Protocol of the Session on July 29, 2009

(Abg. Reinhold Gall SPD: Geld geben Sie keines! Geld geben Sie zu wenig!)

Noch einige Fakten, meine Damen und Herren, weil Sie ja vorhin gesagt haben, wir sollten in diesem Themenbereich Fakten liefern, weil Sie auch immer wieder Stimmung gegen die Universitäten machen,

(Zuruf von der SPD: Quatsch!)

insbesondere zu dem vermeintlich negativen Instrument der Studiengebühren. Lassen Sie mich noch auf eines hinweisen: Die Studienanfängerzahlen in Baden-Württemberg haben entgegen dem, was Sie ständig behaupten,

(Abg. Johannes Stober SPD: Mehr Abiturienten!)

allein zum letzten Wintersemester um 10 % zugenommen. Baden-Württemberg hat den höchsten Anteil an Hochschulabsolventen unter allen Flächenländern. Wir haben mit den Einnahmen aus den Studiengebühren in den letzten Jahren die Hochschulbibliotheken vorangebracht, mit allein 43 Millionen € im letzten Jahr die technische Ausstattung optimiert und rund 60 Millionen € für zusätzliches Lehrpersonal ausgegeben.

Meine Damen und Herren, hören Sie endlich auf, dieses Land schlechtzureden!

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl! So ist es!)

Hören Sie auf, die Politik schlechtzureden! Ziehen Sie Ihren Antrag zurück, bevor Sie sich weiter blamieren!

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Jawohl! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wer andern eine Grube gräbt! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Dieses Zitat stammt aber nicht von Zimmermann! – Abg. Thomas Blenke CDU zur SPD: Verhaut nachher den Stober nicht!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich meine fünf Minuten Redezeit dafür nutzen, Ihnen zu erläutern, warum die Fraktion GRÜNE den Antrag der SPD auf Entlassung des Ministers für einen Fehler hält

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zurufe von der CDU: Oi! – Abg. Dieter Klein- mann FDP/DVP: Sehr gut!)

klatschen Sie nicht so lange; das geht von meiner Redezeit ab –

(Abg. Thomas Blenke CDU: Da sind wir großzü- gig!)

und warum wir trotzdem dafür sind, dass der Wissenschaftsminister nicht länger dieses Ministerium führt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD zur CDU: Da könnt ihr klatschen! – Abg. Stefan Mappus CDU: Es geht nichts über eine klare Logik!)

Zunächst zu Herrn Professor Frankenberg: Ich habe in der Presse gelesen – Sie vielleicht auch –, dass der Minister gern Witze erzählt, z. B. folgenden: Was haben das Wissenschaftsministerium, eine Fronleichnamsprozession und eine Chefvisite im Krankenhaus gemeinsam? Bei allen dreien läuft ein älterer Mann vorneweg, der nicht mehr alles mitkriegt, und um das zu vertuschen, redet er die meiste Zeit auf Latein, und die Gefolgschaft läuft hinter ihm her und nickt mit den Köpfen.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen)

Der Minister erzählt diesen Witz allerdings ohne den Clou mit seinem Ministerium.

(Zurufe, u. a. Abg. Stefan Mappus CDU: Jetzt belei- digen Sie auch noch die Chefärzte in den Kranken- häusern! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Der Minister hätte den Witz besser erzählt! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Schon lange nicht mehr bei einer Fronleichnamsprozession gewesen! – Un- ruhe)

Unser Minister, der auch gern auf das Lateinische zurückgreift, hat ein doppeltes Problem. Er hat erstens das Problem,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Jetzt begründen Sie doch erst einmal, warum Sie gegen den Antrag auf Entlassung sind!)

dass er von den meisten nicht verstanden wird, wenn er redet. Das können Sie hier im Haus auch immer in schöner Regelmäßigkeit erleben.

(Unruhe bei der CDU)

Aber darüber hinaus macht er auch nicht den Eindruck, dass es ihm wirklich wichtig ist, dass er verstanden wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Zweitens hat der Minister das Problem, dass er mit seinem Latein am Ende ist.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Jetzt haben Sie ihn doch gerade gelobt!)

Er ist vor acht Jahren mit einem Reformprojekt angetreten, aber mit seinen Reformen stecken geblieben, festgefahren und in seinen eigenen Widersprüchen gescheitert.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Was jetzt?)

Lassen Sie mich das kurz ausführen: Der Minister tritt gern mit der Attitüde des Professors auf,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Er ist Pro- fessor!)

mit einer Attitüde und in einer Pose, mit denen er suggeriert, die Niederungen der Politik seien nicht seine Welt. Er ist stark, wenn es um den klugen Monolog geht. In dialogischen Situationen wird es schwierig für ihn, weil er dann wortkarg, geradezu unnahbar wird. Meine These ist: Die vielen Fehler, die Kollege Schmiedel von der SPD eben angeführt hat, ob es um Friedl, den Professor aus Freiburg, ob es um den Kulturgüterkauf oder ob es um das Problem mit der Stuttgarter Intendanz geht, sind im Wesentlichen auf die fehlende Kommunikation, das fehlende direkte Gespräch und den fehlenden ernsthaften Dialog zurückzuführen. Es reicht halt nicht aus, sich von ein paar Leuten aus dem eigenen Ministerium etwas einflüstern zu lassen und ansonsten seine einsamen Entscheidungen zu treffen.

(Beifall bei den Grünen)

Zu der Frage, warum der Minister mit seinem Latein am Ende ist: Er ist mit der Idee angetreten, die Hochschulen zu reformieren und sie nach der Leitidee von Unternehmen umzuformen. In diesem Stil hat er das Landeshochschulgesetz verändert. Allem voran ist hier die Schnapsidee zu erwähnen, dass sich die Rektorate jetzt „Vorstände“, die Uniräte „Aufsichtsräte“ und die Rektoren „Vorstandsvorsitzende“ nennen sollen. Von den gesamten Universitäten im Land hat keine einzige diese Idee übernommen. Sie alle machen es anders, als es im Gesetz vorgesehen ist. Die Hochschulen sind nun einmal keine Unternehmen, und sie können und sollen nicht das Ziel verfolgen, Gewinne zu maximieren und entsprechend kurzfristig zu denken. Hochschulen brauchen eine eigene Leitidee. Sie müssen Wahrheitssuche und Erkenntnissuche betreiben, und sie haben sich zum Glück immer dagegen gesperrt, nach dem Modell von Unternehmen umgebaut zu werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie haben im Hochschulgesetz Steuerungsinstrumente entworfen: Hochschulverträge, Zielvereinbarungen, leistungs orientierte Mittelvergabe. All diese Instrumente sind Fragmente geblieben. In den letzten fünf Jahren haben Sie ganze sechs Zielvereinbarungen auf die Reihe bekommen. Die Hochschulverträge liegen auf Eis. Bei der leistungsorientierten Mittelvergabe an den Universitäten ist seit Jahren nichts herausgekommen. Ihr Steuerungsmodell ist gescheitert.

Zum Thema Studiengebühren bliebe viel zu sagen. Wir haben im Haus schon öfter darüber diskutiert. Sie haben sozial ver

trägliche Studiengebühren und verbesserte Studienbedingungen versprochen, insbesondere auch über die Einführung von Bachelor und Master. Heute sehen wir vielerorts ein verschultes Studium, ein Übermaß an Klausuren, Druck und Hektik. Wenn man Sie fragt, wer dafür verantwortlich ist, zucken Sie mit den Schultern und sagen: „Ich verstehe auch nicht, warum das so umgesetzt wurde.“ Sie wollen es nicht gewesen sein und schieben die Verantwortung auf die Hochschulen ab.

(Beifall bei den Grünen)

Nächstes Stichwort: Sie haben gesagt, mit Ihnen werde die Hochschulzulassung besser, besonders durch das Selbstauswahlrecht der Hochschulen. Heute haben wir ein Chaos, wie es vorher nie eines gegeben hat, einen Hürdenlauf, bis man seinen Studienplatz hat. Darüber hinaus haben Sie auch noch dafür gesorgt, dass dieser Hürdenlauf in zwei Jahren mit einer zusätzlichen flächendeckenden Aufnahmeprüfung getoppt wird, die an baden-württembergischen Universitäten in NCStudiengängen eingeführt wird.

Ein letztes Stichwort: Sie sind der Minister, der mit dem Slogan „Mehr Autonomie für die Hochschulen“ angetreten ist. Sie haben eine gute Idee diskreditiert. Denn heute bedeutet Autonomie für die Hochschulen das Recht der Hochschulen, den Finanzmangel durch Unterfinanzierung in der Lehre selbst zu verwalten, das Recht der Hochschulen, die Quadratur des Kreises zu vollziehen und bei der Umstellung auf die neuen Studiengänge gleichbleibende Kapazitäten zu gewährleisten, dafür das gleiche Geld zu bekommen, aber betreuungsintensivere Studiengänge anbieten zu müssen. Das können die Hochschulen gar nicht schaffen. Autonomie bedeutet unter Frankenberg das Recht der Hochschulen, Studiengebühren flexibel zum Haushaltslöcher-Stopfen einzusetzen, während der Minister draußen öffentlich verkündet: Studiengebühren werden nur zur Verbesserung der Lehre eingesetzt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Pfeifendeckel!)

Autonomie hat vor allem für den Minister eines gebracht: die Freiheit von der Verantwortung für die Folgen seiner politischen Vorgaben, die Freiheit, vor dem Parlament nicht mehr Rede und Antwort stehen zu müssen, und die Freiheit, autonomer handeln zu können. Der Minister hat es damit geschafft, die gute Idee der Autonomie der Hochschulen zu diskreditieren.

(Beifall bei den Grünen)

Ganz am Ende noch einen Satz zur SPD und zu ihrem Antrag: Ich kann nicht nachvollziehen, was dieser Entlassungsantrag heute bezwecken soll; das ist mir völlig schleierhaft. Wenn Sie sich die Bierzeltatmosphäre in diesem Haus heute anschauen, verstehen Sie, was ich meine. Sie erreichen mit diesem Antrag heute vor allem eines: CDU und FDP/DVP schließen die Reihen hinter ihrem Minister.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Stefan Mappus: Was für eine Atmosphäre?)

Wenn Sie in den letzten Monaten draußen auf den Fluren zugehört haben, haben Sie von den Kollegen der Regierungsfraktionen hinter vorgehaltener Hand immer gehört: „Der Minister ist amtsmüde; das wird nichts mehr.“ Heute erleben wir

den demonstrativen Schulterschluss der Regierungsfraktionen. So viel Zuspruch hat der Minister doch schon seit Monaten aus seinen Reihen nicht mehr erhalten. Das wird heute noch einmal vorgeführt. Ich halte ein solches Manöver schlicht für unprofessionell.

Wir werden dem Entlassungsantrag dennoch zustimmen,