Protocol of the Session on November 4, 2009

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg schätzen die Sicherheit in unserem Land. Sie schätzen auch die Sicherheit, dass sie nach einem Notruf in medizinischen Notfällen rasche Hilfe erhalten. Diese Sicherheit ist in den letzten Jahren leider nicht weiterentwickelt worden und sogar ins Bröckeln gekommen. Selbst in dringendsten Fällen warten Bürgerinnen und Bürger in Not 20 Minuten oder länger auf das Eintreffen des Rettungsdienstes. Das gilt sogar für unsere Landeshauptstadt, wie wir vor Kurzem leider auch in den Stuttgarter Zeitungen lesen mussten. Das darf nicht mehr hingenommen werden. Deshalb war es notwendig, dass dieses Landesrettungsdienstgesetz reformiert wird. Da sind wir mit Ihnen d’accord.

Eines der dringendsten Probleme, das auch immer angesprochen wird, ist die Verfügbarkeit von Notärzten. Die Krankenhäuser selbst haben bisher nicht das allergrößte Interesse, die Ärztinnen und Ärzte dieser Fachrichtung weiterzubilden, oder sie haben nicht die Möglichkeit dazu. Sie haben auch nicht das Interesse, die Notärzte von ihrer Arbeit in der Klinik für den Rettungsdienst freizustellen, jedenfalls dann nicht, wenn sie keine entsprechende Vergütung erhalten. Das ist vor allem bei den Krankenhäusern im ländlichen Raum nach wie vor ein Problem. In den ländlichen Räumen haben wir nicht nur ein

Problem bei den niedergelassenen Ärzten, sondern auch zunehmend Probleme, genügend Ärzte an die Krankenhäuser zu bekommen.

An beiden Punkten war deshalb anzusetzen und dabei die Frage der Kostenerstattung für die Abstellung von Notärzten und deren Aus- und Weiterbildung zu klären. In dem vorliegenden Gesetzentwurf ist dafür nun sicher die Basis gelegt. Das kann man mit Fug und Recht sagen.

Ein Problem ist noch die Zeit, die vergehen kann, bis Absender eines Notrufs wissen, wohin sie sich wenden sollen, was in diesem Fall die richtige Telefonnummer ist, ob sie eine Vorwahl verwenden müssen – wenn ja, welche –, und bis von der richtigen Notrufzentrale die Alarmierung beim richtigen Rettungsfahrzeug und dessen Besatzung angekommen ist.

Der erste Schritt zur Abhilfe ist eine einheitliche und konkurrenzlose Notrufnummer, und zwar eine, die nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in allen Staaten der Europäischen Union gilt; das wäre natürlich am allerbesten. Wer mit der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112 einmal A sagt, der muss auch B sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Leitstellen von Rettungsdienst und Feuerwehr sollen zukünftig ausnahmslos in gemeinsamer Trägerschaft als Integrierte Leitstellen geführt werden.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das steht doch im Gesetz, liebe Ulla!)

Mitarbeiter in den Leitstellen, die ihren persönlichen Ausbildungsschwerpunkt im feuerwehrtechnischen Bereich haben, werden zukünftig mit solchen, die ihre Ausbildung im medizinischen Bereich gemacht haben, als Kolleginnen und Kollegen direkt zusammenarbeiten und sich sicher gegenseitig ergänzen.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Auch das ist ein wichtiger Aspekt in diesem neuen Gesetz.

Es soll keine Zeit dadurch verloren gehen, dass Anrufe weitergeleitet werden müssen und Informationen eventuell untergehen. Wenn ein Notruf in der Integrierten Leitstelle eingeht, wird sofort das nächste und beste einsatzfähig gemeldete Rettungsteam beauftragt.

Natürlich arbeiten Leitstellen – das muss zukünftig auch ein wichtiges Anliegen von uns sein – mit den für die angrenzenden Gebiete zuständigen Leitstellen zusammen. In den Ausschussberatungen haben wir auch über die Anzahl der notwendigen Leitstellen für Baden-Württemberg diskutiert. Es gibt da ein Gutachten von einer großen Krankenkasse, und die Grünen hatten zu diesem Thema einen Antrag eingebracht. Ich halte acht Integrierte Leitstellen für ein Flächenland wie Baden-Württemberg für völlig inakzeptabel. Wir brauchen in jedem Stadt- und in jedem Landkreis eine Integrierte Leitstelle, um hier möglichst rasch Hilfen für Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg auf den Weg zu bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Baden-Württemberg ist kein Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Unser Land ist dicht besiedelt und hat auch eine hoch komplexe Infrastruktur. Wir wünschen uns, dass die Mitarbeiter der Integrierten Leitstellen alle Feuerwehren, alle Rettungs

dienste, jedes Krankenhaus, jeden Ortsverband des Technischen Hilfswerks und jede Einsatzeinheit des Katastrophenschutzes persönlich kennen und die Hilfsmöglichkeiten richtig einschätzen können. Das ist ja auch die Intention dieses Gesetzentwurfs. Wir müssen hier eine gute Vernetzung schaffen.

Ich komme z. B. aus einem Landkreis, der drei Große Kreisstädte, sechs Städte sowie 33 Gemeinden und über 1 000 km Straßennetz umfasst. In ihm gibt es weit über hundert Schulen und zig industrielle Großbetriebe. Wir denken, dass nur Leitstellenmitarbeiter, die die Möglichkeit haben, ihren Rettungsdienstbezirk persönlich zu kennen, weil sie vor Ort arbeiten und leben, ihre Arbeit auch zuverlässig leisten können.

Insgesamt wünschen wir uns eine schnelle Umsetzung dieses Gesetzes. Dafür steht nun Folgendes an:

Der Rettungsdienstplan Baden-Württemberg muss bald an die neuen gesetzlichen Regelungen angepasst werden. Qualitätssicherungs- und Qualitätsmanagementpläne müssen zur Verbesserung der Standards und vor allem zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen über die Hilfsfrist führen. Das ist uns enorm wichtig. Dort, wo dies noch nicht der Fall ist, müssen die Leitstellen für den Rettungsdienst und die Feuerwehr Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in einer Integrierten Leitstelle schließen. Die Bereichsausschüsse müssen sich in der neuen Konstellation zusammenfinden – das ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Arbeit vor Ort –, und die Krankenkassen und die Landesärztekammer müssen neue und differenzierte Vereinbarungen über die Vergütung der Notarzttätigkeit abschließen.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Ende. Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten.

Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin. Ich komme zum letzten Satz.

Schließlich müssen alle, auch die öffentliche Verwaltung und die Träger der Rettungsdienste, noch einmal überprüfen, ob überall in ihren Veröffentlichungen und auf ihren Einsatzfahrzeugen die einheitliche Notrufnummer 112 angegeben ist.

Insgesamt wird die SPD-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Mielich für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal grundsätzlich auf das Ziel des neuen Gesetzes eingehen: Ziel ist gewesen, für die in der Notfallrettung tätigen Personen zu regeln, wie sie qualifiziert ausgebildet und qualifiziert eingesetzt werden können, sowie die Notfallversorgung insgesamt zu sichern und vor allem die Notfallversorgung im ländlichen Raum zu verbessern. Das hat gute Gründe. Auch im Vorblatt des Gesetzentwurfs wird deutlich

formuliert, dass sich die stationäre Versorgung im ländlichen Raum bereits verändert hat und auch in der Zukunft noch deutlich verändern wird. Das heißt, dem Notfallrettungsdienst kommt eine völlig neue Bedeutung, eine viel größere und sehr viel grundlegendere Bedeutung zu. Es geht letztlich darum, eine gute, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung in der Fläche zu sichern.

Dieses Ziel teilen wir. Es gibt auch einige Instrumente, die wir durchaus befürworten, vor allem, wenn es darum geht, den Ausgleich für die den Krankenhäusern durch die Gestellung von Notärzten entstehenden Kosten zu regeln und dafür zu sorgen, dass die Notärzte und das Rettungspersonal insgesamt verpflichtet werden, sich regelmäßig fortzubilden.

Was wir einzuwenden haben, ist, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf insgesamt viel zu kurz springen. Sie gehen die Schnittstellenproblematiken nicht grundsätzlich an, Sie beseitigen die Schwachstellen in den bestehenden Strukturen nicht, Sie bleiben beim baden-württembergischen Sonderweg, obwohl Sie genau wissen, dass es da enorme Reibungsverluste gibt. Das baden-württembergische Rettungsdienstwesen ist das einzige, das derartig kleinteilig organisiert wird. Es ist das billigste, es ist gleichzeitig aber auch das einzige, das nicht qualitätsgesichert ist.

(Zuruf von der CDU: Wer sagt denn das? – Unruhe)

Das halten wir für ein riesiges Problem.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, bitte verlegen Sie Ihre Unterhaltungen nach außerhalb des Plenarsaals.

Es geht vor allem darum, wie die insgesamt 37 Bereichsausschüsse organisiert sind. Sie sind paritätisch besetzt. Kostenträger, also die Krankenkassen, und Leistungserbringer, also die Hilfsorganisationen – in der Regel geht es um eine einzige Hilfsorganisation –, bilden bei paritätischer Besetzung den Bereichsausschuss. Die Kommune, die den Sicherstellungsauftrag hat, wird mit dem neuen Gesetz zukünftig lediglich eine beratende Funktion haben. Sie hat noch nicht einmal ein Stimmrecht.

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Subsidiarität!)

Entsprechendes gilt für die ärztlichen Notdienste. Auch die Notärzte haben kein Stimmrecht.

Wir wollen – darauf zielt auch unser Änderungsantrag ab – ein Qualitätsmanagement installieren, das neutral ist, das von außen kommt und das ausdrücklich die Funktion hat, zu überprüfen, ob die festgesetzten Hilfsfristen auch wirklich eingehalten werden, ob es eine effektive Struktur ist und ob bei Einsätzen bestimmte Dinge vielleicht verändert werden sollten, um eine Verbesserung zu erreichen. Das hätte dringend sein müssen.

Frau Ministerin, Sie haben im Rahmen der Gesetzesberatung deutlich gesagt, dass es bei der Qualitätssicherung und bei der Qualitätskontrolle insgesamt eine Schwachstelle gibt. Sie haben vorgeschlagen, landesweit eine einzige Stelle einzurichten. Das halten wir für überhaupt nicht sinnvoll; denn die praktischen Einsätze vor Ort müssen überprüft werden.

Letztlich geht es darum, dass ein Rettungswagen deutlich längere Wege zu einem Krankenhaus zurücklegen muss. Teilweise ist mit einer Fahrtzeit von bis zu einer Stunde zu rechnen. Die Arbeit, die in den Rettungswagen geleistet wird, hat also andere Bedeutung als im Falle eines dichten Netzes von stationären Einrichtungen, das es auf dem Land aber gerade nicht gibt.

Es gibt daneben ein zusätzliches Problem, das in den vergangenen Tagen in der Presse erörtert worden ist. Das DRK hat darauf hingewiesen, dass die Verkürzung der Zivildienstzeit zu einem Engpass bei der Versorgung im Rettungswesen führen wird, und dies scharf kritisiert. Auch dies wird ein Problem sein, das angegangen werden muss.

Wir hätten uns gewünscht, dass das Gutachten über eine effektive Notfallversorgung abgewartet worden wäre und man einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht hätte, der die Ergebnisse des Gutachtens verwertet. Das ist leider nicht geschehen. Das Gesetz muss nun höchstwahrscheinlich schon im nächsten Jahr nachgebessert werden, je nachdem, wie das Gutachten ausfällt. Das halten wir für bedauerlich.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Wir stellen unseren Änderungsantrag erneut zur Diskussion. Sollte der Änderungsantrag abgelehnt werden, werden wir den Gesetzentwurf als Ganzes ablehnen.

Schönen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Noll für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der zweiten Lesung sind wir allen zu Dank verpflichtet, die an der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes mitgewirkt haben. Dies gilt natürlich insbesondere für die Frau Ministerin sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums, aber auch für die Verbände und für die Träger der Krankenhäuser.

Bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs hat sich gezeigt, dass ein Gesetzentwurf nicht so aus dem Parlament herauskommt, wie er vorher hineingekommen ist. Vielmehr haben wir durchaus Anregungen von allen Beteiligten aufgenommen. Dafür bin ich sehr dankbar, weil damit sehr sinnvolle Erweiterungen dessen, was ursprünglich geplant war, gelungen sind.

Es geht um Hilfe in extremen Notfällen, in denen 15 Minuten sehr lang sein können. Eine Redezeit von fünf Minuten kommt einem kurz vor. Wenn man aber bei einem Herzinfarkt oder nach einem schweren Unfall 15 Minuten warten muss, dann verrinnen die Sekunden und die Minuten sehr langsam.

Alle Tricks, um Hilfsfristen sozusagen statistisch zu verändern, lehnen wir natürlich ab. Uns geht es vielmehr um die rasche und gezielte Hilfe im Notfall für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Es geht darum, eine ausreichende Zahl der im Rettungsdienst zur Verfügung stehenden Ärztinnen und Ärzte sicherzustellen. Hierbei liegen die wesentlichen Ressourcen sicherlich im Krankenhaus.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass daneben das Bemühen, auch niedergelassene Ärzte in die Notfallrettung einzubeziehen, durchaus noch etwas verstärkt werden sollte. Ich bitte die Ministerin, gemeinsam mit der Ärztekammer und den ärztlichen Körperschaften in dieser Hinsicht noch einmal einen Anlauf zu starten. Wir wissen aber sehr wohl, dass die Krankenhäuser bei der Gestellung von Notärzten das Rückgrat des Rettungsdienstes sind.