Protocol of the Session on July 30, 2009

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist nicht tra- gisch! Wir sind leidensfähig!)

Nun ist viel über Innovationen gesprochen worden. An unseren Schulen sind Innovationen vor allem im Hinblick auf das vorgenommen worden, was pädagogisch notwendig ist und was geschehen muss, um die Unterrichtsqualität zu verbessern. Der Herr Minister hat auch dafür Beispiele genannt, deren Aufzählung sich beliebig erweitern ließe. Sie bezeichnen immer nur das als Innovationen, was mit organisatorischen Veränderungen einhergeht.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das ist überhaupt nicht wahr!)

Das ist das, was Sie verlangen und bei dem Sie dann noch immer sagen: „Lassen Sie endlich Innovationen zu!“

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: „Die über das hi- nausgehen“, habe ich gesagt!)

Es finden Innovationen statt, und hierfür braucht man die Veränderung der Rahmenbedingungen, die Sie fordern, gar nicht vorzunehmen. Genau diese Innovationen sind diejenigen, die die Kinder nach vorn bringen, weil sie auf die Unterrichtsqualität abzielen. Dabei brauchen wir nicht Ihren Aufruf, das zu machen; dieser Aufbruch kann in Baden-Württemberg an jeder Schule stattfinden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Das Wort erhält Herr Abg. Kleinmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist klar: Modelle, die wir inszenieren, brauchen auch eine gewisse Nachhaltigkeit. Ebenso brauchen sie eine gewisse Durchlässigkeit. Was passiert denn, wenn ein Schüler mit seinen Eltern an einen anderen Ort zieht, dort eine andere Schule besuchen muss

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Bildungsstandards! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Bildungspläne!)

ja, langsam –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der Bildungsplan gilt überall! – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Die Stan- dards gelten an allen Schulen!)

und dort dann möglicherweise ein völlig anderes Modell vorfindet? – Die Bildungsstandards, Frau Kollegin Rastätter, sind

vorgegeben; das ist gar keine Frage. Aber dass eine gewisse Durchlässigkeit, eine gewisse Praktikabilität und eine gewisse Nachhaltigkeit vorhanden sein müssen, werden Sie doch ganz gewiss nicht bestreiten wollen. Deshalb kann natürlich nicht jede Schule machen, was sie will, sondern hier muss eine gewisse Genehmigungspflicht bestehen. Das werden Sie mir und uns insgesamt sicherlich zugestehen.

Ich habe schon gesagt: Lassen Sie uns doch einen Fachbeirat gründen, der über diese verschiedenen Modelle entscheidet. Ob das dann fünf, zehn oder sogar 15 Modelle sind, kann man dann noch sehen. Darin sollen auch Externe sitzen, nicht nur diejenigen, die an den Schulen unterrichten,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Zeller und Rastätter! – Gegenruf des Abg. Stefan Mappus CDU: Und die Frau Arnold kommt auch dazu!)

aber auch diese. Auf diese Art und Weise, meine ich, kann man wirklich eine qualifizierte, innovative Modellpalette bekommen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Kleinmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Rastätter?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die fragt ja nicht! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber nicht zu lange reden!)

Frau Kollegin, ich bitte Sie darum.

Herr Kollege Kleinmann, sind Sie sich dessen bewusst, dass die Schulen schon heute in sehr unterschiedlicher Weise pädagogisch arbeiten

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Das stimmt!)

und dass z. B. an einer Grundschule sogar über vier Jahre hinweg jahrgangsübergreifend gearbeitet wird, nämlich mit Montessori-Pädagogik?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nicht überall er- folgreich!)

Wenn ein Kind dann an eine andere Grundschule kommt, die jahrgangsbezogen arbeitet, dann führt das, sofern es sich dabei um eine gute Grundschule handelt, durchaus nicht zu Problemen. Das Kind kann ohne Weiteres integriert werden und im Unterricht gut mitkommen. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass die Bildungsstandards verlässlich garantieren, dass ein Kind, das die Schule wechselt, in der neuen Schule problemlos wieder integriert werden kann?

Frau Kollegin Rastätter, Letzteres habe ich schon vorher in meiner Rede gesagt: Die Bildungsstandards sind tatsächlich festgelegt. Sie stellen den eigentlichen Level dar, der eingehalten werden muss. Auf dessen Einhaltung müssen wir achten; das ist gar keine Frage.

Aber ich darf doch an die Debatte erinnern, bei der es darum ging, Englisch und Französisch an der Rheinschiene verbind

lich einzuführen. Welches Argument kam denn da ständig von Ihrer Seite? Es hieß: „Wenn die Schüler aus der Rheinschiene, die mit Französisch begonnen haben, umziehen und danach eine Schule besuchen müssen, die Englisch als erste Fremdsprache hat, dann ist das die Katastrophe schlechthin!“

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl, so ist es! Hervorragend, Herr Kollege Kleinmann!)

Und jetzt argumentieren Sie gerade umgekehrt: „Gar kein Problem; Modell hin, Modell her; völlig egal!“

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Klasse, Kollege Kleinmann! Haar- scharf! – Abg. Stefan Mappus CDU: Exzellent, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren, vorhin ist das Thema „Längeres gemeinsames Lernen“ angesprochen worden. Wir wollen jetzt einmal die Verlängerung der Grundschulzeit beiseite lassen. Die Forderungen, Herr Zeller, reichen ja bis dahin, zehn gemeinsame Jahre vorzusehen, also vier Jahre Grundschule, denen sechs gemeinsame Jahre an einer weiterführenden Schule folgen. Das schöne Zauberwort heißt dann immer „Binnendifferenzierung“. Meine Damen und Herren, die einheitliche Unterrichtung bedeutet aus unserer Sicht, dass man auf die individuellen Probleme jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers viel weniger eingehen kann, als wenn man differenziert unterrichtet.

Lassen Sie mich das an Beispielen darlegen. In Finnland, wo wir waren, werden die schwachen Schülerinnen und Schüler in den Klassen 1 und 2 herausgenommen, nach Ihrer Terminologie separiert oder selektiert,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau! Selektiert sogar!)

um sie in einem Frontalunterricht zwei Jahre ganz gezielt zu unterrichten

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

aber natürlich, Frau Rastätter –, damit sie nachher in der dritten Klasse wieder in den normalen Schulunterricht integriert werden können.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wie machen Sie es denn im Konfirmationsunterricht? Selektieren Sie da auch?)

Meine Damen und Herren, in Frankreich haben wir die Collèges erlebt; es gibt sie zweizügig, dreizügig und vierzügig. Die Schülerinnen und Schüler werden nicht nach dem Alphabet aufgeteilt, sondern nach deren Lernmöglichkeiten und Fähigkeiten. Damit wird wiederum eine größere Differenzierung vorgenommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und die Flexklas- sen in Schleswig-Holstein!)

Sie haben vorhin die Geschwister-Scholl-Schule angesprochen. Das war eine Gesamtschule, Frau Rastätter; da haben Sie recht. Auf Wunsch der Eltern wurde die Gesamtschule ab

geschafft und wieder differenziert die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium eingeführt.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Was braucht es denn noch mehr an Beweisen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Hervorra- gend!)

um zu widerlegen, dass das gemeinsame längere Lernen besser wäre?

Im Übrigen sage ich Ihnen: Längeres gemeinsames Lernen heißt am Schluss nicht, dass die Starken nicht ausreichend gefördert würden,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

sondern dass die Schwachen letztlich auf der Strecke bleiben und nicht so gefördert werden können wie in einem differenzierten System.