Protocol of the Session on July 9, 2009

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: An den Ausschuss überweisen!)

Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Kultureller Beitrag der soziokulturellen Zentren – Drucksache 14/2753

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Besprechung der Großen Anfrage fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort fünf Minuten.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Frau Abg. Berroth für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die soziokulturellen Zentren sind ein wesentlicher und inzwischen auch unverzichtbarer Bestandteil des kulturellen Lebens in Baden-Württemberg. Wir danken deshalb dem zuständigen Ministerium für die ausführliche Beantwortung unserer Großen Anfrage, mit der einfach einmal die Position und der Wert dieser soziokulturellen Zentren in der Kulturlandschaft Baden-Württembergs dargestellt werden.

Es sind immerhin über 50 Initiativen und Zentren, die in der Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und Soziokulturellen Zentren in Baden-Württemberg, kurz LAKS, zusammengeschlossen sind. Über diesen Kreis hinaus gibt es noch weitere vergleichbare Einrichtungen. Außerhalb von Großstädten und Ballungszentren sind die Zentren oft alleinige Anbieter von kulturellen Veranstaltungen und Aktivitäten und stellen so für einen Teil der Bürger die kulturelle Grundversorgung dar. Sie bieten ein breites, spartenübergreifendes Kulturangebot. Besonders anzumerken ist, dass über 80 % der Mitarbeiter ehrenamtlich tätig sind.

Die soziokulturellen Zentren bieten außerdem ein Erprobungsfeld für neue kulturelle Arbeitsfelder, für neue künstlerische Ausdrucksformen, für neue Finanzierungs- und Wirtschaftsformen und Arbeitsideen. Ihre Ergebnisse und Erfolge werden dann nicht selten in den öffentlichen kulturwirtschaftlichen Bereich übernommen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

In jüngster Zeit haben sie insbesondere die Zusammenarbeit mit den Schulen im Bereich der Ganztagsbetreuung intensiviert. Wir könnten uns hier durchaus noch Erweiterungen vorstellen.

Es ist auch anzumerken, dass die soziokulturellen Zentren im Durchschnitt das bei Weitem jüngste Publikum aller unserer Kultureinrichtungen haben. In ihren mannigfaltigen Ausprägungsformen gehört die Integration verschiedener Altersgruppen, sozialer Schichten und Nationalitäten genauso dazu wie der Anstoß sozialer, politischer und kultureller Lernprozesse und auch die Entfaltung eigenschöpferischer Aktivitäten sowie die Förderung kultureller und künstlerischer Initiativen in ihrem Raum.

In erster Linie ist es Aufgabe der Kommunen, diese kulturelle Breitenarbeit zu unterstützen. Aber das Land ist natürlich in der Mitverantwortung für den Bestand und die Entwicklung der in kommunaler oder freier Trägerschaft betriebenen Zentren. Dort sind subsidiäre Aufgaben zu erfüllen. Gegebenenfalls müssen auch Anreize für die Unterstützung der Einrichtungen geschaffen werden.

Die Enquetekommission des Bundestags „Kultur in Deutschland“ hat zu den soziokulturellen Zentren deutlich mehr Wertschätzung, mehr Geld und mehr Nachhaltigkeit gefordert. In den einzelnen Bundesländern ist die Förderung sehr unterschiedlich. Baden-Württemberg liegt da im Mittelfeld. Ich glaube, es spricht für sich, dass wir jetzt auch über dieses Thema eine aktuelle Debatte führen, weil wir fraktionsübergreifend für die weitere und verbesserte Förderung auch dieser Zentren eintreten.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Wir sind besonders froh und sind dem Ministerium dankbar, dass es auf unser massives Intervenieren hin gelungen ist, die Konjunkturmittel des Bundes auch den soziokulturellen Zentren zugänglich zu machen. Das Ministerium hat sich da sehr kreativ Gedanken gemacht. Wir konnten den soziokulturellen Zentren immerhin 2 Millionen € dieser Bundesmittel zur Verfügung stellen. Das ist auch dringend wichtig,

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

weil es dort insbesondere im Bau- und im Renovierungsbereich einen enormen Stau gegeben hat. Er ist nun wenigstens teilweise angegangen worden.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir auch für den laufenden Betrieb weitere Mittel brauchen. Man muss sehen, wie sich das in den Haushalt einbauen lässt.

Ich habe sehr wohl mitbekommen, dass die soziokulturellen Zentren etwas indigniert reagiert haben, als wir im letzten Haushalt speziell die freien Theater besonders gefördert haben. Aber ich möchte doch noch einmal darauf hinweisen, dass wir einmal einen Vergleich angestellt haben. Man kann das eigentlich nicht wirklich miteinander vergleichen, weil die Gegebenheiten schon unterschiedlich sind. Aber wir haben einmal gerechnet, wie hoch denn der Landesbeitrag pro Zuschauer ist. Er lag bei den freien Theatern bei 25 Cent, bei den soziokulturellen Zentren immerhin bei 68 Cent, aber bei den Kleintheatern bei 4,97 €. Wie gesagt, das ist nicht direkt vergleichbar. Aber der Vergleich zeigt: Der Nachholbedarf bei den freien Theatern war am größten. Wir werden in den anderen Bereichen noch einmal nachziehen müssen.

Im Moment gibt es noch ein aktuelles Thema, das wir zusammen mit den soziokulturellen Zentren bearbeiten müssen. Da geht es um die Frage, wie Spenden in vernünftiger Weise bei den soziokulturellen Zentren ankommen können. Manche Kommunen haben da Schwierigkeiten. Das werden wir in den nächsten Wochen zusammen mit dem Ministerium noch einmal bearbeiten müssen. Ich glaube, da ist schon ein Weg ausgeguckt. Aber dazu werden wir vom Ministerium vielleicht auch noch etwas hören.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Palm für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die soziokulturellen Zentren waren einst Orte der alternativen Kulturszene, als Horte der sogenannten Sub- und Jugendkultur gegründet worden.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Heute sind sie selbstverständlicher Teil des flächig über das Land gespannten Netzes bemerkenswerter Kultureinrichtungen. Liebe Frau Kollegin Lösch, wenn es noch eines Beweises für das Erreichen des Establishments durch die soziokulturellen Zentren bedurft hätte, dann ist er in der engagierten, ja geradezu liebevollen Anfrage der FDP/DVP zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP sowie der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zu- rufe der Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP und Jür- gen Walter GRÜNE)

Lieber Herr Kollege Walter, wie bei so vielem Alternativen scheint auch hier ein gewisser Domestizierungseffekt einzutreten.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Zu- ruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Zweifel sind die sozio kulturellen Zentren – so, wie Frau Kollegin Berroth es ausgeführt hat – eine Bereicherung für das Land, für die Kulturszene im Land. Sie zeichnen sich durch ein hohes Qualitätsbewusstsein aus. Sie zeichnen sich durch große Innovationskraft und hohe Kreativität aus und dadurch, dass sie sich der wichtigen kulturpolitischen Themen wie z. B. der kulturellen Bildung in besonderer Art und Weise widmen.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Natürlich wird von uns hauptsächlich etwas zum Thema „Finanzielle Förderung“ verlangt. Deshalb möchte ich dazu jetzt noch einige Ausführungen machen.

Grundsätzlich sind wir uns alle einig: Die soziokulturellen Zentren sind förderungswürdig. Wenn ich mir die Steigerungsraten bei den Landeszuschüssen in dieser Legislaturperiode betrachte, komme ich zu der Überzeugung, dass sich nicht nur im Kulturbereich viele Zuschussempfänger die Finger danach lecken würden, ähnliche prozentuale Zuschusssteigerungen verzeichnen zu können.

Man muss auch einmal der Frage nachgehen, woher denn der Nachholbedarf – den es bei den soziokulturellen Zentren durchaus gibt – kommt. Das liegt natürlich auch darin begründet, dass man sich in der Anfangsphase bewusst kritisch zur staatlichen Förderung gestellt hat. Heute hingegen merkt man, dass wir ein verlässlicher Partner sein können. Aber auch wir merken noch deutlicher, dass die soziokulturellen Zentren eine wichtige Rolle spielen.

Allerdings kann aufgrund der aktuellen Lage auch in den Kulturhaushalten nur ein sukzessives Annähern an die Fördermöglichkeiten bei anderen Theatern und Spielstätten erreicht werden. Ich meine, dass wir uns gemeinsam einmal nicht nur über eine betragsmäßige Erhöhung Gedanken machen sollten, sondern auch darüber, ob wir nicht die wenigen großen Zentren quasi in einem separaten Topf behandeln sollten und dafür bei den kleinen Zentren, die oftmals nur einen Zuschuss von 2 000, 3 000 oder 5 000 € im Jahr bekommen und damit hervorragende Arbeit leisten, noch etwas stärker nachlegen könnten.

Was oft angeführt wird, ist das Verhältnis zwischen der Landesförderung und der kommunalen Förderung. Dieser Schlüssel beträgt bei der Ausstattung 1 : 1 und bei anderen Fördertöpfen 1 : 2. Momentan droht dieses Verhältnis bis zu einer Größenordnung von 1 : 3 abzudriften. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass, wenn man sich auf die Relation von Landesförderung zu kommunaler Förderung beruft, die möglicherweise gerade zuungunsten der Kommunen zu

kippen droht, dies in den letzten zwei Jahren besonders oft als Argument angeführt wurde, als es vielen Kommunen sehr, sehr gut ging, sodass diese in der Lage waren, ihre Freiwilligkeitsleistungen zu erhöhen. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Argument in den nächsten zwei, drei Jahren auch noch ziehen wird. Wir als Land sollten auch in den nächsten Jahren demonstrieren, dass wir verlässliche Partner sind – keine Partner, die einmal mehr und einmal weniger geben, al gusto, sondern Partner, die verlässlich sind, die einerseits zu Erhöhungen in der Lage sind, die aber vor allem auch in schwierigen Zeiten zu den soziokulturellen Zentren stehen.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Das Konjunkturpaket wurde schon angesprochen, liebe Frau Berroth: 2 Millionen € aus dem Baubereich des MWK fließen dorthin. Der Herr Staatssekretär, der sich dabei besonders eingesetzt hat, wird bei seinen Ausführungen sicher noch explizit darauf eingehen.

Zum Schluss eine grundsätzliche Bemerkung, meine Damen und Herren: Wir stehen in einer schwierigen Situation wieder einmal kurz vor der Beratung eines Doppelhaushalts. Wer wegen der Krise bei der Kultur kürzen will, hat die wahren Ursachen dieser Weltwirtschaftskrise nicht erkannt und nicht verstanden. Mit mehr Kultur wäre diese Krise so nicht eingetreten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Heberer für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist Soziokultur, und was leisten soziokulturelle Zentren in unserem Land? Um nach einer sich auf diese Frage konzentrierenden Bestandsaufnahme die richtige Förderstrategie aufzubauen, ist der heutige Diskurs notwendig.

Kultur hat in unserem Land eine eminent wichtige Aufgabe. Kunst und Kultur sind nicht nur die Grundlage für Wissens- und Wertevermittlung, sondern auch eine notwendige Klammer im Prozess der Integration sozialer und nationaler Gruppierungen und unterschiedlicher Altersgruppen. Sie wirkt nämlich gemeinschaftsbildend und vermag dadurch, Parallelgesellschaften zu verhindern.

Kultur ist kein Ornament. Sie ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft steht und auf das sie baut.

So heißt es im Vorwort des Berichts der Enquetekommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“. Soziokulturelle Zentren geben in diesem Sinne Anstoß für soziale, politische und kulturelle Lernprozesse und fördern die Entfaltung kreativer Talente

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

durch kulturelle und künstlerische Initiativen, und sie bieten so die Möglichkeit zu Partizipation und Interaktion. Sie bie

ten einen individuellen, quartierbezogenen und vor allem niederschwelligen Zugang zur Kultur, und das seit mehr als 30 Jahren. Dabei sind aus meiner Sicht die Anforderungen im ländlichem Raum und in den Großstädten völlig unterschiedlich. Das wurde hier erwähnt. Während sie im ländlichen Raum einen unverzichtbaren Beitrag zur kulturellen Grundversorgung leisten, müssen in den Ballungsräumen mehr und mehr soziale Aufgaben und ergänzende Angebote zu Schule und Ganztagsbetreuung aufgegriffen werden.

Hier gehört die Teilhabe nicht deutscher Bevölkerungsgruppen zu den wichtigsten Zielen. Dabei ist festzustellen, dass die soziokulturellen Zentren gerade auf diesem Feld über eine größere Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft verfügen als die, die derzeit – aus Mangel an finanziellen Mitteln – abgerufen werden.