Lieber Kollege Rivoir, weder Wernher von Braun noch Albert Einstein – Sie als Ulmer wissen das bestens – hatten in den USA irgendwelche Probleme. Sie hatten zwar keinen Mas ter im Stammland des Masters, den USA, sondern „nur“ ein Diplom, aber die Anerkennung hatten sie trotzdem.
Zum guten alten Staatsexamen: Nirgendwo in der BolognaErklärung findet sich eine Passage, die es verbietet, Berufseingangsprüfungen z. B. des Staates weiterhin zuzulassen – parallel zu Bachelor und Master. Was, bitte schön, ist ein Staatsexamen anderes? Man könnte es, wenn man will, durchaus als staatliche Qualitätsgarantie für den Berufsstand beibehalten. Der Kollege Kleinmann und ich predigen dies seit geraumer Zeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bologna hat eine europaweite Vereinheitlichung gebracht. Das ist für einen europäischen Raum des Wissens unverzichtbar.
Jetzt ist es an der Zeit, die mit Bologna einhergehende Nivellierung auf den Prüfstand zu stellen. Exzellenz kann im akademischen Einheitsbrei nicht entstehen.
Wir müssen den Universitäten und Hochschulen die Türen öffnen, die sie brauchen, um über den Standard hinaus exzellente Abschlüsse zur Verfügung zu stellen.
Wie gehen wir, liebe Kollegin Bauer, mit den Protesten um? Wir haben ein einfaches Rezept: Geben wir Freiheit, lassen wir die Studierenden über die Studieninhalte mitbestimmen, lassen wir sie entscheiden, was mit ihren Studiengebühren geschieht, geben wir ihnen die Möglichkeit, die Angelegenheiten der Studentenwerke selbst zu entscheiden.
Mit der gestrigen Erklärung hat unser Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst den Weg zu einem Dialog ein weiteres Mal gewiesen. Wir wollen diesen Weg gemeinsam gehen und nicht darauf warten, ob die einen oder anderen statt des Marsches durch die Institutionen einen anderen Weg einschlagen. Wir wollen, dass wir sie jetzt in die Institutionen einbinden und mitbestimmen lassen. Gestern ist mit der Ankündigung des Kongresses, der im März stattfindet, das richtige Zeichen gesetzt worden.
Lassen Sie uns gemeinsam mit den Studierenden ein Zeichen für die Freiheit setzen und quasi eine Magna Charta Universitatem Baden-Württembergiensis schaffen.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP zur SPD: Jawohl! Jetzt fällt euch nichts mehr ein!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zehn Jahre nach Beginn des Bologna-Prozesses ist es in der Tat Zeit, Bilanz zu ziehen, sich zu fragen, was gelungen ist, sich aber auch zu fragen, was weniger gelungen ist. Der Bo
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Claus Schmie- del SPD: Das war gegen Bachmann gerichtet! – Ge- genruf des Abg. Klaus Herrmann CDU: Das war ei- ne allgemein richtige Feststellung!)
Warten Sie doch erst einmal ab, warum ich das gesagt habe. – Erstens einmal waren es weit mehr europäische Länder, als der Europäischen Union angehören, die sich auf diesen Prozess verständigt haben. Zum Zweiten waren es alle Bundesländer. Damals gab es zu meinem Leidwesen noch wesentlich mehr A-Länder als B-Länder. Wir haben es geschafft, dass es nicht mehr so ist. Aber das liegt nicht am Bologna-Prozess.
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das kommt wieder! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das haben wir hinter uns! Sie haben es geschafft!)
Drittens waren es die Hochschulen selbst, war es die Hochschulrektorenkonferenz, die diesen Prozess – ich war damals Vizepräsident der HRK – energisch nach vorn getrieben hat. Zehn Jahre zuvor hatte der Wissenschaftsrat in einem ausführlichen Gutachten zur Reform der Studienstruktur in Deutschland die Zweistufigkeit des Studiensystems, also die Teilung, die durch den Bologna-Prozess gekommen ist, empfohlen. Nicht immer dauert es zehn Jahre, bis Empfehlungen des Wissenschaftsrats umgesetzt werden.
Es gibt viele gute Gründe für die Reform. Ein ganz wesentlicher ist nicht nur die europäische Vergleichbarkeit, sondern die Tatsache, dass wir die breite Akademisierung, die wir anstreben und wollen, nur dann erreichen können, wenn wir für viele Studierende kürzere Studiengänge, die berufsbezogen sind, anbieten.
Wie ist die Lage der Umstellung? Wir haben an den Fachhochschulen auf siebensemestrige Bachelors umgestellt. Wir hören kaum von Umstellungsproblemen.
Wir haben an den Pädagogischen Hochschulen überhaupt noch nicht umgestellt, Frau Bauer. Dennoch gibt es dort Professorinnen und Professoren, die sagen, die Umstellung sei nicht gut gelungen.
(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Herrlich! – Abg. Werner Pfisterer CDU: Sozusagen schon einmal vor- beugend!)
(Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD – Abg. There- sia Bauer GRÜNE: Sie haben umgestellt, oder sie sollten umstellen? – Zuruf: Man kann ja nicht alles wissen!)
An den Kunst- und Musikhochschulen haben wir auf ein „4+2“-System umgestellt. Der Bachelor dauert dort vier und der Master zwei Jahre. Wir haben damit in diesem Fall auch die Fünfjahresgrenze aufgehoben. Auch dort hat uns die Rektorenkonferenz in einem Brief noch einmal mitgeteilt, dass es keine Umstellungsprobleme gibt.
Was die Universitäten angeht, so muss ich sagen: Man tut vielen Professoren und Professorinnen, vielen Dekanen, Prorektoren und Rektoren Unrecht, wenn man pauschal sagt: Dort ist die Umstellung schlecht gelaufen.
Es gibt, was einzelne Studiengänge betrifft, berechtigte Kritik. Aber so zu tun, als sei die Umstellung dort vollständig misslungen, ist ein Misstrauensvotum gegen unsere Universitäten, das diese nicht verdient haben.