Zuletzt möchte ich in diesem Zusammenhang aber auch noch auf eine Beobachtung hinweisen, die hochinteressant ist und
ganz deutlich zeigt, wie realistisch diese optimistischen Zukunftserwartungen für die Entwicklungen in Indien sind. Das ist das Engagement der indischen Familien, die sich seit Jahren stetig immer stärker Richtung Mittelstand bewegen bzw. in diesen hineinwachsen. So kommt es auch immer häufiger vor, dass diese Familien bereit sind, sogar eine Verschuldung auf sich zu nehmen, um zumindest für ein Familienmitglied das kostenaufwendige Masterstudium an einer guten Universität zu finanzieren. Dies ist eine ausgesprochen positive und langfristige Investition. Beweggründe hierfür sind nicht nur die Hoffnung auf die Verbesserung des Lebensstandards, sondern auch das Vertrauen auf eine zukünftige Gesamtinfrastruktur in Indien.
Sehr geehrte Damen und Herren, Indien ist das Land, mit dem wir wissenschaftliche und wirtschaftliche Partnerschaften eingehen wollen.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir hier im Landtag über die Bedeutung Indiens für die baden-württembergische Wirtschaft sprechen – das ist ein weites Feld –, steht uns zunächst einmal eine unglaublich dynamische Volkswirtschaft im Aufbruch vor Augen, die im Durchschnitt der letzten zehn Jahre eine jährliche Wachstumsrate von 6 bis 8 % hatte – inzwischen ist diese Rate etwas geringer – und über einen Markt von rund 1,2 Milliarden Menschen verfügt, die immer besser ausgebildet sind, mit sehr vielen kleinen Unternehmen, mit vielen Gründungen und einem riesigen Hunger nach Technik und Technologie. Schon heute werden in Indien mehr hoch qualifizierte Ingenieure ausgebildet als in den USA. Indien wird sich in einer sehr überschaubaren Zeit von einem Konsumenten von Technologie zu einem Technologieland entwickeln.
Bisher gehen ganze 0,8 % des baden-württembergischen Exports nach Indien; das macht ein Volumen von 1,2 Milliarden € aus. Das ist alles, was von uns an Export geliefert wird. Da ist es schon gut, dass wir einmal abgefragt haben, was die Landesregierung macht und ob das, was sie macht, ein Mindestmaß an Schlüssigkeit und an strategischer Substanz aufweist.
Was die Landesregierung in ihrer eng bedruckten, 14-seitigen Antwort geschrieben hat, ist auf den ersten Blick eine Fleißarbeit, auf den zweiten aber leider ein ziemlich verwirrendes Durcheinander.
Wir lesen über den Markt für Umwelttechnologien – jetzt hören Sie bitte genau zu, was die Landesregierung hierzu zu sagen hat; ich zitiere aus der Drucksache –:
Derzeit spielen der Klimaschutz sowie erneuerbare Ener gien und Energieeffizienz eine große Rolle in der Debatte über Umweltschutz in Indien. …
(Abg. Christine Rudolf SPD: Wow! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist doch etwas! Wahrscheinlich mehr als in Baden-Württemberg!)
Es steht indischen und baden-württembergischen Unternehmen frei, Kooperationen im Bereich Forschung und Entwicklung mit ausländischen Partnern, so auch in Indien, einzugehen.
Wissen Sie, woher diese Binsenweisheiten rühren? Sie rühren daher, dass wir zu wenig tun und die Dinge nicht ernst nehmen.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Waren Sie schon ein- mal bei einem Treffen von Lapp Kabel? Da läuft schon seit Jahren etwas!)
Tatsache ist, dass wir viel zu wenige Kooperationen zwischen baden-württembergischen Hochschulen und indischen Hochschulen haben. Das ist leider eine traurige Tatsache.
In der Antwort der Landesregierung werden dann aufgezählt: eine ganze Menge Kontaktbörsen, das eine oder andere Indien-Event bei Asienwochen, einzelne Messebeteiligungen, Präsentationen, hier ein technisches Symposium, dort Beratungstage der Auslandskammern, Ministerreisen selbstverständlich – alles bunt gemischt vom Hölzchen zum Stöckchen. Es wird mit einem groben Wischer eine Masse Krümel eingesammelt.
Unklar ist, was das Land, was bw-i, was die Deutsch-Indische Handelskammer, was der Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft jeweils spezifisch beitragen.
Wenn man auf die Webseiten von bw-i geht und dann als Suchwort „Indien“ eingibt, bekommt man als Ergebnis eine leere Seite.
In der Veranstaltungsliste von bw-i für das Jahr 2009 stehen viele Veranstaltungen, aber keine einzige zu Indien. – Schauen Sie nach, Herr Kollege Zimmermann, bevor Sie hier vorlaut werden.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Jawohl, Herr Lehrer! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Lapp Kabel macht seit Jahren ein Vorzeigeprojekt!)
Nur langsam! – Seit 2008 gibt es das German Centre in Gurgaon bei Neu Delhi. Hat man schon einmal über die Gegenrichtung nachgedacht – diese wird immer wichtiger –, nämlich indisches Kapital auch nach Baden-Württemberg zu bringen?
Davon ist keine Rede. Vielleicht könnte man auch ein indisches Haus in Stuttgart für baden-württembergische Geschäftsleute einrichten, die Erfahrungen mit Indien und mit deutschen Unternehmern haben, die in Indien sind.
Lapp Kabel ist ein sehr guter Hinweis. Der Honorarkonsul Lapp ist der Einzige, der ein deutsch-indisches Netzwerk, teilweise aus seinen eigenen Mitteln, gebildet hat und es mit großem Engagement betreibt: den German-Indian Round Table. Davon aber, Herr Kollege Zimmermann, finden Sie in der Antwort der Landesregierung kein Wort.
Insgesamt bliebt völlig unklar, was man in Baden-Württemberg eigentlich will, warum man dies und warum man jenes macht oder auch nicht macht. Es ist eine Betriebsamkeit ohne Methode und Ziel. Brächte man eine klare Linie in all die bunten Aktivitäten hinein, könnten wir mit der Hälfte des Aufwands die zehnfache Wirkung erzielen und den baden-würt tembergischen Unternehmen wirklich den Weg nach Indien flankieren. Umgekehrt könnten auch viele Inder den badenwürttembergischen Tourismus bereichern oder die Schaffung baden-württembergischer Arbeitsplätze stärken. Da bin ich ganz sicher. Das werden wir in der Zukunft machen müssen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut uns natürlich sehr, dass Abgeordnete der CDU eine Woche lang in Indien waren.
Aber es wäre eigentlich netter gewesen, wir hätten das bei Dia schau und indischer Reistafel besprochen als heute hier im Abendprogramm. Es gäbe viel dazu zu sagen, aber ich glaube, Sie fänden es nicht so gut, wenn ich längere Referate hielte.
Sie haben eine umfangreiche Große Anfrage mit vielen verschiedenen Aspekten eingebracht. Erstaunt hat uns, dass doch ein entscheidender Aspekt fehlt, nämlich das Thema „Normen
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO“. Wir haben vor Kurzem auf Bundesebene die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage bekommen, in der sich die FDP-Bundestagsfraktion gegen die Ausbeutung von Kindern in indischen Steinbrüchen starkmacht und sich dafür einsetzt, diese Ausbeutung von Minderjährigen zu beenden. Sie setzen das richtigerweise als Thema auf die Tagesordnung.
Auch wir haben im Landtag von Baden-Württemberg länger über das Thema Kinderarbeit diskutiert. Da war es leider so, dass sich das FDP/DVP-geführte Wirtschaftsministerium lange geweigert hat, bei der öffentlichen Beschaffung entsprechende Kriterien und Normen einzuhalten. Erst auf interfraktionellen Antrag und Druck des Landtags ist es dann zu einer entsprechenden Verwaltungsvorschrift gekommen. Diese begrüßen wir natürlich sehr. Wir hoffen, dass diese Verwaltungsvorschrift auch konsequent umgesetzt wird.
Wirtschaftspolitik und Kooperationen zwischen Deutschland und Indien bzw. Baden-Württemberg und Indien müssen für uns Grüne auf der Basis ethischer Grundsätze und aus sozialer Verantwortung stattfinden. Es kann nicht darum gehen, Wachstums- und Absatzmärkte um jeden Preis zu erschließen.
Wirtschaftspolitisch haben wir die Debatte aufseiten der Unternehmen, welcher Markt besser ist, China oder Indien. In den letzten Jahren lag häufig der Fokus auf China. Indien wurde als möglicher Markt vernachlässigt, und das, obwohl Indien einige deutliche Vorteile bringt. Zum einen ist es, im Gegensatz zu China, eine Demokratie, und zwar die größte Demokratie der Welt mit 1,2 Milliarden Einwohnern. Die englische Sprache ist überall in Indien üblich und weit verbreitet. Es gelten rechtsstaatliche Prinzipien, auch wenn die Prozessdauer manchmal deutlich länger ist, als wir das hier in Deutschland oder Europa gewohnt sind. Trotz der weltweiten Wirtschaftskrise bietet sich in Indien sowohl ein Beschaffungs- als auch ein Absatzmarkt von enormer Größe.
Man kann das daran erkennen, dass Indien eine Solarquote für alle Bundesstaaten eingeführt hat. Das ermöglicht auch für baden-württembergische Unternehmen im Solarbereich gigantische Absatzmärkte. Mittlerweile gibt es auch einzelne Bundesstaaten, die einen garantierten Einspeisetarif festgesetzt haben. Daran sieht man: Die Errungenschaften von RotGrün mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz haben es bis in Provinzen von Indien geschafft und werden dort nachge ahmt.
Es gibt also große Exportchancen. Wir können aber auch von Indien lernen. So haben Ausschussreisen gezeigt, dass es dort ein expansives Bildungsprogramm gibt.