Protocol of the Session on December 10, 2009

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Zu- ruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Deswegen können wir nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren,

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

sondern wir müssen schon über die Risiken und Chancen unseres Standorts debattieren. Natürlich sind die Dollarschwäche und die Stärke des Euro ein Problem. Natürlich kann es uns nicht gefallen, dass der Bundesstaat Alabama 100 Millionen Dollar an Daimler zahlen will. Ich würde an deren Stelle lieber Euro nehmen. Es kann uns auch nicht gefallen, dass die Amerikaner nach wie vor Einfuhrzölle auf Automobile erheben.

Deswegen glaube ich schon, dass wir einen Branchenrat für die Automobil- und Zulieferindustrie mit der Bundeskanzlerin, mit den Ministerpräsidenten, mit den Gewerkschaften, mit den Zulieferern, mit den großen Automobilfirmen und mit Wissenschaftlern benötigen. Denn es geht schon darum, jetzt die Richtung einzuschlagen, die wir benötigen, um die Entwicklung und Produktion der neuen Generation der Automobile in die Hand zu nehmen.

Ich denke, die Entscheidung von Daimler kann von der Politik nicht revidiert werden. Ich glaube, das behauptet auch niemand in der SPD.

Herr Schmiedel, von der SPD erwarten wir in dieser Fragestellung aber trotzdem etwas mehr Besonnenheit.

(Zurufe von der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Von denen erwarten wir gar nichts mehr!)

Sie schaden unserem Land, wenn Sie auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise den Abgesang des Industriestandorts BadenWürttemberg anstimmen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie haben nicht zuge- hört!)

Baden-Württemberg ist nicht Opfer, sondern Motor dieses Strukturwandels. Wir sind viel zu stark für eine Opferrolle. Herr Schmiedel, Opfer können andere spielen, wir nicht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Peter Hofelich SPD: Das Protokoll vermerkt: „Lust- loses Klatschen“!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Nemeth hat gerade gesagt, wir müssten die Chancen und Risiken des Standorts Baden-Würt temberg betrachten. Da gebe ich ihm völlig recht. Kein anderes Land ist so stark von der Industrie geprägt wie BadenWürttemberg. Die Produktion spielt in keinem anderen Bundesland und nur in wenigen anderen europäischen Regionen eine so starke Rolle wie in Baden-Württemberg.

Wenn man an die Themen denkt, über die bei der Klimakonferenz in Kopenhagen diskutiert wird, dann ist völlig klar, dass es nicht darum gehen kann, den Status quo zu bewahren oder für ein „Weiter so!“ zu plädieren. Vielmehr muss man jetzt die Chancen für Innovation und Wachstum in der Zukunft ergreifen. Das geht nur, wenn wir Wirtschaftspolitik, Innovationspolitik und Klimapolitik zusammen denken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen)

Nun, da wir uns mit dem Thema Automobilstandort – „die Wiege des Automobils“, haben Sie gesagt – intensiv beschäftigen, haben wir in diesen Tagen in Gestalt des „Strukturberichts Region Stuttgart“ wissenschaftliche Unterstützung erhalten. Dieser Bericht steht unter der Überschrift „Entwicklung von Wirtschaft und Beschäftigung – Schwerpunkt: Umbruch in der Automobilregion“. Im Kapitel „Automotive-Clus ter Region Stuttgart: Herausforderung Klimaschutz und Technologiewandel“ heißt es:

Die größten technischen Herausforderungen für die Automobilwirtschaft im 21. Jahrhundert liegen in der Reduzierung bzw. Vermeidung von Emissionen und im sparsamen bzw. effizienten Energieverbrauch.

Meine Damen und Herren, damit wird auch klar, worin die Aufgaben der Zukunft insbesondere für Baden-Württemberg liegen. Wir müssen nämlich Rahmenbedingungen für umweltverträglichere Autos schaffen, für Autos, die weltweit nachgefragt werden. Sie alle haben der Presse entnommen, dass sich VW jetzt an Suzuki beteiligt, um sich am Markt für kleinere, leichtere und effizientere Autos zu positionieren. Das ist der richtige Weg. In diesem Zusammenhang wird in Baden-Württemberg sicherlich auch die Frage nach der Elektromobilität eine wichtige Rolle spielen.

Ich sage dies explizit im Zusammenhang mit der heutigen, von der SPD beantragten Debatte. Dabei geht es darum, dass die Produktion der C-Klasse aus Sindelfingen verlagert werden soll. Auch wir bedauern diese Entscheidung nach wie vor, auch wenn es jetzt erfreulicherweise eine Jobgarantie für 37 000 Beschäftigte geben soll. Sie ist wichtig, richtig und unausweichlich.

Das Thema ist auch deshalb ernst, weil es nicht nur Tausende von Beschäftigten bei Daimler, sondern auch viele Zulieferer und den Automobilstandort Baden-Württemberg insgesamt betrifft.

Die Verlagerung der Produktion der C-Klasse ist ein harter Einschnitt für die betroffenen Beschäftigten und auch für die Beschäftigten in den Zulieferbetrieben. Wenn es jetzt heißt, derzeit ausgelagerte Produktionen würden wieder in das Daimler-Werk zurückverlagert, bedeutet dies, dass anderswo Arbeitsplätze wegfallen.

Insofern ist klar, dass wir alles tun müssen, um in BadenWürttemberg Arbeitsplätze zu erhalten. Wir erwarten auch vom Daimler-Vorstand, dass er gegenüber den Beschäftigten dabei mit offenen Karten spielt. Es wäre auch widersinnig, wenn einerseits die Beschäftigten des Sindelfinger Werks in einer Presseerklärung ausdrücklich für ihre Leistungsbereitschaft und ihre Motivation gelobt werden und dies auf der anderen Seite nicht anerkannt wird.

Aber die Verlagerung der Produktion der C-Klasse ist eben nicht nur ein gravierender Einschnitt für die Beschäftigten, sondern auch für den Automobilstandort insgesamt. Die C-Klas se ist ein wichtiges Produkt. Weltweit wurden im letzten Jahr fast 300 000 dieser Autos verkauft.

Was bedeutet es, wenn hier nun der SL Roadster gebaut werden soll? Das heißt, dass die Mittelklasse geht und der Roads ter kommt. Der Automobilstandort Baden-Württemberg wird von der Nachfrage nach klimaschädlichen und spritfressenden Oberklassefahrzeugen noch abhängiger werden. Das kann nicht in unserem Interesse sein.

(Beifall bei den Grünen)

Ich möchte Ihnen das noch kurz an ein paar Zahlen verdeutlichen. Das kleinste Modell des Mercedes SL verbraucht 9,3 l Sprit auf 100 km und hat einen CO2-Ausstoß von 217 g/km. Das größte Modell verbraucht sage und schreibe 14 l Sprit auf 100 km und verursacht 333 g CO2 pro Kilometer. Das heißt doch ganz klar: Wer mit einem Auto spritsparend fahren will, kann hier nichts mehr kaufen, meine Damen und Herren.

Es wird also viel schwieriger werden, den Automobilstandort für die Zukunft, die von Klimawandel und Ressourcenknappheit bestimmt ist, gut zu rüsten. Für uns ist ganz klar, dass Baden-Württemberg das Musterland für den ökologischen Umbau, dass Baden-Württemberg der ökologische Industriestandort werden muss. Nur so werden in Zukunft Arbeitsplätze gesichert und auch neue geschaffen werden können.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Rülke.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kann überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass es wirklich jeder in diesem Haus bedauert, wenn die C-Klasse aus Baden-Württemberg abwandert.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Die Frage, die sich dabei allerdings stellt, lautet: Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeitsplätze in Baden-Württemberg, und zwar nicht nur auf die Arbeitsplätze bei Daimler, sondern selbstverständlich auch auf die Arbeitsplätze bei der Zulieferindustrie? Vor diesem Hintergrund sind wir froh, dass zumindest bei Daimler eine Arbeitsplatzgarantie erreicht werden konnte.

(Zuruf von der SPD)

Darüber, dass dies bei den Zulieferern nicht ganz ohne Auswirkungen bleibt, muss man sich im Klaren sein. Es macht überhaupt keinen Sinn, sich darüber hinwegzutäuschen. Aber das eine wurde immerhin erreicht.

Herr Schmiedel, jetzt behaupten Sie, die Regierung schaue still zu und tue nichts. Woher wissen Sie so genau, welche Gespräche der Ministerpräsident

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ich weiß es! – Zuruf von der SPD: Er hat mit dem Minister gesprochen!)

oder der Wirtschaftsminister geführt haben? Sie ziehen diesen Schluss, weil der gewünschte Krawall ausgeblieben ist,

weil es beispielsweise Ihre Strategie ist, dass Ihr Freund Hück dorthin geht und weitestgehend sinnfrei, dafür aber lautstark redet? Das hat er mit Ihnen gemeinsam: lautstarke, aber sinnfreie Auftritte.

(Heiterkeit bei der CDU)

Das heißt dann Wirtschaftspolitik. Aber entscheidend ist doch das Ergebnis.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Ergebnis ist eben diese Arbeitsplatzgarantie. Herr Schmiedel, mit den Leuten zu reden – und nicht Krawall zu machen –, das ist eine vernünftige Wirtschaftspolitik.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Den größten Kra- wall machen Sie! – Weitere Zurufe von der SPD, u. a.: Er macht Krawall!)

Sie haben auch gesagt, die Krise erfordere eigenständige Antworten. Was heißt das denn? Das ist wahrscheinlich der „Schmiedel-Fonds“, den Sie vorgeschlagen haben.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Guter Titel!)

Das Land Baden-Württemberg stellt also einen Fonds – wahrscheinlich in Milliardenhöhe – zur Verfügung.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Mit Schulden!)

Denn das, was der Bund anbietet, ist – Sie haben das irgendwann auch so bezeichnet – ein Nasenwasser und lohnt sich überhaupt nicht. Wir stellen also kräftig Milliarden zur Verfügung. Das habe ich doch richtig verstanden? Dann sollen die Banken möglicherweise ohne eigenes Risiko darüber entscheiden, wie sie diese vergeben.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie haben es doch falsch verstanden!)

Sie können es nachher noch einmal erklären. Ihr vorheriger Beitrag war doch wie immer sinnfrei.