Typisch ist auch, dass Sie nichts zu Herrn Leibinger gesagt haben; denn auf Herrn Leibinger haben Sie keinen disziplinarischen Zugriff. Seien wir ehrlich: Wir können die Debatte führen, aber dann müssen wir sie ernsthaft führen.
An dieser Stelle muss man einmal benennen, wie das Wissenschaftsministerium und sein Abteilungsleiter Knorr mit kritischen Stellungnahmen umgehen, die aus den Hochschulen kommen, und welche Sanktionen in den Raum gestellt werden, wenn sich Hochschulrektoren kritisch äußern, sogar intern kritisch äußern.
Herr Ministerpräsident, was sagen Sie denn zu Herrn Leibinger, der – von Ihnen und auch vom Wissenschaftsminister unwidersprochen – sagt, allein an der Universität Stuttgart fehlten 800 Millionen €, um den Betrieb einigermaßen nach vorn zu bringen, davon 400 Millionen € für notwendige Erhaltungsinvestitionen und 400 Millionen €, um den Lehrbetrieb nach vorn zu bringen? Natürlich ist die Universität Stuttgart ein guter Partner der Automobilindustrie; das wissen wir auch. Wir haben aber schon unsere Zweifel, ob dies etwas mit Herrn Frankenberg zu tun hat.
Etwas ist auch lustig: Wenn Sie sagen, dass Herr Frankenberg als Person eine große Mitverantwortung für den Erfolg der badischen Universitäten bei der Exzellenzoffensive hat, dann ist er umgekehrt auch für den Misserfolg der württembergischen Universitäten verantwortlich. Wo sind wir denn? Entweder gibt es eine Gesamtverantwortung – –
(Beifall bei der SPD – Abg. Stefan Mappus CDU: Ha no! So ein Blödsinn! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist falsch! – Zuruf von der FDP/DVP: Jetzt kommt am Schluss noch der Großherzog! – Wei- tere Zurufe von der CDU und der FDP/DVP – Leb- hafte Unruhe)
Da sehen Sie, wie schnell Ihre Argumente in sich zusammenfallen. Wenn er eine Verantwortung für den Erfolg hat, dann hat er auch eine Verantwortung für den Misserfolg an anderer Stelle. Nur das eine ohne das andere geht nicht.
(Abg. Stefan Mappus CDU: Sehr schön! Optimal! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das liegt ja auch in Baden!)
(Abg. Stefan Mappus CDU: Aber nur, weil es in Ba- den liegt! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Haben Sie ein Problem mit Württembergern, Herr Schmie- del?)
Sie haben wieder den Zustand der Lehre und der Studienangebote in den blauen Himmel gelobt. Sie haben gesagt, Baden-Württemberg sei besonders gut auf das Jahr 2012 vorbereitet. Vergleicht man die Zahl der studierenden Landeskinder Baden-Württembergs mit dem Angebot an Studienplätzen in Baden-Württemberg, sieht man, dass wir im eigenen Land nicht so viele Studienplätze anbieten können, wie Landeskinder aus Baden-Württemberg in der Bundesrepublik studieren. Das ist amtliche Statistik. Deshalb muss man zumindest sehr selbstkritisch an das Thema herangehen. Sind wir auf 2012 wirklich so gut vorbereitet, wie Sie sich das immer einreden?
Sie haben jetzt nichts zu den Fehlern gesagt. Das verstehe ich. Sie loben und sagen, dass alles gut ist und dass es ein paar kleine Fehler gibt. Sie bringen ein Zeitungszitat aus Reutlingen, in dem der Antrag als „nassforsch“ beschrieben wird.
Warum haben Sie eigentlich nicht aus den Stuttgarter Zeitungen und anderen Zeitungen zitiert, die sich mit dem wirklich gravierenden Schaden beschäftigen, den der Minister bei der Intendanzfrage angerichtet hat? Das waren ganze Seiten, nicht nur kleine Kommentare. Auf ganzen Seiten wurde über einen Scherbenhaufen berichtet. Sie gehen nicht auf das ein, was der Betroffene selbst sagt, wie er sich behandelt fühlt. Sie gehen auch nicht darauf ein, dass all das, was an Argumenten für die Vorgehensweise das letzte Mal vorgetragen wurde, völlig in sich zusammengebrochen ist. Eile war der Grund für die verfehlte Personalpolitik. Jetzt hat man plötzlich Zeit. Jetzt geht das plötzlich alles. Sie gehen nicht auf den verheerenden Schaden ein, der durch den Umgang mit dem „Pfuschprofessor“ Friedl entstanden ist. Sie gehen auf alle Schwachstellen nicht ein.
Wir halten den Antrag aufrecht, weil wir längst genügend Gründe sehen, dass jemand sagt: „Okay, er hat so viele Fehler gemacht; da muss Schluss sein.“ Wir halten den Antrag aufrecht.
Sie können ihm heute noch einmal das Vertrauen aussprechen, aber ich garantiere Ihnen: Das wird genauso gehen wie bei allen anderen Rücktrittsforderungen, die wir in den vergangenen Jahren eingebracht haben: Diejenigen, deren Rücktritt wir berechtigterweise gefordert haben,
Ebenfalls nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Vorsitzende der Fraktion GRÜNE, Herr Abg. Kretschmann, das Wort.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das kann ich ver- stehen! – Abg. Stefan Mappus CDU: Das glaube ich! – Weitere Zurufe von der CDU)
Das hat einen ganz einfachen Grund: An und für sich ist dieses Pult nicht dafür da, um über politische Taktik zu reden. Das macht man hier eigentlich nicht. Aber wir alle haben hier unsere Rollen und unsere Funktionen. Die Aufgabe der Opposition ist es nun einmal, die Regierung kritisch zu würdigen, und die Aufgabe der Regierungskoalition ist es, die Regierung zu stützen und zu verteidigen. Das alles gehört irgendwie zum politischen Einmaleins.
Wir sind eine selbstständige Fraktion und agieren in diesem Haus so, aber wir sind auch Bestandteil der Opposition. Der Antrag war mit uns nicht abgesprochen – das muss die sozialdemokratische Fraktion auch nicht machen –, aber es ist klar: Wenn eine Oppositionsfraktion einen Antrag auf Entlassung eines Ministers stellt, können wir gar nichts anderes machen, als ihm zuzustimmen.
(Lachen bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Tho- mas Blenke CDU: Jetzt verabschieden Sie sich aber von seriöser Politik! Das war starker Tobak! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Keine weiteren Fragen! – Abg. Werner Pfisterer CDU: Das ist ein Armuts- zeugnis für die Grünen! – Anhaltende lebhafte Unru- he – Glocke des Präsidenten)
Wir wählen ja auch den Ministerpräsidenten nicht, und wir wählen als Opposition auch die Minister nicht.
Da wir eine andere Politik vorschlagen, können wir doch nicht die Politik der Regierung stützen, indem wir gegen diesen Entlassungsantrag stimmen.
(Abg. Hans Heinz CDU: Dann stimmt doch mit „Ent- haltung“! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: „Enthal- tung“! – Weitere Zurufe von der CDU – Unruhe)
Jeder, der das ein bisschen ehrlich durchdenkt, weiß, dass es überhaupt keine Alternative für uns gibt.
(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Herumgeeiere! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist kein Purzelbaum, das ist ein Bauchplatscher! – Zuruf des Abg. Rein- hold Gall SPD)
Wir stellen erst dann einen Entlassungsantrag – um das einmal ganz klar offenzulegen –, wenn wir ziemlich sicher sind, dass er auch Erfolg hat.
(Lachen bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Wann war denn das in den letzten 50 Jahren? – Unruhe – Glocke des Prä- sidenten)
Das ist eben das Einmaleins der politischen Taktik: nur, wenn er auch Erfolg verspricht. Das heißt, es muss ein schweres Fehlverhalten des Ministers vorliegen,
ein Fehlverhalten, das man sozusagen gar nicht mehr abweisen kann, und dann muss er zurücktreten. Aber es ist natürlich völlig klar, dass Minister Frankenberg ausgedient hat. Das hat die Kollegin Bauer in überzeugender Weise dargelegt.