Protocol of the Session on July 29, 2009

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Harry Potter lässt grüßen!)

Oder wir diskutieren morgen darüber, warum in einer ehrenamtlich betriebenen Küche eine Infektion „ausgebrochen“ ist, die deswegen „ausbrechen“ konnte, weil dort nicht die Bestimmungen gelten, die für die Profis erforderlich wären.

Diese ganze Diskussion hätten wir in Baden-Württemberg nicht, wenn es eine klare Ansage gäbe, landesweit zusammen mit den Schulträgern ein Ganztagsschulkonzept auf die Reihe zu bringen, in dem ganz klar geregelt wird: Welche Bereiche müssen professionell erbracht werden? Welche Bereiche können auch ehrenamtlich erbracht werden? Wie sieht es mit dem Versicherungsschutz aus? Wie sieht es mit den rechtlichen Rahmenbedingungen aus? Wie muss das Ganze organisatorisch aufgebaut werden, damit man sich über die Umsatzsteuerpflicht und Ähnliches überhaupt keine Gedanken machen muss? Sie drücken hier Aufgaben an Ehrenamtliche ab, die unmittelbar Bestandteil eines solchen gesetzlichen Ganztagsschulkonzepts sein müssten.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wenn Sie so weiter- reden, machen Sie die Schulspeisung kaputt!)

Sie bekommen jetzt als Bumerang ein Thema nach dem anderen zurückgefedert, das dann den Ehrenamtlichen auf die Füße fällt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das können Sie nicht mit dem richtigen Ansatz auffangen, die Geschäftsstelle des Landesverbands der Schulfördervereine jetzt professionell aufzustellen. Das haben wir bei den letzten Haushaltsberatungen auch gefordert, und dem haben wir auch zugestimmt. Es ist eine Voraussetzung, um Ehrenamt auch professionell mit einzubinden. Aber das bringt Sie nicht um die Verantwortung, endlich einmal zu klären, unter welchen Rahmenbedingungen Ganztagsschulbetrieb in welcher Rechtssicherheit von wem durchgeführt werden soll und wie Sie endlich Ihrer Aufgabe gerecht werden, all das umzusetzen, was Frau Kurtz hier völlig zu Recht gesagt hat. Es geht nicht nur um ein Mittagessen. Es geht um eine pädagogische Aufgabe, es geht um eine erzieherische Aufgabe.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Was ist denn da der Unterschied?)

Es geht um das gemeinsame Miteinander in der Schule. Sie können doch niemandem erklären, dass dies durch ehrenamtlich tätige Mütter erbracht wird, die an dieser Stelle auch noch auf den Erwerb eigener Rentenansprüche verzichten – das ist auch ein gesellschaftlicher Aspekt, den ich sehr ärgerlich finde –, und nicht professionell durch Schulträger in Abstimmung mit dem Land als Teil des Bildungsauftrags sichergestellt wird.

Dazu fordern wir Sie auf. Nur wenn Sie das machen, werden wir hoffentlich hier im Landtag keine Diskussionen mehr darüber führen müssen, dass den Ehrenamtlichen irgendetwas widerfahren ist, was sie nicht wissen konnten, dass es aber Ihre Pflicht gewesen wäre, dafür zu sorgen, dass das gar nicht passieren kann oder sie zumindest rechtzeitig darüber Bescheid wissen, damit sie der Risiken und Selbstverpflichtungen, die sie eingehen, auch gewahr werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende gut, alles gut? Die Landesfördervereine haben einen Hilferuf an die Landtagsfraktionen und an die Landesregierung gesandt. Alle vier Fraktionen haben hierzu Anträge in den Landtag eingebracht. Das Finanzministerium hat eine Vorlage geliefert, in der elf Varianten dargestellt wurden, von denen fast alle eine Umsatzsteuerpflicht befreiung ermöglichen. Ich frage heute also: Ende gut, alles gut? Ich sage: Ja, aber nur vordergründig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte doch noch einmal kurz betonen: Die Vorlage des Finanzministeriums finde ich durchaus positiv. Denn sie hat gezeigt, dass die Landesregierung ihre Rolle als Dienstleister für die Bürger und Bürgerinnen erfüllen kann, indem tatsächlich Lösungen ausgearbei

tet wurden. Aber auch diese Lösungen sind nicht die Lösung für den Kern des Problems.

Die Aufregung, die Verunsicherung, aber auch der große Ärger der Schulfördervereine wegen des Urteils des Bundesfinanzhofs sind nicht nur verständlich, sondern auch begründet. Die Eltern – insbesondere diejenigen, die Mitglieder in Schulfördervereinen sind – haben sich nicht in diese Aufgabe, ein Schulmittagessen für Kinder an den Schulen bereitzustellen, hineingedrängt, sondern sie sind durch die Untätigkeit des Landes und der Kommunen faktisch in diese Rolle gedrängt worden. Das müssen wir einfach einmal feststellen. Sie haben sich diese Aufgabe nicht gesucht, sondern sie haben aus ihrer Verantwortung als Eltern für ihre Kinder gehandelt,

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Ist das schlecht?)

weil sie gesehen haben, dass die Kinder immer häufiger in Betreuungsangeboten ganztägig an der Schule waren. Sie haben erlebt, wie Schulen des Landes zu Ganztagsschulen,

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Ein verzerrtes Bild!)

offenen Ganztagsschulen nach dem IZBB, ausgebaut wurden. Sie haben gesehen, dass Schulen oft nicht von sich aus handeln konnten und die Kommunen untätig geblieben sind.

Die Eltern haben also eine Aufgabe übernommen, die nicht originär Aufgabe der Eltern ist und – das sage ich gleich dazu – auch nicht Aufgabe der Eltern bleiben darf.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Sabine Kurtz CDU: Die wollen das aber! Die wollen das! Es gibt viele, die das wollen!)

Das ist die erste Forderung, die wir hier als Grüne stellen.

Dass die Eltern das im Prinzip genauso sehen, liebe Kollegin Kurtz, möchte ich Ihnen hier einfach aus einem Schreiben der Vorsitzenden des Landesverbands der Schulfördervereine vortragen. Vor Kurzem kam ein neues Schreiben des Landesverbands der Schulfördervereine heraus – Frau Kreim ist heute während der Debatte hier –, in dem klar steht:

Der wirkliche und wichtige zu regelnde Punkt ist aber, dass die Kommunen im Rahmen einer Unterrichtung bei Ganztagsschulen diese Aufgaben übernehmen und sie nicht einfach auf die Eltern, die oft berufstätig sind, abwälzen.

Das heißt, sie machen das, weil sie wissen: Andere Eltern sind berufstätig.

Aber ich möchte hinzufügen – Kollege Mentrup hat das schon im Vorfeld gesagt –: Es handelt sich vorwiegend um Frauen, die, weil sie ihre Kinder zu Hause erziehen wollen, keine Berufstätigkeit, keine Erwerbsarbeit ausüben. Sie sind dann wegen der Untätigkeit der Kommunen faktisch gezwungen, ohne Entgelt eine Aufgabe zu leisten.

Eine angebotene Lösung besagt: Wenn Eltern zusätzlich zu der Bereitstellung eines Schulmittagessens auch noch Betreuungsleistungen an der Schule, z. B. Hausaufgabenbetreuung, übernehmen, fällt keine Umsatzsteuerpflicht an. Faktisch heißt aber diese Lösung, dass Eltern noch mehr Aufgaben überneh

men müssen, die nicht originär Elternaufgaben im Ehrenamt sind. Sie werden also noch weiter hineingedrängt. Ich möchte betonen: Wir wollen, dass Frauen in Baden-Württemberg erwerbstätig sein und Beruf und Familie vereinbaren können. Deshalb kann es keine Lösung sein, dass Eltern solche Aufgaben dauerhaft übernehmen müssen.

(Beifall bei den Grünen)

Wie gesagt, vordergründig ist die Kuh vom Eis. Die Lösungen, die angeboten werden, sind allerdings nicht ideal. Ich habe gerade die Lösung vorgestellt, dass Eltern zusätzliche Betreuungsaufgaben übernehmen. Das kann von den Eltern nicht erwartet werden. Auch das ist eine Aufgabe, die qualifiziert von der Schule zu leisten ist.

Die zweite Option, nach der sich die Schulfördervereine dem Landeswohlfahrtsverband anschließen sollen, ist auch keine Lösung. Der Deutsche Familienverband Baden-Württemberg hat uns angeschrieben und davor gewarnt, diese Lösung zu wählen. Er hat deutlich gesagt: Ein Schulmittagessen ist Teil der pädagogischen Aufgabe der Schule und keine Mildtätigkeit. Es kann nicht sein, dass Familie per se eine Angelegenheit der Wohlfahrt ist, sondern sie wird erst durch politische Entscheidungen zu einer solchen hilfsbedürftigen und mildtätigen Institution gemacht. Deshalb ist diese Lösung für die Zukunft nicht tragfähig.

Die letzte Lösung ist, dass die Eltern faktisch ein Gewerbe gründen müssen. Dann können sie die Vorsteuerabzüge geltend machen. Das ist sicher eine Lösung, die für einen Teil der Schulfördervereine infrage kommt, zumal sie das, wenn sie als Kleinbetriebe tätig sind, ohne sehr hohen bürokratischen Aufwand machen können. Aber bei größeren Schulen sprengen die Fördervereine den Rahmen eines solchen Kleinunternehmens. Hierzu sagt auch der Landesverband der Schulfördervereine, dass hier zusätzliche bürokratische Aufgaben entstehen, die sie nicht leisten können.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich ganz klar, auch für meine Fraktion: Wir müssen endlich ein pädagogisches Konzept für eine Ganztagsschule mit einem rhythmisierten Ganztagskonzept der Schule umsetzen. Das Schulmittagessen ist ein sozialer und erzieherischer Bestandteil der Schule, an dem auch künftig – das muss das Ziel eines solchen pädagogischen Konzepts sein – alle Kinder teilnehmen. Wir haben das in den skandinavischen Ländern kennengelernt. Dort hat der Schulausschuss Erfahrungen gesammelt. Wir haben gesehen, dass das ein erheblicher positiver Beitrag für das soziale Miteinander von Schülern und Lehrkräften an der Schule ist.

In diesem Fall brauchen wir auch eine Qualitätssicherung. Wir brauchen ein gesundes, ein gutes Schulmittagessen an allen Ganztagsschulen und an allen Schulen mit Betreuungsangeboten. Wir brauchen Qualitätsstandards, die vereinbart werden müssen. Wir Grünen bleiben bei unseren Forderungen, auch weiterhin zu wollen, dass Kinder aus armen Familien Zuschüsse bekommen und kein Schulmittagessen bezahlen müssen.

Jetzt entsteht kurzfristig folgendes Problem: Das Finanzminis terium muss auch dafür sorgen, dass Schulfördervereine nicht – womöglich auch noch rückwirkend – Steuern zahlen müs

sen, weil sie von einer Umsatzsteuerpflicht nichts wussten und auch nirgendwo darauf verwiesen wurde. Das muss geklärt werden. Weiter muss das Finanzministerium auch erläutern, wie diese neuen Lösungen unbürokratisch umgesetzt werden können.

Wir müssen künftig darauf achten, dass dort, wo „Ganztagsschule“ draufsteht, auch Ganztagsschule drin ist. Am besten lösen wir das Problem, indem wir – das fordern die kommunalen Landesverbände seit Jahren – die Ganztagsschule endlich im Schulgesetz verankern. Das ist die zentrale Forderung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zum Schluss möchte ich, weil Sie, Frau Kollegin Kurtz, das Hohelied des Ehrenamts gesungen haben, noch betonen: Selbstverständlich wollen wir Grünen, dass sich die Eltern auch künftig ehrenamtlich in die Schulen einbringen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Na, na, na!)

Die Eltern sollen und müssen sich einbringen. Aber die Eltern sollen ihren Beitrag leisten, indem sie sich in die Qualitätsentwicklung der Schule, in die Bewertung der Qualität des Unterrichts, in die Evaluation,

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Es will doch nicht jeder so etwas!)

in die Entwicklung und Bewertung pädagogischer Konzepte einbringen. Die Eltern sollen sich in eine gemeinsame Erziehung von Kindern einbringen, in eine Festlegung von Prinzipien und Grundsätzen der Erziehung von Kindern.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Das Ehrenamt ist freiwil- lig!)

Das sind Aufgaben, für die sich die Eltern einbringen sollen.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Das können Sie doch nicht vorschreiben!)

Wir müssen sie auch darin bestärken, dass sie dies tun.

Schließlich – das ist klar – können sich auch Eltern einbringen, die interessante Angebote im ergänzenden Unterrichtsbereich machen können.

(Zuruf der Abg. Sabine Kurtz CDU)