintergrund haben wir den Gesamtvorgang geprüft. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen regionalen Grünzug und gleichzeitig um einen schutzbedürftigen Bereich für die Forstwirtschaft.

(Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Falsch! Einfach falsch! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, seien Sie noch eine Weile ruhig. Wir haben es bald geschafft.

Der Raum bei Hockenheim ist hoch verdichtet. Die restlichen Wälder besitzen daher für die Luftqualität, für das Lokalklima und damit für die Lebensqualität der Menschen eine besondere Bedeutung.

Die Landesregierung strebt angeblich den Nullnettoflächenverbrauch an. Die Realität stünde dem bei einer Bebauung allerdings diametral entgegen.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Die Bedeutung des Waldes wurde heute schon von Forstminister Köberle erwähnt. Für die Grundwasserneubildung, den Klimaschutz, den Bodenschutz, die biologische Vielfalt und die Holzproduktion hatte der Wald in den Augen des ehemaligen Agrarministers Peter Hauk offensichtlich keine vorrangige Bedeutung. Denn die Landesregierung will 5 ha Wald roden lassen und die Fläche asphaltieren lassen, obwohl in unmittelbarer Umgebung eine geeignete Alternativfläche besteht, die – dies hat übrigens auch Frau

(Abg. Thomas Knapp SPD: Grünstein! Rosa Grün- stein! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Grünstein! Passend zu Ihnen! – Vereinzelt Heiterkeit)

Grünstein gesagt – auch durch diese Eisenbahnschiene erschlossen ist. Dabei hat die dortige Region inklusive der Gemeinde Hockenheim durch den Bau der B 36 und der Schnellbahntrasse bereits über 100 ha Wald verloren.

(Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Dummes Ge- schwätz!)

Zu welchem Ergebnis kommt nun der von der Stadt Hockenheim selbst beauftragte Gutachter? Die Bebauung ist kritisch bis unvertretbar. Der Vorgang in Hockenheim ist bisher leider exemplarisch dafür, dass die Regierung manchmal grün redet und meist schwarz handelt.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Haben Sie Al- ternativen?)

Auch für das Land gilt die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Aber auch diese wird „weggewogen“. Wir Grünen stehen für die Erhaltung des Waldes bei Hockenheim. Wir stehen für eine naturverträgliche Wirtschafts- und Industriepolitik. Behaupten Sie nicht, dass es keine Alternative gäbe. Behaupten Sie nicht, dass das Gelände der Firma Braas als Ersatzgelände ungeeignet wäre.

(Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Doch! Völlig un- geeignet!)

Wir haben die Eignung des Alternativgeländes der Firma Braas von Fachleuten überprüfen lassen. Diese kommen zu dem Ergebnis: Das Gelände ist geeignet.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Herr Minister Köberle, Sie sind neu im Amt. Sie waren mit diesem Vorgang bisher noch nicht betraut. Sie können die Situation und die Alternativen völlig unbefangen prüfen. Wir bitten Sie und fordern Sie auf: Stoppen Sie als neuer Forstminister den Waldverkauf, und bemühen Sie sich um sinnvolle Alternativen, die sowohl der Lebensqualität der Menschen als auch der Erhaltung der Arbeitsplätze, als auch dem Klima- und dem Naturschutz dienen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sind Sie von der Holzindustrie?)