Protocol of the Session on October 7, 2009

Realitätssinn heißt aber, zu sehen, was sich ändert. Wir sind jetzt in einer völlig anderen Situation.

(Beifall bei den Grünen)

Frau Netzhammer, in dem Bericht, den Sie zitieren und zu dem Sie mir unterstellen, dass ich ihn nicht kenne, stehen zwei Aussagen, die ich Ihnen zitiere, damit Sie sehen, dass ich ihn sehr wohl gelesen habe. Der Baden-Württembergische Handwerkstag beschreibt die Lage in der zugehörigen Pressemitteilung so:

Vor allem Betriebe, die sich mit regenerativen Energien wie Fotovoltaik und Wärmepumpentechnik beschäftigen, sind sehr gut ausgelastet.

Das sind die langen Linien der Grünen, die sich hier auswirken.

(Beifall bei den Grünen)

Im Bericht heißt es: Akute Probleme im Bereich des Handwerks haben die Betriebe, die der Industrie zuliefern. Hier kommt es durch die Kurzarbeit zu einem massiven Auftragseinbruch. Wir haben hier massive Gewinneinbrüche. Steuersenkungen bringen Betrieben wohl nichts, wenn sie Gewinn einbrüche haben; denn dann zahlen sie nämlich gar keine Steuern. Das geht doch total am Thema vorbei.

Dafür, dass diese Betriebe Probleme haben, sind Sie und Herr Ministerpräsident Oettinger zwar nicht direkt zuständig – das

ist ein Ergebnis der Wirtschaftskrise –, aber Ihre langen Linien haben verhindert, dass z. B. die Fahrzeugindustrie ihr Produktportfolio so geändert hat, dass sie gar nicht in diese Krise gekommen wäre.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das sind Ihre Versäumnisse.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Sie haben damals gegen die Grenzwerte aus Brüssel für Autos polemisiert, die höchst überfällig waren. Sie sind jetzt nur verschoben worden. Das zögert eigentlich nur den Strukturwandel in der Automobilindustrie hin zu Fahrzeugen, die auch auf dem Weltmarkt verkäuflich sind, hinaus.

(Zurufe der Abg. Beate Fauser FDP/DVP sowie der Abg. Karl Zimmermann und Veronika Netzhammer CDU – Unruhe)

Das sind Ihre langen Linien, die Probleme verursachen. Unsere langen Linien haben sich für das Handwerk, das heute gut dasteht, positiv ausgewirkt. Da wollen wir doch bei der Wahrheit bleiben.

(Beifall bei den Grünen – Unruhe bei der CDU und der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Kretschmann, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ja. – Herr Wirtschafts minister Pfister, immer dann, wenn man Sie auf Klimaschutz anspricht, kommen Sie hier heraus und singen das Lied einfach nach. Aber der Klimaschutz ist kein wohlfeiles Feigenblatt. Da geht es um handfeste Standortfragen.

Jetzt nehme ich einmal Ihre Pressemitteilung vom 24. September: Wirtschaftsminister Ernst Pfister zu den neuesten Konjunkturzahlen. Das sind vier Seiten. Das Wort Klimaschutz fehlt. Das kommt in der ganzen Pressemitteilung überhaupt nicht vor.

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Es kommt alles Mögliche in dem Bericht vor, Falsches und Richtiges.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Mi- nister Ernst Pfister: Aber das Stichwort „Standort“ ist darin genannt!)

Aber von dem Thema, um das es geht, dass nämlich durch einen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft auch Handwerk und Mittelstand profitieren, dass dies das Zugpferd aus der Krise ist, hört man von Ihnen nichts. Darum sollten Sie hier einmal vom Wohlfeilen auch ein bisschen etwas grün nachsingen und dahin kommen: Nur grün hilft aus der Krise. So ist es.

(Beifall bei den Grünen – Minister Ernst Pfister: Da- zu braucht man keine Grünen! – Abg. Karl Zimmer- mann CDU: Der Wahlkampf ist vorbei! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der ist verlo- ren! – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Meine Damen und Herren! Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 1 ist damit beendet.

(Unruhe)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Die Arbeitslosigkeit nimmt zu, immer mehr Mittelständlern droht die Überschuldung – Wann handelt die Landesregierung? – beantragt von der Fraktion der SPD

Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es dem Handwerk im Durchschnitt erfreulich gut geht, gibt es eine Gruppe im Handwerk, die nach wie vor enorm unter der weltweiten Wirtschaftskrise leidet: Das ist der Metallbau, der als Zulieferer für das produzierende Gewerbe arbeitet und der natürlich im gleichen Umfang betroffen ist wie die Industrie, wie der produzierende industrielle Mittelstand.

Das Statistische Landesamt hat uns erst Anfang Oktober die neuesten Zahlen gegeben: Es gibt über ein Drittel weniger Aufträge für die Industrie im laufenden Jahr, und im Maschinenbau liegt der Rückgang sogar bei über 40 %.

Dieser Bereich der baden-württembergischen Wirtschaft ist von einem Thema ganz besonders betroffen und bedroht, das als Schlagwort „Kreditklemme“ einmal behandelt und besprochen wird, bei dem wir aber keinerlei Konzept der Landesregierung sehen, um diesem wichtigen Teil der baden-württembergischen Wirtschaft wirklich unter die Arme zu greifen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident Oettinger, Sie haben Ihr Kabinett nach München geführt. Sie haben zusammen mit der Bayerischen Staatsregierung getagt. Das Ergebnis wurde dann in einer Pressemitteilung mit der Überschrift „Bericht aus der Kabinettssitzung“ veröffentlicht. Unter Punkt 2 steht: „Finanzminister Fahrenschon und Stächele fordern vier Punkte zur Bekämpfung der Kreditklemme mittelständischer Unternehmen.“ Gut! Dabei ist ein Schönheitsfehler enthalten: Alle vier Punkte fordern Handlungen in Berlin und in Brüssel.

(Abg. Ingo Rust SPD: Ach! Das ist einfach!)

Eigenes war und ist bis heute weder in Stuttgart noch in München vorgesehen. Sie haben aber wenigstens erkannt, dass es ein Thema Kreditklemme gibt.

Sie fordern vier konkrete Punkte. Aber völlig unverständlich ist dann: Kaum ist man wieder aus München zurück, nachdem man vier konkrete Punkte zur Bekämpfung der Kreditklemme bei mittelständischen Unternehmen eingefordert hat, hören wir sowohl von Herrn Stächele als auch heute wieder von Herrn Pfister: Eine Kreditklemme gibt es eigentlich gar nicht.

(Zuruf von der SPD: Stimmt das denn?)

Weshalb fährt eine ganze Regierung nach München, um vier konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Kreditklemme zu beschließen, und dann, wenn sie wieder zurück ist, heißt es: „Es gibt keinen Handlungsbedarf, denn wir sehen die Kreditklemme nicht“?

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich kann Ihnen das alles vorlesen. Sie haben es heute wieder selbst gesagt.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Vielleicht war er nicht dabei!)

Wenn Sie schon nicht selbst darauf kommen, dann muss doch klar sein, dass Sie auf die Leute hören müssen. Sie beziehen sich auf die Bürgschaften. Der Herr der Bürgschaften, der Chef der Förderbank, sagt: „Die Kreditklemme trifft vor allem den Mittelstand.“ Er sieht die Kreditklemme. Die ist da. Der Bund der Selbständigen hat eine Erhebung gemacht, in der er nachweist, dass insbesondere der Mittelstand unter dem Thema Kreditklemme leidet.

Deshalb, Herr Ministerpräsident, will ich jetzt von Ihnen wissen: Sieht die Landesregierung von Baden-Württemberg ein Thema in der Bekämpfung der Kreditklemme, ja oder nein? Das kann man nicht mehr dem Finanzminister und nicht mehr dem Wirtschaftsminister überlassen.

(Beifall bei der SPD)

Die Kreditklemme hat eine doppelte Ursache. In der Debatte wurde schon darauf hingewiesen: Das Eigenkapital bei den Unternehmen ist die zentrale Frage. Wenn Unternehmen über Monate 40 oder 50 %, manche 60 % weniger Aufträge haben, dann leben sie natürlich von der Substanz. Sie brauchen erst die Reserven auf, und dann verbrauchen sie ihr Eigenkapital. Wenn sie dann zur Bank gehen und sagen, dass sie jetzt einen Kredit benötigen, dann schaut die Bank auf das Eigenkapital des Unternehmens

(Abg. Fritz Buschle SPD: Genau!)

und sagt: „Sorry, du hast zu wenig Eigenkapital. Wenn ich dir einen Kredit gebe, dann muss ich selbst mein Eigenkapital erhöhen.

(Abg. Fritz Buschle SPD: So ist es!)

Ich habe jedoch kein Geld, um mein Eigenkapital zu erhöhen.“ Wir haben eine doppelte Eigenkapitalproblematik, und zwar bei den Unternehmen und bei den Banken.