Protocol of the Session on January 19, 2010

Dann sollen 20 % der dann noch benötigten Energie – nicht Strom, sondern Gesamtenergie – regenerativ erzeugt werden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das machen wir doch alles!)

Das ist meilenweit, Herr Kollege Röhm, von der Energiekonzeption der Landesregierung Baden-Württembergs entfernt. Meilenweit!

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Jawohl!)

Sie haben sich vorgenommen, 20 % des Stroms bis zum Jahr 2020 regenerativ zu erzeugen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Der Strom bietet aber das größte Potenzial im Rahmen von regenerativ erzeugter Energie. Wenn Sie im Durchschnitt auf einen Anteil von 20 % regenerativ erzeugter Energie kommen

wollen, dann müssen Sie beim Strom bei mindestens 35 % sein. Das ist auch die europäische Dimension.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da haben wir auch noch Potenzial!)

Dem hat der Ministerpräsident zugestimmt. Er hat gesagt, das wolle er machen. Er hat noch etwas gesagt: Er wolle als europäischer Energiekommissar denjenigen Ländern auf die Beine treten, die diese Konzeption nicht umsetzen.

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Dann wird es eng!)

Da sage ich: Herr Ministerpräsident Oettinger bzw. Herr zukünftiger Energiekommissar, da können Sie sich bei Herrn Mappus anmelden, um ihm die Hammelbeine langzuziehen, wenn nicht energiepolitisch in Baden-Württemberg endlich etwas passiert.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Dann wird es eng für Herrn Mappus!)

Ich will zum Schluss noch einmal an die Haushaltssituation in Baden-Württemberg anknüpfen. Sie haben die zögerliche Herangehensweise an die Aufstellung des Haushalts damit begründet, dass Sie die Steuerschätzung im November und die Haushaltsbeschlüsse der Bundesregierung abwarten wollten, um diese gleich in den Entwurf einzuarbeiten. Dabei war schon vorher klar, dass 3 Milliarden € im Haushalt von 2010 und 3 Milliarden € im Haushalt von 2011 fehlen. Grundlage dafür war die Steuerschätzung im Mai.

Sie hätten sich an die Arbeit machen können; denn diese 3 Milliarden € sind nicht konjunkturell bedingt – allenfalls die Hälfte. Wenn Sie, Herr Mappus, darauf hinweisen und sagen, es sei eine ganz schwierige Konjunkturlage, dann sage ich Ihnen, dass die Hälfte des Defizits im Jahr 2010 und die Hälfte des Defizits im Jahr 2011 strukturell bedingt sind. Das sind jeweils 1,5 Milliarden €. Sie hätten also längst an die Arbeit gehen können.

Aber das, was Sie beim Haushalt gemacht haben, ist, die Aufstellung vor sich herzuschieben, sich noch immer an der Nettonull festzuklammern, zu sagen, Sie versuchten alles. Dies alles zeigt doch: Es ging Ihnen mehr um den Eindruck einer soliden Haushaltspolitik als um eine konsequente Haushaltspolitik bei der Aufstellung des Haushalts und in der Diskussion darüber, und es ging Ihnen auch nicht darum, sich mit den realen Fakten zu beschäftigen.

Sie haben das Thema bis in dieses Jahr geschoben. Heute diskutieren wir zum ersten Mal darüber, obwohl die baden-würt tembergische Landesverfassung gebietet, dass der Haushalt im Jahr vor seinem Inkrafttreten verabschiedet wird. Das zeigt eine Schwäche Ihrer ganzen Regierungszeit: Sie sind nicht bereit, den Realitäten ins Auge zu schauen, sondern Sie schieben die Dinge vor sich her, bis es nicht mehr anders geht. Heute liegt der Scherbenhaufen auf dem Tisch, aber nicht nur für die Jahre 2010 und 2011, sondern auch für die Jahre 2012 und 2013.

(Widerspruch bei der CDU)

Sie bleiben jede Antwort darauf schuldig, was in den Jahren 2014 und 2015 passieren soll, um die Höhe der Schulden zu reduzieren. Auf die Bremse treten allein reicht nicht, sondern man muss mit den Menschen ehrlich umgehen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wet- zel FDP/DVP)

Zum ehrlichen Umgang gehört, zu sagen, dass die Verschuldungssituation des Landes Baden-Württemberg

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

im Vergleich zu anderen Bundesländern mitnichten besser ist. Ich zitiere hier Herrn Gerhard Stratthaus:

Wir haben eine relativ gute Kapitalmarktverschuldung – hinter Bayern und Sachsen liegen wir auf Rang drei. Wenn man aber die künftigen Kosten der Beamtenpensionen hinzunimmt, rutschen wir auf den letzten Platz... der Flächenländer.

(Abg. Ingo Rust SPD: So ist es! Letzter Platz!)

Auf den letzten Platz! Wenn wir jetzt noch dazunehmen, was Sie auf unsere Anfrage, wie viel Sanierungsstau wir in BadenWürttemberg haben, geantwortet haben – das sind ja nur versteckte Schulden; das sind Dinge, die man eigentlich machen müsste, die man aber nicht macht, sondern vor sich herschiebt; das sind versteckte Schulden –, dann kommen noch einmal 8 Milliarden € aufgrund des Sanierungsstaus in Baden-Würt temberg hinzu. Das zeigt, dass Baden-Württemberg in einer so prekären Situation ist wie kein anderes Flächenland. Dies unterstreicht noch einmal, dass Sie, Herr Oettinger, mit Ihrer Haushaltspolitik vollständig gescheitert sind.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE)

Jetzt will ich zum Schluss ein letztes Zitat bringen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Es ist vielleicht das letzte Mal, dass Herr Stächele als Finanzminister zitiert wird,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

wenn man Ihre Einlassungen, Herr Mappus, zur Kenntnis nimmt, wonach Sparvorschläge nach der Aufstellung des Haus halts nicht mehr erwünscht sind. Herr Stächele hat neulich in einer Pressemitteilung seines Ministeriums verkündet:

Die Forderung nach groß angelegten Steuersenkungen

ab 2011 –

gefährdet die Glaubwürdigkeit der Politik und hat gerade nichts mit Verlässlichkeit zu tun.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Recht hat er!)

Da hat er recht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das unterstreicht aber, dass Ihrer Regierung, dass der Regierungskoalition jeglicher rote Faden abhanden gekommen ist.

(Zurufe der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke und Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Es geht drunter und drüber, was das Thema Steuersenkungen anbelangt. Es geht drunter und drüber, was die Verlässlichkeit in der Bildungspolitik anbelangt. Es geht drunter und drüber, was Zusagen anbelangt, z. B. an Eltern von Kindern, die eine Privatschule besuchen. Auf nichts ist Verlass. Es gibt keine Perspektive. Sie sind mit Ihrer Politik am Ende.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei den Grünen – Zuruf von der SPD: Bravo! – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ein „Herumgeschmiedel“!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die öffentlichen Haushalte stehen auf der Kippe. Sie stehen auf der Abbruchkante zur Schuldenfalle. Das gilt in Baden-Würt temberg genauso wie in anderen Bundesländern. Es nützt nichts, darauf hinzuweisen, dass wir angeblich besser dastünden. Das ist erstens nur bei einer kameralistischen Sicht der Fall.

Zweitens kommen wir nur langsamer in die Schuldenfalle. Aber Kollege Schmiedel hat gerade darauf hingewiesen: Wenn man die versteckten Schulden, nämlich die Pensionskosten, dazunimmt, ist es überhaupt nicht so. Ich erinnere daran, dass wir von jetzt 3,5 Milliarden € Pensionszahlungen im Jahr 2020 schon bei 6 Milliarden € sein werden. Allein das ist eine dramatische Zahl.

Ich sage hier allen, die vonseiten der Regierungsfraktionen bisher geredet haben: Wenn man diese Situation weiterhin schönredet, wie Sie es gemacht haben, dann wird es zu spät sein, und dann nähern wir uns ganz schnell dem Point of no Return.

(Zuruf von der FDP/DVP: Wo ist der?)

Dann werden wir immer mehr Zinsen für die Schulden zahlen müssen.

Nüchtern betrachtet: Wenn wir die Dinge so treiben lassen – danach sieht es nach dem Haushalt, den Sie uns vorgelegt haben, und nach dem, was wir hier vom Kollegen Mappus gehört haben, aus –, dann ist jedenfalls eines sicher: Wir werden im Jahr 2020 doppelt so viele Schulden haben und mindestens doppelt so viel an Zinsen zahlen müssen. Ich erinnere daran, dass wir in einer Niedrigzinsphase sind. Wenn die Zinsen um einen Prozentpunkt stiegen, würde der Landeshaushalt dadurch um weitere 400 Millionen € jährlich belastet. Das wäre wirklich eine dramatische Entwicklung.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wird die Schuldenbremse im Grundgesetz belassen; dann müssten aus dem Haushalt nicht 2 Milliarden €, wie jetzt, sondern 4 Milliarden € für den Schuldendienst herausgepresst werden. Das entspricht der Größenordnung des Etats des Innenministeriums.

Es wird wohl niemand glauben, dass das tatsächlich zu machen ist.