Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind der CDU-Fraktion dankbar für diese Anfrage, gibt sie uns doch die Gelegenheit, über die massiven Probleme im ganzen Land mit dem doppelten Abiturjahrgang 2012 zu diskutieren.
Es ist wichtig, dass wir darüber reden. Denn die Eltern und Schüler schauen zu Recht und mit großer Sorge auf dieses Jahr. Die Fragen, die die CDU in ihrer Anfrage gestellt hat, sind die richtigen. Die Antworten jedoch, meine Damen und Herren, kommen aus einer anderen Welt. Diese Antworten zeugen von Schönfärberei und Realitätsferne und haben nichts mit der Frage zu tun,
welche Probleme es im Zusammenhang mit diesem doppelten Abiturjahrgang an unseren Schulen und Hochschulen tatsächlich gibt.
In der uns vorliegenden Drucksache wird detailliert aufgezeigt, welche negativen Auswirkungen die Beschlüsse zum „Zwangs-G-8“ im gesamten Bildungssystem haben.
Das Chaos wälzt sich durch alle beteiligten Institutionen. Auch heute, im sechsten G-8-Jahr, klagen Eltern, Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer massiv über die Zustände an den Schulen im Rahmen des G 8. Eine ganze Generation von Schülerinnen und Schülern ist davon betroffen und hat die Folgen Ihrer Beschlüsse zu tragen.
Sie haben die Weichen falsch gestellt und nicht auf unsere frühzeitigen Warnungen gehört. Was noch schlimmer ist: Sie haben alle Verbesserungsvorschläge der Betroffenen ignoriert.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Luft holen! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Der holt gar nicht Luft!)
Jetzt helfen Sie unseren Hochschulen nur halbherzig bei der Bewältigung dieser anstehenden Probleme.
Meine Damen und Herren, meine Kolleginnen und Kollegen, zunächst hat sich das Programm „Hochschule 2012“ ganz gut angehört. Noch schnell vor der letzten Landtagswahl wurde dieses Programm öffentlichkeitswirksam präsentiert.
Die Wirtschaft hatte eine wichtige Rolle und hat maßgeblich mitbestimmt, wo, wann, was, wie ausgebaut werden soll. Jetzt, nach vier Jahren, kann man sagen: Mitbestimmt hat die Wirtschaft, mitbezahlt – wie es damals in den Raum gestellt wurde, um diese Mitbestimmung zu rechtfertigen – hat sie bis auf einzelne kleine Aktivitäten eigentlich nichts.
Verstehen kann ich diese Zurückhaltung der Wirtschaft durchaus. Denn warum sollte man für die Beseitigung von Missständen mitbezahlen, die wegen der geburtenstarken Jahrgänge auch demografisch bedingt sind, wenn die Eskalation des Problems erst durch Ihre hier im Haus gefassten Beschlüsse eingetreten ist?
Wie uns der Minister gestern in der Regierungsbefragung gelangweilt nochmals verkündet hat, sollen also bis zum Jahr 2012 an den Hochschulen 16 000 neue Studienplätze geschaffen werden. Das ist zunächst durchaus die richtige Richtung. 16 000 zusätzliche Studienplätze – wir wissen es in der Zwischenzeit – sind jedoch auch nach Expertenmeinung zu wenig. Denn dieser Mangel, der sich da auftut, führt dazu, dass Studierwillige, die keinen Studienplatz bekommen, zunächst einmal eine Lehre machen und dadurch den Realschülern die Lehrstellen wegnehmen. Diese wiederum nehmen den Hauptschülern die Lehrstellen weg, und die schauen in die Röhre.
Aber, meine Damen und Herren, wie sieht es nun bei dem Programm „Hochschule 2012“ mit den Finanzen aus? Das ist das Entscheidende.
Vom Land bekommen die Hochschulen für jeden neuen Studienplatz zwischen 8 000 und 12 000 €, und dies bei Kosten für einen solchen Studienplatz von 15 000 bis 35 000 €. Mit dem daraus entstehenden Delta, mit dieser Differenz, verschärft dieses Programm „Hochschule 2012“ im Prinzip die chronische Unterfinanzierung der Hochschullandschaft in Baden-Württemberg.
Diese Einschätzung wird sogar in der Stellungnahme des MWK zu einem Antrag von Abgeordneten unserer Fraktion bestätigt. Fast zynisch wird in der Stellungnahme des MWK
Wissen Sie, wie das klingt? Das klingt so, als ob Sie einem Schiffbrüchigen mitten auf dem Meer ein bisschen Trinkwasser anbieten und dann sagen: Ich weiß gar nicht, warum du mehr davon willst, du hast doch genügend Wasser um dich herum.
(Beifall bei der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist ja nicht einmal lustig! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)
Zu all diesen seit Jahren bekannten Finanzproblemen kommen dann auch noch die Kosten für die Umstellung im Rahmen des Bologna-Prozesses an unseren Hochschulen hinzu. Auch die Geschwisterregelung und Ihre Weigerung, die entstandenen Mindereinnahmen auszugleichen, verschärfen die Finanzsituation.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Seid ihr gegen die Geschwisterregelung? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sind Sie gegen die Geschwisterregelung?)
Aber Sie hätten unsere Anträge mittragen müssen. Die Einnahmeverluste von bis zu 30 %, die den Hochschulen dadurch entstanden sind, hätten Sie ausgleichen müssen. Sie haben es verantwortet. Sie hätten ausgleichen müssen. Die Geschwis terregelung bringt 30 % weniger Gebühreneinnahmen für die Universitäten. Das hätte man ausgleichen müssen.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie sollten einmal sehen, wenn ich mich aufrege, mein Lieber! – Ver- einzelt Heiterkeit)
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Weitermachen! – Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Jetzt lasst ihn doch weiterlesen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Le- sen Sie weiter!)
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Volker Schebesta: Geht es darin auch um Schule? Das ist ja furchtbar!)
Im Rahmen des Programms „Hochschule 2012“ und der Reak tion auf den doppelten Abiturjahrgang haben Sie es z. B. völlig versäumt, im sozialen Bereich, im Bereich der Wohnheime, in diesem Land etwas zu tun. Wir haben ein Programm für Wohnheimplätze in Baden-Württemberg gefordert.
Sie haben nicht mitgemacht. Sie lassen Studentenwerke und Kommunen mit dieser ganzen Problematik allein.