Herr Kollege Gall, Letzteres ist kein Ersatzkonzept, und das darf es auch nicht werden. Wir brauchen beides: einen starken, konsequent handelnden Staat und die Zivilcourage unserer Bürgerinnen und Bürger.
Jetzt haben Sie gesagt, dass sich der Staat zurückziehen würde – ich übersetze das einmal –: Polizeistellenabbau, Polizeipostenreform und Ähnliches.
Zunächst einmal will ich Folgendes sagen. Natürlich hat unsere Polizei in den letzten Jahren, eigentlich Monat für Monat, neue Aufgaben zu bewältigen, weil auch vieles vor den Füßen unserer Polizei abgeladen wird. Aber darauf nun reflex artig – wie Sie dies immer wieder tun – mit dem Ruf nach mehr Personal und nach mehr Geld zu reagieren, bedeutet, Instrumente von vorgestern anzuwenden. Damit werden wir den neuen Herausforderungen nicht gerecht, damit werden wir unserem Haushalt nicht gerecht, und damit werden wir auch unserem freiheitlich-liberalen Rechtsstaat nicht gerecht.
Wir können nicht wollen, dass zu jeder Zeit an jedem Ort Polizei steht. Das kann in unserem Staat doch niemand ernsthaft verlangen.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Das verlange ich doch auch gar nicht! Wir verlangen nur, dass Sie nicht wei- ter Personal abbauen! Das tun Sie aber!)
Aber Ihre Forderungen laufen darauf hinaus, und Sie nennen Beispiele, die einfach grottenfalsch sind – grottenfalsch!
Herr Kollege Gall, wenn Sie die Polizeipostenstrukturreform ansprechen, dann will ich zunächst einmal sagen, dass in keinem anderen Bundesland – in keinem, auch nicht in Bayern – die Polizei in der Fläche so präsent ist wie in Baden-Würt temberg. In keinem anderen Bundesland!
Auf die kommunalen Sicherheitsdienste, Herr Kollege Heiler, komme ich nachher noch zu sprechen. Ich bediene Sie; keine Sorge.
In keinem anderen Bundesland haben wir in der Fläche so viele Polizisten auf den Posten wie in Baden-Württemberg. Jetzt reagieren wir auf die neuen Herausforderungen, indem wir die Polizeiposten effizienter gestalten, zusammenlegen. Hier gab es keinen Stellenabbau. Nicht eine einzige Stelle wurde gestrichen, sondern die Zahl der Posten wurde reduziert. Sie wurden zu größeren Einheiten zusammengeführt, und damit wurden auch die Öffnungszeiten verlängert. Die Polizei kann nun flexibler reagieren, und die Posten sind in viel größerem Maß in der Lage, die Reviere zu unterstützen, die die Rundumsicherheit für die Bürgerinnen und Bürger gewährleisten; darum geht es. Nicht eine einzige Stelle ist aufgrund der Polizeipostenstrukturreform gestrichen worden. Also reden Sie nicht immer so, als ob Sie es nicht tatsächlich besser wüssten.
Herr Kollege Gall, Sie sind jetzt so lange dabei. Sie wissen, dass der Arbeitsplatz des Polizisten nicht das Revier oder der Posten ist, sondern das Polizeistreifenfahrzeug. Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass wir die Interventionszeiten gewährleisten, gerade in Ballungsräumen.
Jetzt will ich auf das eigentliche Thema zurückkommen. Herr Kollege Blenke hat das brutale Verbrechen genannt. Solche Vorfälle gibt es leider immer wieder, in denen Zivilcourage und mutiges Einschreiten den Helfern zum Verhängnis wurde. Kollege Blenke hat an den 50-jährigen Dominik Brunner in München erinnert, der mit seinem Leben dafür bezahlt hat, dass er vier Kinder auf dem Nachhauseweg vor einem Raub schützen wollte.
Gewalt ist ein Problem unserer Gesellschaft. Gewaltkriminalität, Randalierer, Gewalteskalation von Jugendlichen, auch gegen Helfer, gegen Zeugen, gegen Polizeibeamte, sind ein zentrales Aufgabenfeld der inneren Sicherheit in Baden-Würt temberg.
Jetzt will ich aber einmal auf eines hinweisen, weil wir immer mit Statistiken arbeiten: Die Gewaltkriminalität ist im letzten Jahr, im Jahr 2008, um insgesamt 5,1 % zurückgegangen; das will ich einmal feststellen. Aber die langfristige Entwicklung – ich vergleiche da immer in Zehnjahreszeiträumen – macht uns große Sorgen. Im Zehnjahresvergleich ist die Gewaltkriminalität um 20 % gestiegen. Es handelt sich dabei vor allem um gefährliche Körperverletzung, schwere Körperverletzung, um Körperverletzung mit Todesfolge, Raubdelikte, Vergewaltigung, Mord. Im öffentlichen Raum – darüber reden wir heute – hat die Gewaltkriminalität um beinahe 40 % zugenommen. Mehr als die Hälfte aller Gewaltkriminalität wurde im öffentlichen Raum begangen, etwa 13 % erfolgten rund um Bus und Bahn. Das beeinträchtigt – Herr Kollege Gall, das sagen Sie völlig zu Recht – das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger.
Gewalt und Alkohol – darüber haben wir gestern debattiert – bilden eine unselige Allianz. Jeder dritte Tatverdächtige steht unter Alkoholeinfluss. Bei Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte sind es sogar mehr als zwei Drittel.
Die Polizeidienststellen und viele Kommunen schöpfen alle gegebenen rechtlichen Möglichkeiten aus, um konsequent gegen Alkoholmissbrauch und Jugendschutzverstöße vorzugehen. Bei größeren Festen und Veranstaltungen schließen Polizei, Kommunen und der jeweilige Veranstalter in vielen Städten zwischenzeitlich Vereinbarungen mit festen Regeln.
Diese Anstrengungen, meine Damen und Herren, müssen wir durch gesetzgeberische Maßnahmen flankieren. Alkohol darf nicht immer und überall verfügbar sein. Viele Kommunen in Baden-Württemberg haben einen durchaus mutigen Vorstoß gemacht, um Alkoholkonsum an problematischen Örtlichkeiten zu untersagen. Dies wurde durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg auf der Basis der bisher angewandten Rechtsgrundlagen im Fall der Stadt Freiburg für rechtlich nicht zulässig erklärt. Wir müssen aus diesem Urteil Konsequenzen ziehen, müssen es genau analysieren und müssen, soweit dies rechtlich möglich ist, unseren Kommunen dann auch flankierend zur Seite stehen.
Vielen Dank, Herr Gall. – Der Staat, wir alle brauchen den Mut, wir brauchen die Zivilcourage jedes Einzelnen, um die Gewalt einzudämmen. Wir sind auf diese Zivilcourage angewiesen. Der Staat, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann diesen Mut aber nur einfordern, wenn er selbst alles dafür tut, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Damit bin ich bei der Präsenz der Polizei. Die Sicherheitslage in Baden-Württemberg kennen Sie alle, auch wenn Sie sie nicht immer zur Kenntnis nehmen wollen. Herr Kollege Blen ke hat dies im Einzelnen ausgeführt.
Es sind zunächst einmal positive Rahmenbedingungen, die der Staat mit seiner Hoheit schafft. Umfragen belegen demgemäß auch das hohe Vertrauen der Bevölkerung in unsere Polizei. Wer um Hilfe ruft, erwartet eine schnelle Reaktion der Polizei, und diese wird gewährleistet. Durch unser Einsatzleitsystem werden wir sehr genau erkennen und analysieren, wie lange es konkret dauert, bis nach einem Notruf die Einsatzbereitschaft hergestellt ist, welche Reaktionszeit die Polizei also benötigt.
Die Polizei versucht mit ihrer – zugegebenermaßen angespannten – Personalausstattung, ein Höchstmaß an Sicherheit für die Bürger zu gewährleisten. Ich verweise auf den Einstellungskorridor von jährlich 800 jungen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Meine Damen und Herren, das ist in einer Haushaltslage wie unserer jetzigen kein Pappenstiel. Rechnen Sie einmal nach, was das das Land kosten wird. Das sind über 300 Millionen € in den nächsten Jahren. Da würde ich schon von einem gewaltigen Sprung nach vorn reden. Aber wir bestehen darauf, dass die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im öffentlichen Raum Aufgabe der Polizei bleibt. Herr Kollege Heiler, private Sicherheitsdienste können und müssen dort unterstützen, wo Gemeinden, Veranstalter oder Betriebe ihr Hausrecht ausüben, z. B. bei Fußballspielen oder Konzerten.
Zum Einsatz privater Sicherheitsdienste hat das Innenminis terium allein in diesem Jahr zu elf gleichlautenden Anträgen von SPD-Abgeordneten Stellung genommen. Lesen Sie es nach.
Deshalb sage ich zusammenfassend nur noch einmal Folgendes: Uns liegen keinerlei Erkenntnisse vor, wonach die Kommunen inzwischen mehr private Sicherheitsdienste beauftragen, um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu gewährleisten. Was wir mit dem Sicherheitsgipfel – der Kollege Blenke hat ihn angesprochen – bezwecken, ist, dass die Veranstalter ihrem Hausrecht und ihren Aufgaben tatsächlich vollumfänglich gerecht werden. Deswegen setzen wir auf Kooperation. Aber der öffentliche Raum ist Sache unserer Polizei. Wir suchen auch Sicherheitspartner.
Rockkonzerte oder Fußballspiele lassen sich häufig am besten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder über Bahnhöfe erreichen. Deshalb setzen wir auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit beispielsweise mit der Bundespolizei.
Für das Jahr 2009, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich noch darlegen, dass der Schwerpunkt der Kooperationsmaßnahmen in der Bekämpfung von Jugendgewalt in Verbindung mit Alkoholkonsum liegt. Polizei und Bundespolizei analysieren jeweils vor Ort die Lage und erarbeiten dann abgestimmte Konzepte. Landesweit – ich
glaube, Herr Kollege Gall hat es mit Blick auf das Thema Prävention angesprochen – haben wir gegenwärtig über 2 000 gemeinsame Maßnahmen mit insgesamt 19 000 Einsatzkräften, die die Bedeutung dieser Zusammenarbeit für die gezielte Steigerung der Präsenz und der Sicherheit belegen.
Auch die Zusammenarbeit der Polizei mit den Verkehrsbetrieben wird ständig weiter intensiviert. Herr Kollege Gall, was Sie vorhin gefordert haben, ist bei uns längst Realität.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Seit Herbst 2006 besteht eine Sicherheitspartnerschaft zwischen dem ÖPNV – Verkehrsverbund Stuttgart –, dem Regierungspräsidium Stuttgart und der Polizeidirektion Esslingen. Das Thema lautet: „Die Sicherheit fährt mit.“ Sie kennen das sicherlich.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die private Sicherheit! Private Sicherheitsdienste hat die Polizei gefor- dert!)
Die Mitarbeiter von Bussen und Bahnen werden geschult, Fahrgäste werden sensibilisiert. Es werden verstärkt Kontrollen durchgeführt, und dies alles macht unsere Polizei.
Das können sie ja zusätzlich tun. Aber unsere Polizei – ich sage es noch einmal – ist gerade auf diesem Gebiet Vorreiter.