Wir beantragen, dass die Landesregierung verpflichtet wird, die Bauaufträge für Stuttgart 21 mittelstandsfreundlich auszuschreiben.
Der Herr Minister muss sich gerade mit anderen Dingen befassen anstatt mit der mittelstandsfreundlichen Ausschreibung.
Eigentlich sollte eine mittelstandsfreundliche Ausschreibung selbstverständlich sein. Wir haben auch ein Mittelstandsförderungsgesetz, aber dieses Gesetz wenden wir im Land leider nicht an. Wir sind da auch gebrannte Kinder. Das Handwerk und der Mittelstand sind gebrannte Kinder, was das Mittelstandsförderungsgesetz angeht. Öffentliche Aufträge – so heißt es dort – sind demnach so zu vergeben, dass sich Handwerk und mittelständische Betriebe an der Ausschreibung beteiligen können. Ich zitiere weiter wörtlich:
Insbesondere sind Leistungen, soweit es die … Voraussetzungen zulassen, so in Lose nach Menge und Art zu zerlegen, dass sich Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft bewerben können.
Tatsache ist: Bei kaum einem großen Projekt der letzten Zeit hatte das heimische Handwerk die Chance, sich direkt am Wettbewerb zu beteiligen.
Tatsächlich hört man, die Größe eine Projekts sei eine Voraussetzung dafür, dieses Gesetz nicht anzuwenden. Deshalb wurde es bei einem 60-Millionen-€-Projekt wie dem Neubau des Innenministeriums nicht angewendet. Hier wird dann der Auftrag nicht in Lose nach Menge und Art zerlegt.
Freilich braucht man dazu eine gute Projektsteuerung. Also hätte der Minister einschreiten müssen und mittelstandsfreundliche Vergaben auch bei Großprojekten einfordern müssen. Aber nein, man muss nur genau auf das hören, was er gelegentlich allen Ernstes sagt. Ich darf einmal aus einer Rede, die er vor einiger Zeit hier gehalten hat, zitieren:
Alle Fachleute sind sich darüber einig: Wenn wir eine Größenordnung der Gewerke bis zu 10 Millionen € haben, dann ist das mittelstandsfreundlich zu gestalten.
Im Klartext bedeutet das: Maßnahmen über 10 Millionen € werden wir nicht mittelstandsfreundlich ausschreiben. Da gilt das Gesetz nicht.
Herr Pfister ist die treibende Kraft für diese Position. Seine Fachleute im Ministerium machen nur, was er selbst vorgibt. Wir verlangen aber: Man muss alles mittelstandsfreundlich ausschreiben.
Die Europäische Zentralbank in Frankfurt hat ursprünglich erwogen, ihr 700-Millionen-€-Projekt des Neubaus ihrer Zentrale in Frankfurt an einen Generalunternehmer zu vergeben, und hat sich dann anders besonnen. Die EU hat nämlich einen sogenannten Small Business Act. Jetzt haben die das in Hunderte von Gewerken und noch mehrfach in Lose nach Menge und Art zerlegt. Das wird jetzt ausgeschrieben, sodass sich Tausende Handwerker im Rhein-Main-Gebiet bewerben können. Nur wir sind dazu nicht in der Lage.
Wir, die SPD, verlangen – der Minister muss sich da korrigieren –, dass wir in Baden-Württemberg endlich mittelstandsfreundlich ausschreiben, Herr Kollege Kluck.
Im Fall von Stuttgart 21 haben wir nicht nur verkehrspolitisch, sondern auch mittelstandspolitisch die große Chance dazu; aber das müssen wir dann auch machen. Allerdings muss es die Bahn machen. Jetzt kommt das große Problem: Die Bahn muss sich besser verhalten als das Land. Denn das Land ist kein gutes Vorbild in dieser Sache. Nur wenn die Bahn mittelstandsfreundlich ausschreibt, haben wir tatsächlich die Chance, dass in angemessenem Umfang auch die Wertschöpfung für dieses Projekt während der Bauzeit bei uns bleibt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Prewo, wenn wir das so machen würden, wie Sie es wollen, dann hätte man ganz „tolle“ Baukostenüberschreitungen und eine Bauzeit, von der niemand wüsste, wann sie endet. Bei der Bahn geht es um ein Vorhaben von 6 Milliarden €. Sie werden dort kein einziges Gewerk finden, das in der Größenordnung von 10 Millionen € liegt – außer sie schreiben Türen und Fenster am Bahnhof einzeln aus.
Zweite Feststellung: Über die Frage der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkung des Baus und des Betriebs dieser Anlagen ist eine volkswirtschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben worden. Sie ist vorgelegt worden, sie ist öffentlich; darüber brauchen wir in diesem Haus jetzt nicht noch 25-mal zu diskutieren. Besser als die können wir es auch nicht, und die irren sich natürlich auch noch heftig genug.
Nächste Feststellung: Das, was jetzt gebaut wird, ist keine Baumaßnahme des Landes, sondern eine Baumaßnahme der Bahn.
Deswegen haben wir keine Möglichkeit der unmittelbaren Einwirkung auf die Frage, wie ausgeschrieben und wie vergeben wird.
Jetzt gibt es allerdings, Herr Prewo, eine gemeinsame Erklärung zur Realisierung der Projekte Stuttgart 21 und Neubaustrecke Wendlingen–Ulm vom 2. April 2009. Darin steht – ich darf wörtlich zitieren –:
die Interessen der mittelständischen Unternehmen angemessen, das heißt insbesondere soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar, berücksichtigen.
Ich meine, damit ist alles gesagt. Ich persönlich habe immer Bedenken, wenn ich das Wort „Mittelstand“ höre. Kollege Karl-Wolfgang Jägel hat ein mittelständisches Bauunternehmen. Er würde nie auf die Idee kommen, sich an Ausschreibungen zu diesen Bahnprojekten zu beteiligen.
Von den größten Bauunternehmen in Baden-Württemberg ist kein einziges allein in der Lage, da etwas zu machen.