Protocol of the Session on July 29, 2009

Die Musikwirtschaft gehört zu den klassischen und wichtigen Teilmärkten der Kulturwirtschaft. 2006 hat die Kulturwirtschaft in Baden-Württemberg insgesamt rund 18 Milliarden € Umsatz gemacht. 151 000 Erwerbstätige haben in 28 000 Unternehmen einen Arbeitsplatz. Der Anteil an der Gesamtwirtschaft des Landes betrug damals immerhin 6,6 %. Das ist ein nicht unbedeutender Beitrag.

Welche Bedeutung speziell die Musikwirtschaft in BadenWürttemberg hat, aber auch, was der Standort Baden-Würt temberg für die Musikwirtschaft bedeutet, machen folgende Zahlen aus der Antwort auf die Große Anfrage deutlich: Die Umsatzerlöse betrugen im Jahr 2006 über 490 Millionen €. Über 8 500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte arbeiten im Musiksektor, und der Anteil der freiberuflich Tätigen steigt dort stetig an. Die Anzahl der Unternehmen betrug rund 1 350.

Bisher wird die Kulturwirtschaft schwerpunktmäßig durch die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen, Infrastruktur, aber auch durch Aus- und Weiterbildung gefördert. Erstmals im Jahr 2006 hat die Musikwirtschaft bei der Mehrheit der einzelnen Wirtschaftszweige wieder eine positive Entwicklung verzeichnet.

Allerdings bleibt die Lage für die Beschäftigten immer noch schwierig, weil die Zahl der existenzfähigen Arbeitsplätze – diesen Begriff muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: die Zahl der existenzfähigen Arbeitsplätze – sinkt; sie sinkt zwar nicht mehr so dramatisch, aber sie sinkt weiterhin. Es gibt in der Tat in dieser Branche eine ganze Menge Arbeitsplätze, die eben keine eigenständige Existenz sichern. Ich glaube, das ist das größte Problem dort überhaupt.

Die Zahl der Einzelunternehmen ohne Festangestellte wächst kontinuierlich, während die Zahl der abhängig Beschäftigten zurückgeht. Die Musikwirtschaft entwickelt sich zu einer Projektwirtschaft mit vielen Nischenmärkten.

Welche Konsequenzen hat das für das Land? Wir haben eine breite Musikszene, geprägt durch freiberuflich tätige oder selbstständige Musiker und Komponisten. Bei traditionellen gewerblichen Unternehmensstrukturen wie Instrumentenbau, Verlagen und Fachhandel ist ein Rückgang zu verzeichnen. Auch bei der Tonträgerindustrie, in der allein die großen Un

ternehmen die verschiedenen Wertschöpfungsstufen abdecken, geht der Umsatz in der Regel zurück.

Allgemein wird zwischen der Musikwirtschaft im engeren Sinn und der Musikwirtschaft inklusive Phonomarkt unterschieden. Unter Phonomarkt werden Tonträger-, Download- und Mobile- sowie Musikvideomarkt subsumiert. Neben traditionell manuell-handwerklichen Wirtschaftsformen stehen also neue Formen der digitalisierten Musikprodukte und die Entwicklung von Onlinedienstleistungen im Vordergrund.

Darauf muss sich dann auch das ausrichten, was wir für die Zukunft dieser Musikwirtschaft tun. Auf diese Frage möchte ich in der zweiten Runde noch eingehen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Was für eine zweite Runde?)

Beim Schlusswort.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Löffler für die Fraktion der CDU.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Jetzt kommt der Altro- cker!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! „Mei Feld isch d’ Welt“ war das Motto von Matthias Hohner. Vor über 150 Jahren erkannte das schwäbische Traditionsunternehmen aus Trossingen, welche Chancen die Globalisierung für den Instrumentenbau bietet.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Heute ist die Musikwirtschaft als Teilmarkt der Kulturwirtschaft so global vernetzt wie kaum ein anderer Markt, und kaum ein anderer Markt ist so vielfältig aufgestellt wie der Musikmarkt. Wir finden eine breite kreative Musikszene, geprägt durch freiberufliche und selbstständige Musiker, Komponisten und darstellende Künstler, aber auch semiprofessionelle Strukturen in der Laienmusik und in der Rock- und Jazzszene.

Unsere Musikwirtschaft verfügt über eine traditionell gewachsene gewerbliche Unternehmensstruktur, die von Instrumentenproduktion über die Musikverlage bis zum Fachhandel reicht – nicht zu vergessen die Tonträgerindustrie, deren Unternehmen verschiedene Wertschöpfungsstufen abdecken. Der öffentliche Musik- und Theatersektor ergänzt komplementär die Musikwirtschaft.

Klassik und Moderne, Handarbeit und Hightech kennzeichnen die Vielfältigkeit der Musikwirtschaft. Dieser Markt mit seinen neuen und alten Branchen, kleinen und großen Firmen umspannt die unterschiedlichsten wirtschaftlichen Aktivitäten. Sie ergänzen sich und profitieren voneinander. Wir finden handwerkliche Einzelanfertigungen wie etwa im Orgel- oder Geigenbau und industrielle Verwertungen und Massenproduktionen wie bei der Herstellung von Tonträgern. Hinzu kommen neue Formen digitaler Musikprodukte sowie die Entwicklung von Onlinedienstleistungen.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Es gibt auch Pfeif- konzerte!)

Mit der MP3-Technologie hat das Fraunhofer-Institut einen Standard gesetzt.

(Abg. Helen Heberer SPD: Wir sind erstaunt, was Herr Löffler alles weiß!)

Vielleicht hätten wir lizenzrechtlich und wirtschaftlich mehr daraus machen müssen.

Die Musikwirtschaft ist Wachstumsmotor für die gesamte Kulturwirtschaft. Kein Markt bietet mehr Chancen für Nischen, kreative Dienstleistungen und innovative Entwicklungen. Lokale Musikproduktionen treffen auf Mainstreamprodukte der globalen Musikindustrien. Eine fast unübersichtliche Vielfalt von Mikrounternehmen und internationalen Vertriebsstrukturen prägen den Musikmarkt in komplementärer und zunehmend konkurrierender Weise.

Dabei darf Musik als Liveerlebnis nicht unterschätzt werden. Die Kreativszene der Musik- und Theaterwirtschaft ist nicht nur Markt, sondern auch Standortfaktor.

(Abg. Helen Heberer SPD: Dann macht etwas da- raus!)

Im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in den letzten zehn Jahren bei Beschäftigung und Umsatz hat die Musikwirtschaft noch einigen Nachholbedarf in Sachen Entwicklungsdynamik. Festzustellen ist eine Abwanderung in die Selbstständigkeit und Freiberuflichkeit; die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich verringert, was sich auch beim Instrumentenbau deutlich bemerkbar macht. Dessen Umsatz innerhalb der Zehnjahresfrist ist konstant geblieben, wobei sich der Auslandsumsatz um 15 % erhöht hat.

(Abg. Helen Heberer SPD: Das steht doch alles da drin! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/ DVP)

Dort bringt das Handwerk bei Orgel, Klavier, Cembalo, Harmonium, bei Zupf- und Blasinstrumenten hohe Qualität in der Nische. Die industrielle Produktion ist jedoch rückläufig. Vor zehn Jahren gab es noch 15 Hersteller von Musikinstrumenten, heute sind es gerade noch elf. Das wirkt sich auch auf den Handel aus. Da müssen wir wachsam sein. Einst hatten wir mit Telefunken, SEL, WEGA, SABA, Dual und Grundig eine blühende Unterhaltungselektronik. Diese Industrie gibt es bei uns nicht mehr. Das darf sich im Instrumentenbau nicht wiederholen.

Umso wichtiger ist es für die Politik, das Erlernen eines Instruments mehr in den Fokus schulischer und außerschulischer Ausbildung zu rücken.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wer hat denn abge- lehnt, dass jedes Kind ein Instrument bekommt? – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Die Grünen haben völlig recht, wenn sie da mitblasen.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Helen Heberer SPD: Die Roten auch! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sie blasen nur ins falsche Horn!)

Die Roten auch.

Die Tonträgerindustrie und der Veranstaltungsbereich wachsen. Ganz besonders rasch wächst der digitale Musikmarkt.

(Abg. Helen Heberer SPD: Hat er nicht schon längst seine Redezeit überschritten?)

Der elektronische Handel mit digitalen Musikprodukten und Musikdienstleistungen ist unübersichtlich. Es entstehen immer neue Geschäftsmodelle und elektronische Vertriebsnetze. Der legale Downloadmarkt für Musik, Videos, Hörbücher, Spiele und Software verzeichnete im Jahr 2007 in BadenWürttemberg einen Umsatz von 157 Millionen € bei 38 Millionen Downloads. Gemessen am Gesamtumsatz der Musikbranche von 490 Millionen € ist das beachtlich.

Zwar wächst auch im Internet die Wirtschaft nicht in den Himmel, aber der musikbezogene Anteil der Internetwirtschaft verändert die traditionelle Tonträgerindustrie und die Musikwirtschaft insgesamt. Effektive Maßnahmen gegen illegales Downloaden und gegen Raubkopien müssen eine vordringliche Aufgabe der Politik sein, weil sie auch die Künstler und Musikrechteinhaber schützen.

Nach dem Vorbild der Filmakademie haben wir eine Popkonzeption im Land aufgebaut, die im Bereich der Popularmusik ein Alleinstellungsmerkmal einnimmt und damit deren kultureller und gesellschaftlicher Bedeutung Rechnung trägt. Unsere Popakademie ist nicht nur eine Hochschule für Rock und Pop, sondern auch ein branchenspezifisches, landesweit vernetztes Forschungs- und Entwicklungszentrum für Popkultur und Musikwirtschaft, die mit Musikschulen und zahlreichen Messen kooperiert.

Wir reden in Baden-Württemberg nicht nur über Standort- und Medienpolitik, sondern wir sind auch ein verlässlicher Partner unserer Medienunternehmen. „Unser Feld ist die Welt.“ Das galt vor 150 Jahren und gilt auch heute noch bei uns.

(Abg. Helen Heberer SPD: Na toll! – Vereinzelt Hei- terkeit)

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Heberer.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal von unserer Seite einen herzlichen Dank für diesen umfassenden Bericht zur Musikwirtschaft in Baden-Württemberg, auch wenn hier offenbar keiner weiß, was er damit machen soll.

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Der Bericht zeigt die Stärken eines traditionell kulturreichen Landes auf. Er zeigt aber – wenn man genau liest – auch die Handlungsnotwendigkeiten auf, die zur Stärkung und Ausweitung dieser wichtigen Zukunftsbranche führen. Er würde uns an mancher Stelle mit Baden-Württemberg-spezifischen Daten wahrscheinlich jedoch etwas besser helfen – nämlich da, wo nur bundesweite Zahlen enthalten sind –, Prozesse konkreter zu steuern.

Zunächst ist aber festzustellen, dass es sich bei der Musikwirtschaft um einen umfassenden Branchenkomplex handelt, für den entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Die Begründung der Anfrage legt ja auch dar, dass ein kritischer Blick auf die bisherigen Förderpraktiken nötig ist.

Wenn es um die Wirtschaftserlöse allein im Musikbereich in Baden-Württemberg geht – das sind derzeit die hier schon erwähnten 490 Millionen € –, wird deutlich, welchen Stellenwert die Musikwirtschaft in unserem Land bereits erlangt hat. Die Zahl der Firmengründungen im Kreativwirtschaftsbereich nimmt überhaupt stetig und in besonderem Maße zu. In der Bruttowertschöpfung ziehen die Kultur – das ist wichtig – und die Kreativwirtschaft, an der die Musikwirtschaft natürlich einen ganz beträchtlichen Anteil hat

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE unterhält sich mit Abg. Brigitte Lösch und Abg. Franz Untersteller GRÜNE.)

Herr Kollege Walter, das ist auch für Sie wichtig –, inzwischen mit dem Maschinenbau und der Autoindustrie gleich. Der kreative Bereich hat im Übrigen die chemische Industrie bereits überholt. Im kreativen Bereich werden nämlich im Land derzeit mehr als 26,4 Milliarden € erwirtschaftet.

Wichtig ist dabei aber, dass die häufig projektabhängige und vernetzte Form der Arbeit zunehmend auf andere Wirtschaftsbereiche übergreift. Sie veranschaulicht dadurch modellhaft interdisziplinäre moderne Wirtschaftsprozesse. Dies kann als Innovationspotenzial für die gesamte Wirtschaft betrachtet werden, wenn man sie intelligent nutzt. Ich glaube, das müssen wir tun und auch davon lernen.