Protocol of the Session on October 8, 2009

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 75. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie alle.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Rudolf Hausmann, Dr. Mentrup, Pix und Stratthaus erteilt.

Krankgemeldet sind Frau Abg. Bauer und die Herren Abg. Raab und Reichardt.

(Unruhe)

Ich darf Sie darum bitten, die Gespräche einzustellen und Ihre Plätze einzunehmen. Das gilt auch für Herrn Abg. Zimmermann.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Er hat es nicht ge- hört!)

Aus dienstlichen Gründen haben sich Herr Minister Professor Dr. Reinhart, Herr Minister Rau – ab 12:00 Uhr – und für heute Nachmittag Frau Ministerin Gönner entschuldigt.

Entschuldigt ist – für heute Vormittag – Herr Minister Professor Dr. Frankenberg.

Dienstlich verhindert ist Frau Staatsrätin Dr. Hübner.

Wir treten damit in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Risiken der geplanten AKW-Laufzeitverlängerung für Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Es gelten die für eine Aktuelle Debatte üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Untersteller.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Symbole sind in der Politik zugegebenermaßen nicht alles. Man sollte aber die Symbolwirkung auch nicht unterschätzen, die davon ausgeht, wenn sich ein Ministerpräsident nicht einmal zwei Tage nach einer gewonnenen Bundestagswahl sozusagen als erste Amtshandlung mit dem Chef eines großen Energieversorgungsunternehmens – in diesem Fall der EnBW – in eine Pressekonferenz setzt, sich dabei für ein Ende der AKW-Laufzeitbegrenzung ins Zeug legt und sich letztlich für die Partikularinteressen der vier großen deutschen Stromkonzerne starkmacht. Nicht einmal zwei Tage nach einer gewonnenen Bundestagswahl werfen

Sie damit eine Vereinbarung über Bord, mit der es gelungen ist, einen zwei Jahrzehnte währenden Konflikt in Deutschland, von dem Sie wissen, dass er teilweise auch mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zu tun hatte – ich nenne nur Brokdorf, Wackersdorf und Kalkar –, zu beenden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Waren Sie da über- all dabei?)

Ich finde es sehr leichtfertig, so etwas zu machen. Meine Damen und Herren, mir ist es wirklich unbegreiflich, wie man die Interessen der vier Stromkonzerne letztlich über das Interesse der Allgemeinheit stellen kann,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Was ist bei Ihnen All- gemeinheit? Die Grünen? – Zurufe der Abg. Jörg Döpper und Winfried Scheuermann CDU)

diese Konflikte in Deutschland zu beenden. Letztlich werten Sie die Gewinn- und die Profitinteressen der Konzerne in Deutschland höher als das Interesse der Allgemeinheit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Stefan Mappus CDU: Das meinen Sie jetzt aber nicht ernst, oder?)

Wenn Sie in die Präambel der Ausstiegsvereinbarung schauen, Herr Kollege Mappus,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE zu Abg. Ste- fan Mappus CDU: Sie haben doch keine Ahnung!)

die wir im Jahr 2000 mit den Stromkonzernen geschlossen haben, finden Sie folgenden Satz:

Beide Seiten

also auch die Stromkonzerne –

werden ihren Teil dazu beitragen, dass der Inhalt dieser Vereinbarung dauerhaft umgesetzt wird.

Pacta sunt servanda – Sie können sehen, dass das für die Konzerne überhaupt nicht gilt.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Das gilt auch für die All- gemeinheit!)

Ich prophezeie Ihnen schon heute, dass Ihnen das in Ihrer Regierungszeit ganz ähnlich gehen wird.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Erst haben Sie prophezeit, wir bekämen keine Mehrheit!)

Ungeachtet der Tatsache, dass ich von dem Konzept, das Sie vorgelegt haben, nämlich dass 50 % der Profite in einen Fonds einzuzahlen sind, um damit erneuerbare Energien zu fördern, nichts halte, glaube ich schon jetzt, dass Sie das nicht durchsetzen werden.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Jetzt warten Sie doch erst einmal ab!)

Das zeigt sich auch schon an den Äußerungen der Stromwirtschaft. Ich gebe einmal wieder, was Herr Villis letzte Woche in der Pressekonferenz sinngemäß gesagt hat: „Was Mehrgewinne überhaupt sind, müsste man erst einmal definieren“, und anschließend: „Wir sind bereit, unseren Obolus für eine Laufzeitverlängerung beizutragen.“

Laut Duden bedeutet Obolus nichts anderes als eine kleine Geldspende.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Hört, hört! Kleine Geldspende!)

Von 50 % ist man bei einer kleinen Geldspende weit entfernt.

All das lässt schon jetzt erkennen, dass Sie mit Ihrem Vorschlag, 50 % des Profits in einen Topf zu werfen, zum Schluss – das prophezeie ich Ihnen – mit abgesägten Hosen dastehen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zim- mermann CDU)

Im Übrigen sage ich Ihnen: Die Argumente, die Sie bisher für eine Laufzeitverlängerung ins Feld geführt haben – Klima schutz, Versorgungslücke, Wirtschaftlichkeit –, sind bei näherer Betrachtung überhaupt nicht stichhaltig. Was wollen Sie bei einem Anteil der Kernenergie von 2,5 % am weltweiten Endenergieverbrauch

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Reden Sie von Ba- den-Württemberg!)

mit der Kernenergie beim Klimaschutz erreichen?

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist ja unsachlich!)

Nächster Punkt.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wie viel Prozent haben wir in Baden-Württemberg? Das ist Stuss, was Sie da erzählen!)

Nehmen wir einmal Deutschland. Wenn Sie die 17 deutschen Kernkraftwerke weiterlaufen lassen, wie wollen Sie dann auch nur 1 t CO2 einsparen bei einem Emissionshandel, der bei 450 Millionen t gedeckelt ist? Es ist einfach unsinnig, was Sie da ins Feld führen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wie wollen Sie 17 Kernkraftwerke ersetzen? – Abg. Jörg Döpper CDU: Bei Ihnen kommt der Strom aus der Steckdose!)

Die angebliche Versorgungslücke – das hat Ihnen in dieser Woche das Umweltbundesamt noch einmal deutlich gemacht

ist eine Schimäre. Die deutsche Stromwirtschaft hatte in den letzten Jahren einen Exportüberschuss von 20 Terawattstunden, und das bei teilweise stillliegenden Kernkraftwerken. Das ist die Realität.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aha! Jetzt kommt die große Lüge des Herrn Untersteller! – Gegenruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Wer lügt hier? – Unru- he bei den Grünen)

Was die angeblich billigen Strompreise betrifft, haben die Verbraucherinnen und Verbraucher in Baden-Württemberg, wo der Strom zu 50 % aus Kernenergie kommt, in den letzten Jahren ihre Erfahrungen gemacht.