Wir wollen die weiteren Beratungen positiv begleiten und danken der Regierung für die Vorlage dieses Gesetzentwurfs.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was beschließen wir heute? Im Rahmen einer sogenannten Simultangesetzgebung – wie das Verfahren heißt – müssen wir nachvollziehen, was der Bund beschlossen hat. Der Bund wiederum hat mit seiner Verfahrensgesetzänderung eine EU-Richtlinie in nationales Recht überführt. Kurzum: Die einen, die in Berlin, setzen um, und wir beten das Ganze für das Land Baden-Württemberg noch einmal nach. Wir haben also eigentlich gar keine Freiheit, irgend etwas zu beschließen.
Ist das so? Ist es wieder einmal die „böse EU“, die uns die Brocken vorwirft, die wir dann kauen und wiederkäuen können? Nein, so ist es nicht, zumindest nicht ganz. Der Gesetzentwurf – Herr Kollege Wolf, Sie haben es zu Recht gesagt – zielt auf eine Vereinfachung und Beschleunigung. Aber wenn man den Entwurf liest, stellt sich die Frage: Wie macht er das? Die zum Gesetzentwurf formulierte Begründung ist zum Erbarmen, kann ich nur sagen. Ich werde darauf noch eingehen.
Worum geht es? Einem deutschen Handwerker, einem badenwürttembergischen Dienstleister muss es möglich sein, in Bel
gien oder in Spanien, im gesamten EU-Binnenmarkt seine Dienstleistung anzubieten. Genauso muss es einem französischen, dänischen oder griechischen Dienstleister oder Handwerker möglich sein, bei uns seine Dienste anzubieten. Dazu brauchen diese aber eine Genehmigung. Ein Hedgefonds, auch wenn er von den Bahamas kommt, braucht, nebenbei bemerkt, keine Genehmigung.
Der kann das so machen. Aber der Handwerker braucht bei uns überall eine Genehmigung; das ist schon immer so gewesen, Herr Kollege Kluck. Er braucht seine Steuernummer beim Finanzamt, er braucht seine Sozialversicherungsnummer bei der Rentenversicherung, die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Arbeitsagentur, die Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft, bei der Kammer, bei der Innung, bei der Gewerbeaufsicht, bei der Gemeinde usw. usf. Das sind, je nach Beruf und je nach Gewerk, sieben bis zwölf Stationen. Das sind Hürden in einem Hindernisrennen. So ist es bei uns; das gilt für die Deutschen, und das gilt für jeden anderen auch. In Österreich und in Italien sind es vielleicht sogar noch ein paar Stationen mehr; in anderen Ländern sind es möglicherweise ein paar weniger, die zu absolvieren sind, wenn ein baden-württembergischer Dienstleister dort tätig werden will.
Jetzt sagt die EU: „Also, Kinder, so können wir es nicht machen. So geht es nicht. Das ist kein Binnenmarkt. Das ist viel zu viel Bürokratie.“ Die EU sagt uns: „Ihr habt zu viel Bürokratie.“
Nun zu uns. Wir haben jetzt zwei Jahre lang diskutiert. Jetzt kommen also wir und sagen: „Hoppla! Was wollen die uns denn vorschreiben? Wenn wir zwölf Hürden aufbauen, dann ist das doch unsere Sache! Wir sind stolz auf unsere Bürokratie; da lassen wir uns doch von Brüssel nicht hineinreden. Wir bauen unseren Hindernisparcours selbst.“
Inzwischen hat man allerdings gemerkt, dass an den Vorgaben der EU vielleicht doch etwas Gutes ist. Vor allem hat die EU gesagt: „Gut, baut euren Parcours selbst, wie ihr wollt. Da reden wir euch gar nicht hinein. Aber der Kunde im Binnenmarkt darf darunter nicht leiden.“ Damit er nicht leidet, hat die EU etwas sehr Intelligentes erfunden. Sie hat gesagt: „Wenn ihr euren Hindernisparcours nicht vereinfachen könnt, müsst ihr diesem Kunden wenigstens eine Stelle anbieten, wo er hingehen kann, wohin er mailen kann, die ihm sagt, was er alles bringen und nachweisen muss, und wo er dann seine Anträge stellen kann.“ Dann vergeht eine gewisse Zeit, in der das alles über den Hindernisparcours geht, und dann bekommt er am Ende seine Genehmigung oder auch seine Versagung in einer relativ kurzen Zeit. So muss es sein.
Das ist genial. Das entspricht nämlich dem Grundsatz, dass die Verwaltung den Menschen, in diesem Fall den Gewer betreibenden und den Kunden, dienen muss. Nicht der Dienstleister soll über den ganzen Hindernisparcours laufen, sondern sein Antrag, und zwar möglichst schnell, und dann wieder an ihn zurückkommen. So einfach ist dieser Gedanke. Wie Sepp Herberger einmal gesagt hat: Man muss den Ball laufen lassen.
Man könnte denken: Wenn wir überhaupt ein Gesetz dafür brauchen, dann machen wir halt ein Gesetz und sagen: „Wir machen diese einheitliche Stelle per Gesetz. Fertig!“ Aber nein, wir brauchen zwei Gesetze. Das ist die Revolution.
Denn das Innenministerium hat gemerkt: Das passt ja gar nicht zu unserer Verwaltungskultur. Wir müssen ein neues Grundgesetz für die Verwaltung machen, damit so ein genialer Gedanke überhaupt umsetzungsfähig ist. Wir müssen erst einmal ein Grundverwaltungsgesetz, das Verwaltungsverfahrensgesetz, so ändern, dass darin steht: „So etwas darf man bei uns überhaupt machen“, weil das allen bisherigen Gepflogenheiten der Verwaltung widerspricht. Also reden wir heute nur über dieses formale Grundgesetz. Weil man eben diesen neuen, rassigen Wein, in diesem Fall der EU, nicht in unsere alten Schläuche füllen kann, müssen wir erst einmal einen neuen Schlauch machen, damit er hineinpasst. Beim nächsten oder übernächsten Mal unterhalten wir uns dann über die eigentliche Sache, nämlich über die Vereinfachung der Gewerbeanmeldung. Prima!
Dem anderen Punkt mit dem Personalvertretungsrecht für die Eigenbetriebe stimmen wir natürlich zu. Alles nach dem urschwäbischen Motto – von manchen Leuten mehr auf dieser Seite –: Warum sollen wir die Sache einfach machen, wenn es auch kompliziert geht?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne gilt mein besonderer Gruß dem Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, Herrn Dr. Michael Freytag.
Herr Senator Dr. Freytag wird anschließend mit Herrn Minis terpräsident Oettinger und Herrn Finanzminister Stächele zusammentreffen.
Herr Senator, ich darf Sie recht herzlich im Landtag von Baden-Württemberg begrüßen und wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserem Bundesland.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon richtig: Wir brauchen für die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie
zwei Gesetze in Baden-Württemberg. Uns wäre auch lieber gewesen, wir brauchten nur eines. Wir brauchen aber auch noch mehr. Wir brauchen anschließend, Herr Staatssekretär, bestimmt 15 Verwaltungsverfahrensverordnungen, um die Praxis dieses neuen Verwaltungsverfahrensgesetzes dann auch zu organisieren. Wir sehen also, dass wir im Bereich des Abbaus von Bürokratie und der Verwaltungsvereinfachung schon noch einiges vor uns haben, freuen uns aber, dass uns die EUDienstleistungsrichtlinie ein wenig auf die Sprünge hilft.
Es ist völlig richtig vorgetragen worden, warum das unbedingt sein muss: weil nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die Dienstleister, die Gewerbetreibenden trotz aller Verwaltungsmodernisierung der letzten Jahre noch immer vor einer für sie oft unüberschaubaren Zahl potenzieller Genehmigungs- oder zuständiger Behörden stehen, etwa bei Anmeldeverfahren und vielen sonstigen Verfahren. Wir aber müssen ihnen im Sinne einer kundenorientierten öffentlichen Verwaltung dringend entgegenkommen. Wir müssen die Schwellen der Bürokratie niedriger machen. Wir müssen entbürokratisieren. Wir müssen Innovation und Kreativität in Deutschland und Europa bei den Gewerbetreibenden, bei den Unternehmerinnen und Unternehmern fördern, anstatt sie durch Bürokratie zu verhindern. Das ist die große politische Überschrift, um die es geht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Guido Wolf CDU zur Opposition: Ihr solltet euch beim Bei- fall vielleicht ein wenig abstimmen! – Heiterkeit)
Nach der Überschrift kommt der Inhalt. Der Inhalt ist sehr unspektakulär. Er regelt nur für den Bereich der Landesverwaltung mit der einheitlichen Stelle das, was zu regeln ist. Das wird, Herr Staatssekretär, öffentliche Verwaltungen teilweise ein bisschen unter Druck setzen, zumindest in der Übergangsphase, wenn man Fristen betrachtet, die nach dem Eingang von Anträgen zu laufen beginnen, etwa die Dreitagesfrist. Die Verwaltungen müssen sich, wenn Anträge eingehen, so organisieren, dass sie viel vernetzter tätig werden, als dies häufig in der Vergangenheit der Fall war. Das ist sicher im Sinn der Antragsteller begrüßenswert.
Das Gleiche gilt für die Genehmigungsfiktion. Damit haben wir keine Probleme. Aber es wird sicherlich in der Praxis einige Probleme geben, nicht nur bei der Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners. Da sind wir, Herr Kollege Dr. Prewo, sicherlich gemeinsam froh, dass die monatelange, zum Schluss unwürdige Hängepartie in der Frage, wo der Einheitliche Ansprechpartner eigentlich verortet wird, mit einem guten Kompromiss beendet worden ist und dass die 44 Stadt- und Landkreise im Boot geblieben sind. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP, wollten die Kommunen und ihr unschätzbares Know-how aus diesem Bereich verdrängen.
Sie wollten die Einheitlichen Ansprechpartner ja nur bei den Industrie- und Handelskammern verorten, und wir haben Sie vor einem schweren Fehler bewahrt. Seien Sie uns bitte dankbar dafür.
Wir werden bei den Ausschussberatungen, Herr Staatssekretär, sicherlich einige praktische Verfahrensfragen zu besprechen haben. Da müssen Sie uns bitte auch erklären, wie die Umsetzung im Verwaltungsorganisationsrecht, z. B. unter der Überschrift „Parallele zuständige Verwaltungsstellen“, aussehen soll und welche Vorschläge Sie da Ihrer Verwaltung und den nachgeordneten Verwaltungen machen werden. Ansons ten haben wir wenig Probleme, dieses Gesetzesvorhaben mit Ihnen durch das Parlament zu bringen.
In diesem Zusammenhang ist es richtig, das Zustellungsrecht endlich auch im elektronischen Bereich voranzubringen. Das ist überfällig. Da sind andere besser als wir.
Es ist schließlich völlig richtig, auch das Landespersonalvertretungsgesetz zu reformieren, weil im Frühjahr 2010 Personalratswahlen stattfinden werden und nach dem VGH-Urteil die Gesamtpersonalratswahlen wieder unter Einbeziehung von Eigenbetrieben erfolgen können. Das ist für die Arbeitgeber Kommune und Land richtig, aber auch für die Beschäftigten. Deshalb ist dies ein begrüßenswerter Aspekt des Gesetzes. Alles Weitere dann bei der Fachberatung im Ausschuss.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt einmal eingeste- hen! Dann ist es gut! – Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt sind wir gespannt!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Sckerl, ob Sie uns da wirklich vor etwas bewahrt haben oder nicht, das warten wir angesichts dieser Parallelität und all dem, was da entsteht – Sie haben es in einem anderen Zusammenhang gerade kritisiert; beim Einheitlichen Ansprechpartner finden Sie es offensichtlich gut –, erst einmal ab. Ich gehe davon aus, dass nur wenige Kommunen diese Möglichkeit in Anspruch nehmen werden.
Aber jetzt sprechen wir erst einmal über das Landesverwaltungsverfahrensgesetz. Ich kann sagen, dass die FDP/DVP natürlich immer dabei ist, wenn Verwaltungsverfahren vereinfacht, vereinheitlicht und beschleunigt werden sollen.