Protocol of the Session on November 5, 2009

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Zuruf von der SPD: Nein!)

Sie beklagen, dass der Arbeitgeberanteil festgeschrieben wird. Sie waren es doch, die mit einem Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten die Parität heimlich aufgehoben haben. Dies gilt übrigens auch für Rentnerinnen und Rentner, die beispielsweise gar kein Krankengeld bekommen. Wir hingegen sind ehrlich und sagen: Wir begrenzen die Lohnnebenkosten durch die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags.

Wenn Sie jetzt behaupten, damit sei ein für alle Mal eine Mehrbeteiligung der Arbeitgeber ausgeschlossen, dann können Sie prozentuale Beträge und absolute Beträge nicht auseinanderhalten.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Unmöglich!)

Angenommen, wir kommen zur 7-%-Regelung. Dann beziehen sich die 7 % selbstverständlich auf die steigenden Einnahmen, auf die steigende Wertschöpfung und auf die steigende Grundlohnsumme. Also auch dabei wird dynamisiert.

Jetzt kommt das Entscheidende, nämlich die Solidarität zwischen Arm und Reich. Dabei stellt sich die Frage – darauf hat der Kollege Kluck hingewiesen –, ob das nur von den gesetz

lich Versicherten oder von allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern geleistet werden soll. Jetzt sind wir ganz nah bei der Bürgerversicherungsidee.

(Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD)

Wir sagen: Derjenige, der die Prämie nicht bezahlen kann, weil er ein geringes Einkommen erzielt, wird mit Steuermitteln bezuschusst. Somit ist das Leistungsfähigkeitsprinzip gewahrt. Diejenigen, die viel leisten können, zahlen viel, um eine soziale Absicherung zu gewährleisten.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Was ist solidarischer, als wenn die gesamte Gesellschaft für den Gesundheitsschutz der Menschen einzustehen hat?

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: So ist es! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜ- NE)

Solidarität bleibt also an allen Stellen erhalten.

Letzte Bemerkung: Die absolute Unsolidarität der vergangenen Jahre, die Sie zu verantworten haben, bestand darin, dass Sie die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, ständig mit immer neuen Deckelungen, Restriktionen und Bürokratie überzogen haben.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Genau!)

Damit wird jetzt Schluss sein. Der Koalitionsvertrag bietet uns die hierzu erforderliche Luft – übrigens nicht im Brustraum, wie es Herr Kollege Hoffmann gesagt hat; bei einem Pneumothorax kollabiert nämlich die Lunge. Wir müssen uns – diesen Appell richte ich an Sie, Frau Stolz – ab sofort in die Ausgestaltung der konkreten Umsetzung dieser durchaus positiven Leitlinien einmischen, die der Koalitionsvertrag beinhaltet.

Deshalb war diese Debatte nicht verfrüht, sondern überfällig. Ich bitte darum, dass wir all das, was zur Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung, um die es letztlich geht, führt – wir haben einiges dargelegt –, möglichst im Sinne BadenWürttembergs umsetzen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Richtig! So ist es!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Altpeter.

Herr Dr. Noll, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Präsident!

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Eine neue Priori- tät!)

Der Präsident wird mir das in diesem Fall nachsehen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sieht so aus!)

Selbst das lauteste Brüllen macht falsche Aussagen nicht richtiger.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Im Gegensatz zu Ihren Unterstellungen habe ich von einer solidarischen Finanzierung des Gesundheitssystems und – das möchte ich an dieser Stelle auch sagen – der Pflege gesprochen, aber nicht von einer paritätischen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ist paritätisch nicht solidarisch? – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten die paritätische Finanzierung während unserer Regierungszeit in Berlin verlassen. Das ist mitnichten der Fall. Wenn man schon mit den Sozialgesetzbüchern durch die Gegend wirft, dann sollte man sich zumindest im Klaren darüber sein, dass die paritätische Versicherung im Jahr 1995 mit der Einführung der Pflegeversicherung verlassen wurde, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Feiertag dafür aufgegeben haben.

(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus, mein lieber Noll! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber den Sonderbeitrag von 0,9 Pro- zentpunkten habt ihr eingeführt! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Genau!)

Jetzt wurde viel von den „wunderbaren Verbesserungen“ gesprochen, die das neue Gesundheitssystem bringen wird, wie auch immer es ausgestaltet sein wird. Ich habe schon vorhin gesagt, dass darüber nur die geringsten Aussagen gemacht wurden. Es wurden Aussagen dazu gemacht, welche Gruppen zukünftig Vorteile haben werden, aber es wurden sehr wenige Aussagen darüber gemacht, welche bitteren Pillen es für die gesetzlich Versicherten in Zukunft geben wird. Das sollte man der Ehrlichkeit halber dann auch sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn der Arbeitnehmeranteil um eine einkommensunabhängige Pauschale ergänzt oder der Beitrag sogar ganz in eine Kopfpauschale umgewandelt wird – diese Ziele haben Sie ja nicht versteckt –,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wir sind ehrlicher als Sie!)

dann zahlt die Sekretärin den gleichen Beitrag wie der Bankdirektor.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ojemine! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber der Bankdirektor finan- ziert die Prämie des Sozialhilfeempfängers!)

Gehen Sie einmal von folgendem einfachen Beispiel aus: Nehmen wir eine Erzieherin mit zwei Kindern.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Sie wissen, wie hoch die Einkommen von Erzieherinnen sind. Diese Erzieherin wird über ihren Arbeitnehmeranteil in Zukunft vermutlich einen höheren Beitrag zahlen müssen, weil die Kosten steigen. Die Kosten steigen übrigens auch in Baden-Württemberg. Erst in dieser Woche war in den „Stuttgarter Nachrichten“ zu lesen: Die Kostensteigerungen bei den Krankenhäusern lagen im vergangenen Jahr bei 4 %. Also wird sie künftig vermutlich höhere Beiträge zahlen müssen. Das heißt, sie hat weniger Netto vom Brutto.

Wenn Sie dann noch zusätzlich diese Pauschale einführen, dann zahlt sie doppelt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Mehr Leistung!)

Mehr Leistung; das werden wir sehen. – Wo, bitte, soll das dann solidarisch sein?

(Beifall bei der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Durch einen Steuerzuschuss! Der Bankdirektor zahlt mehr Steuern als die Erzieherin! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Jetzt finanziert die Erzieherin die Frau des Bankdirektors! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Genau! So ist es!)

Wenn Sie hier eine ehrliche Debatte führen wollen, dann müssen Sie die Debatte so führen, dass Sie hier klar und deutlich und nicht nur versteckt sagen, welchen Gruppen Sie Vorteile verschaffen wollen, und zwar zum Nachteil der gesetzlich Versicherten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Nein! Zum Vor- teil!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Mielich.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt geben Sie zu, dass Sie alles einsehen müssen!)

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einmal das aufgreifen, was die Frau Ministerin als Zielbotschaft für die weiteren Verhandlungen im Gesundheitswesen formuliert hat: Es komme darauf an, was letztlich bei den Menschen ankommt, und sie werde sich dagegen wehren, Klientelpolitik zu machen.

Eigentlich müssten Sie diese Vereinbarungen in der Gesundheitspolitik ablehnen; denn das, was da gemacht wird, ist pure Klientelpolitik.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Widerspruch des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Sie sorgen dafür, dass Ärzte besser bezahlt werden sollen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Pflegeberufe, alle, die im Gesundheitswesen arbeiten!)