Zweite Feststellung: Wir haben sehr wohl einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag, der sich auch im Schulleben widerspiegelt.
Sie wissen, dass wir seit Jahrzehnten eine Bildungspolitik betreiben, die in kontinuierlicher Weise dazu führen soll, Eltern stärker in die Verantwortungsgemeinschaft der Schule einzubeziehen. Das ist nicht der Kern des heutigen Themas, aber wenn Sie Ihre Intervention darauf konzentrieren, sage ich ganz deutlich: Eltern sind nicht nur dazu eingeladen, gemeinsam mit unseren Lehrkräften den Bildungsauftrag an unseren Schulen zu gestalten,
(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Immer dann, wenn die Eltern eine eigene Meinung haben, werden sie abge- bügelt!)
sondern Eltern haben diesbezüglich auch gemeinsam mit dem Staat einen Erziehungsauftrag wahrzunehmen. Die meisten Eltern tun dies auch in vorbildlicher Weise.
Wenn man den Qualitätsentwicklungsprozess betrachtet, den Sie genauestens kennen – im Übrigen haben Sie dies ja im Grundsatz auch unterstützt –, dann muss man feststellen: Die Eltern haben hier eine maßgebliche Rolle einzunehmen. Sie tun es auch. Nachhilfeunterricht haben wir an dieser Stelle überhaupt nicht nötig, Herr Kollege Kretschmann.
Damit darf ich konkret zu den Schulfördervereinen kommen. Die Berichterstattung über das Urteil des Bundesfinanzhofs war irreführend. Das muss man ganz deutlich sagen. Dies hat auch landesweit zu Überreaktionen geführt, weil davon ausgegangen wurde – vor allem bei den nicht Kenntnisreichen; es muss ja nicht jeder in unserem Land Steuerexperte sein –, dass plötzlich ein neuer Steuertatbestand eingeführt wurde und die Schulfördervereine plötzlich eine Umsatzsteuer zu entrichten haben. Es handelt sich hierbei eben nicht um eine Neuregelung – ich bin über den Konsens der Bewertung hier in diesem Hohen Haus dankbar –, sondern es geht darum, zu kommunizieren, was die Schulfördervereine jetzt brauchen, unter welchen Voraussetzungen sie eine Steuerbefreiung erwirken können. Ich erwähne nicht die einzelnen Aspekte, die aus den Stellungnahmen des Finanzministeriums genau hervorgehen. Tatsache ist, dass das Finanzministerium sehr rasch nach der Sommerpause in einer Informationsbroschüre sehr umfassend und präzise auch auf die Fallkonstellationen eingehen
und genau das erläutern wird, was Schulfördervereinen geraten wird, um eine Steuerbefreiung zu erreichen. Wir werden gemeinsam mit dem Landesverband der Schulfördervereine eine Kommunikationsstrategie entwickeln, um die Vereine über diesen Weg direkt zu erreichen.
Darüber hinaus werden wir gemeinsam mit unseren Finanzbehörden und auch gemeinsam mit dem Landesverband der Schulfördervereine die Situationen in der Fläche des Landes beobachten. Wenn wir dabei in den nächsten Monaten feststellen, dass in der Tat ein politischer Handlungsbedarf besteht, werden wir ergebnisoffen nochmals die Überlegung prüfen, eine Bundesratsinitiative in die Wege zu leiten. Aber die se Prüfung steht jetzt noch nicht an. Zunächst einmal ist Kommunikation und Information angesagt.
In diesem Zusammenhang ist es mir ein außerordentliches Bedürfnis, dem Landesverband der Schulfördervereine und auch den Schulfördervereinen selbst für dieses hervorragende Engagement zu danken, das sie sehr gern für unsere Kinder und unsere Familien erbringen.
Meine Damen und Herren, Ehrenamt ist der Spiegel der Gesellschaft. Wenn wir die verschiedenen Ehrenamtsprogramme anschauen, stellen wir gesellschaftliche Aktivitäten fest, z. B. beim Jugendbegleiterprogramm oder
beim Schülermentorenprogramm. Bei dem Engagement der Eltern in den Schulfördervereinen stellen wir fest: Es sind in zunehmendem Maß Eltern, die sich in den unterschiedlichsten Sparten des Ehrenamts engagieren.
Es sind nicht die Mütter, die zunächst einmal die Hand aufhalten und nach dem Staat rufen, sondern sie sind vorbildlich für einen sozialen Zusammenhalt, den wir gerade in der Zukunft brauchen. Reden Sie das doch nicht schlecht.
Erstens lassen es die globalen Entwicklungen insbesondere auf wirtschaftlichem und ökologischem Gebiet nicht zu, zu glauben, wir hätten in 20, 30 Jahren noch einen Staat, der wohlfeil Reichtümer verteilen könnte.
Zweitens lässt es die Entwicklung der Demografie auch und gerade unter Berücksichtigung der Zuwanderung und der Integrationsfrage nicht zu, zu glauben, künftige soziale Spannungen ließen sich ohne die Erhaltung, die Pflege und auch die Neuerrichtung bürgernaher sozialer Netzwerke abbauen.
Drittens müssen wir auch erkennen, dass Bildung eben nicht nur in Institutionen abläuft, sondern in einem weit höheren Maß außerhalb, nämlich in der Familie oder dem, was die Familie im Guten oder Schlechten ersetzt, und im sonstigen gesellschaftlichen Umfeld eines jungen Menschen.
Deswegen erarbeiten wir gerade ein Gesamtbildungskonzept mit den Bündnispartnern für die Jugend, um uns gemeinsam mit den Verbänden der Jugendarbeit genau dieser Aufgabenstellung zu widmen.
Wir sehen schon jetzt, dass in allen drei Feldern Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement unersetzbare, im wahrsten Sinn des Wortes staatstragende Dienste leisten. Ohne Eh renamt wäre der Dialog zwischen den Generationen längst abgebrochen und gäbe es kaum mehr das jetzige Ausmaß an menschlicher Pflege und Versorgung alter Menschen bei gleichzeitiger Betreuung junger Menschen durch Senioren. Sozialer Zusammenhalt wird durch das Ehrenamt gestärkt.
Ohne die ehrenamtliche Arbeit von Religionsgemeinschaften, Einwanderervereinen und Integrationshelfern, vor allem aber von ganz normalen Vereinen, insbesondere im Sportbereich, wäre die Integration mancher Migranten nicht so reibungslos geglückt. Integration geschieht in der und durch die Bürgergesellschaft.
Ohne die vielen Unternehmen, Privatleute, Religionsgemeinschaften, Einrichtungen und Behörden, die wissen, dass sie Bildung anbieten, und sich immer mehr auch zu Bildungsregionen zusammenschließen, wäre unsere Bildungslandschaft unvollständig. Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – heute schon und auch in Zukunft.
Baden-Württemberg ist ein Land der lebendigen Bürgergesellschaft und des hohen Engagements. Denn die Menschen hier warten nicht ab, sie schauen nicht zu, sondern sie tun etwas. Ob es Mütter sind oder Jugendliche, sie nehmen gleichermaßen ein gesamtgesellschaftliches Engagement wahr.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wenn die Landesre- gierung nichts tut, müssen die Menschen etwas tun! – Abg. Reinhold Gall SPD: Unbestritten!)
Ich weiß, die Menschen in diesem Land können und wollen auch bei der Gestaltung ihrer Zukunft genauso engagiert mitwirken. Dafür sind wir dankbar. Hoffentlich sind Sie es auch.
Ich lasse über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu den Anträgen, Drucksache 14/4905, abstimmen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Ich stelle fest, dass dieser Beschlussempfehlung einstimmig zugestimmt wurde.
Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/ DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Erinnerung an DDR-Diktatur wachhalten – Drucksache 14/3303
Dazu rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/4916, mit auf.
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags durch die FDP/DVP-Fraktion fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! 20 Jahre nach der friedlichen Revolution und dem Mauerfall hat das Geschichtsbewusstsein, was die DDR angeht, bei unseren Schülerinnen und Schülern einen Tiefpunkt erreicht.
Zu viele Jugendliche meinen, Helmut Schmidt und Helmut Kohl seien DDR-Politiker gewesen, Erich Honecker habe in der Bundesrepublik regiert und die Alliierten, hauptsächlich die USA, hätten die Berliner Mauer gebaut. Gab es in der DDR Stasi, Todesstrafe – bis 1987 – und Misswirtschaft? Fehlanzeige! Die Schüler haben keine Ahnung. Die DDR wird teilweise als Fabelland gesehen: Die DDR sei keine Diktatur gewesen, sondern die Menschen hätten sich – wie überall – einfach anpassen müssen. Die SED-Diktatur wird als Sozial idyll, als Kinder- und Umweltparadies gesehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sind nur einige sehr erschütternde Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin durch Herrn Professor Dr. Schroeder. Gefragt wurden die Schülerinnen und Schüler in Berlin sowie in vier weiteren Bundesländern.
Gefragt wurde auch, wo der Volksaufstand stattfand und wo bis 1987 die Todesstrafe im Gesetz verankert war. Dass die Antwort „DDR“ war, glaubten nur 17 % der Schüler in den neuen und 26 % der Schüler in den alten Bundesländern. Aus mangelndem Faktenwissen ergibt sich ein Geschichtsbild der DDR, das keinerlei Maßstäbe für eine Unterscheidung zwischen Demokratie und Diktatur hat. Das ist sehr erschütternd.