Protocol of the Session on July 26, 2006

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 7. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Krank gemeldet ist Frau Abg. Queitsch.

Auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion GRÜNE für eine Nachbesetzung im Finanzausschuss (An- lage 1). Ich darf feststellen, dass Sie dieser vorgeschlagenen Nachbesetzung zustimmen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so beschlossen.

Eine Zusammenstellung der Eingänge liegt Ihnen vervielfältigt vor. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den entsprechenden Überweisungsvorschlägen zu. – Auch das ist so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung des Rechnungshofs vom 30. Juni 2006 – Denkschrift 2006 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes BadenWürttemberg mit Bemerkungen zur Landeshaushaltsrechnung 2004 – Drucksache 14/70

Überweisung an den Finanzausschuss

2. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juli 2006, Az.: 1 BvR 78/02 – Verfassungsbeschwerde der Frau M.-B., Altrip, wegen straßenrechtlicher Feststellung (Handverkauf von Zeitun- gen in Mannheim)

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Damit treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Zuwanderungsbegrenzung und -steuerung, Integration und Einbürgerung – BadenWürttemberg als Schrittmacher in Deutschland – beantragt von der Fraktion der CDU

Das Präsidium hat die üblichen Redezeiten festgelegt: für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen je fünf Minuten und für die Redner in der zweiten Runde ebenfalls je fünf Minuten.

Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an diese zeitliche Vorgabe zu halten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Heinz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Ereignisse waren für die CDU-Fraktion Anlass, diese Aktuelle Debatte zu beantragen: der Evaluierungsbericht zum Zuwanderungsgesetz und der Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt.

Wie sieht die Lage aus? Wenn man die FAZ vom 14. Juli dieses Jahres aufschlägt, liest man von einem Bericht über 11 000 Einwanderer auf den Kanarischen Inseln – eine erstaunlich hohe Zahl. Malta kämpft ebenfalls mit Problemen. Die UN kommt zum Ergebnis: Wir haben Migrationsströme mit etwa 191 Millionen Menschen im Jahr; Migrationen von Süd nach Nord, aber auch von Ost nach West und auch Rückmigration in die Länder, aus denen die Menschen ursprünglich gekommen sind.

Der UN-Sondergesandte für Migration, Peter Sutherland, hat den Auftrag, im September dieses Jahres einen Migrationsgipfel zu organisieren. Er kämpft noch damit und schimpft. Ähnliche kleinere Probleme haben wir in BadenWürttemberg auch: Ist das Justizministerium zuständig, das Innenministerium oder doch sogar das Außenministerium? Seine Probleme sind nicht einfach zu lösen. Aber ich denke, dieser Migrationsgipfel im September ist wichtig und wird eine entsprechende Zielmarke in der Frage bilden, wie es mit der Migration, mit der Zuwanderung weitergehen wird. Wir können nach meiner Meinung nur mit einem einheitlichen Handeln in der Europäischen Union etwas bewegen.

Lassen Sie mich auf den Evaluierungsbericht zum Zuwanderungsgesetz eingehen. Das Gesetz ist am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Seither sind erst eineinhalb Jahre vergangen. Ich gebe zu, dass ich nicht alle 260 Berichtsseiten gelesen, sondern nur kursorisch darübergeschaut habe.

(Heiterkeit – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir glau- ben es! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Hauptsache, ein wenig wissen!)

Wenn Sie ihn gelesen haben, dann können Sie sich ja zu Wort melden.

Mein Eindruck ist, dass sich das Zuwanderungsgesetz grundsätzlich bewährt hat. Aber – das will ich auch hinzufügen – es besteht punktuell Optimierungsbedarf.

Lassen Sie mich noch einige Punkte ansprechen, bei denen es, wie ich denke, Konsens oder auch Dissens zwischen den Fraktionen gibt. Wir werden das ja bald sehen.

Zunächst halte ich es für richtig und für eine Bestätigung auch unserer Linie, dass wir bei der Beibehaltung des Anwerbestopps geblieben sind. Mit Blick auf den angespannten Arbeitsmarkt in Deutschland war das eine richtige Entscheidung. Sie wissen, dass die Arbeitslosenquote der ausländischen Mitbürger annähernd doppelt so hoch ist wie die der deutschen Mitbürger. Vor diesem Hintergrund war es richtig, den Anwerbestopp beizubehalten.

Wir müssen aber – das will ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen – bei den Vorschriften für die Hochqualifizierten und für die Selbstständigen nachbessern. Hier hat man vielleicht die Einkommensgrenzen zu hoch gesetzt. Wir müssen eine Absenkung des erforderlichen Jahresverdienstes ins Auge fassen. Wir müssen auch Selbstständigen, die entsprechende Investitionen tätigen, von Anfang an ein Bleiberecht einräumen. Die bisherige Bilanz: Es sind einfach zu wenige in diesem Segment gekommen.

Ich will aber auch einräumen, dass Befürchtungen, die vor allem wir in der CDU gehabt haben, nicht eingetroffen sind: Wir haben die Neuregelung hinsichtlich der nichtstaatlichen Verfolgung und der geschlechtsspezifischen Verfolgung überschätzt. Wir hatten die Sorge und die Befürchtung, dass wir durch die Aufnahme dieser beiden Tatbestände in das Zuwanderungsgesetz erhebliche Wanderungsbewegungen auslösen würden. Das ist nicht eingetreten, und die 65 Fälle, zu denen es hier gekommen ist, sind sicherlich verkraftbar. Die Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet.

Aber eine weitere Frage, die aus meiner Sicht strittig bleibt, ist folgende: Wenn jemand Missbrauch betreibt, wenn er falsche Angaben macht und dadurch einen Prüfungsgrund bietet, dann, meinen wir, sollte das grundsätzlich ein Ausschlussgrund bleiben. Diese Frage ist im Moment noch sehr umstritten, auch in der Rechtsprechung.

Ein weiterer Punkt, der sich grundsätzlich bewährt hat und den wir in Baden-Württemberg auch umgesetzt haben, ist die Härtefallregelung nach § 23 a des Aufenthaltsgesetzes. Man merkt aber, wenn man die Zahlen der einzelnen Länder anschaut, dass hier noch Optimierungsbedarf – so will ich das einmal nennen – besteht. Wahrscheinlich muss man versuchen, durch eine Verwaltungsvorschrift, wie sie ja geplant ist, eine gewisse Harmonisierung, wie ich das einmal nennen möchte, zwischen den Bundesländern herbeizuführen. Es ist verwunderlich, dass Berlin 670, Nordrhein-Westfalen jedoch nur 200 solcher Härtefallregelungen hat. In Baden-Württemberg werden es – die aktuellen Zahlen habe ich nicht; die hat wohl der Herr Minister, und ich habe vorhin vergessen, ihn danach zu fragen – wahrscheinlich etwa 100 solcher Fälle sein. Wie aus dem letzten Bericht hervorgeht, den wir im Innenausschuss bekommen haben, waren es vor etwa einem Vierteljahr noch 57 Fälle. Ich vermute jedoch, dass wir mittlerweile auch bei über 100 Fällen liegen.

Ich will noch einen weiteren Punkt ansprechen, der aus meiner Sicht in den nächsten Wochen und Monaten geregelt werden muss. Ich meine die Bleiberechtsregelung oder, wie sie ja auch genannt wird, die Altfallregelung. Hier kam erst vor wenigen Tagen ein Signal von Bundesinnenminister Schäuble, der gesagt hat, er strebe an, zügig zu einer entsprechenden Lösung zu kommen. Sie müssen einfach se

hen: Wir wollen im Einvernehmen mit allen anderen Ländern und auch mit dem Bund eine Lösung anstreben.

(Abg. Ute Vogt SPD: Baden-Württemberg hat doch blockiert!)

Frau Vogt, ich denke, dass wir in Baden-Württemberg nicht blockieren werden. Im Gegenteil: Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir eine Altfallregelung mit Augenmaß bekommen.

Wenn Sie die „Süddeutsche Zeitung“ verfolgen, dann wissen Sie, dass Frankreich ähnliche Bemühungen unternimmt. Dort wird das Recht eingeräumt, einen Antrag für eine Regelung bei Altfällen zu stellen, die beispielsweise dann greift, wenn die Kinder zur Schule gehen. Das heißt, wir müssen probate Wege finden, wie wir eine solche Altfallregelung in Angriff nehmen können. Spanien hat schon eine größere Aktion durchgeführt.

Lassen Sie mich als Fazit in dieser ersten Runde zusammenfassen: Das Zuwanderungsgesetz hat sich insgesamt bewährt. Aber Nachjustierungen sind notwendig und sicherlich auch sinnvoll. Wir werden nach meiner Überzeugung eine Altfallregelung mit Augenmaß bekommen, die noch in diesem Jahr in Kraft treten wird.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dass Politik etwas bewirken kann, sieht man in der Tat an dem Einstieg des Kollegen Heinz, der deutlich gemacht hat, dass auch die Union inzwischen bei denjenigen angekommen ist, die erkannt haben, dass Zuwanderung geregelt werden muss. Sie haben doch noch vor fünf Jahren gesagt, wir brauchten kein Zuwanderungsgesetz und Deutschland sei kein Einwanderungsland. Sie wollten ganz und gar auf Regelungen verzichten. Insofern bin ich froh, dass Sie jetzt dieses rot-grüne Projekt des Zuwanderungsgesetzes mit solcher Freundlichkeit und Freude begrüßen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Hans Heinz CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Die spricht immer noch von Rot-Grün!)

Ich würde gern noch einmal zu dem von Ihnen hier eingebrachten Thema der Aktuellen Debatte kommen. Dieses Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen, lautet: BadenWürttemberg als Schrittmacher bei Zuwanderungssteuerung und Zuwanderungsbegrenzung, bei Integration und bei Einbürgerung. Stellen Sie sich bitte einmal den folgenden aktuellen Fall aus meinem Wahlkreis vor: Es geht um einen jungen Mann im Alter von 37 Jahren. Die Eltern stammen aus der Türkei, und der junge Mann wurde in Bretten geboren. Nun kommt er zum Ausländeramt und wird gefragt, warum er Deutscher werden wolle. Er fragt daraufhin: „Warum soll ich eine solche Frage beantworten müssen? Ich bin doch eigentlich Deutscher!“ Einem solchen jungen Mann, der hier aufgewachsen und hier integriert ist, sagen Sie nicht: „Ja

wohl, du sprichst wie wir, du arbeitest mit uns, du bist willkommen, und du sollst deutscher Staatsbürger werden.“ Vielmehr wird er in Baden-Württemberg erst einmal abgefragt. Er wird gefragt: Wie stehen Sie zum Beispiel zu der Aussage, dass die Frau ihrem Ehemann gehorchen soll und dass dieser sie schlagen darf, wenn sie nicht gehorsam ist?

(Zurufe von der CDU)

Oder Sie stellen die Frage: Welche Berufe soll eine Frau Ihrer Meinung nach ausüben, und hätten Sie Schwierigkeiten, Frauen als Autoritätspersonen anzuerkennen?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir sind doch nicht in der Augsburger Puppenkiste!)

Ich habe diese Reaktion erwartet, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das zeigt, dass dieses Denken auch bis in Ihre Reihen weit verbreitet ist.

Die Frage ist, ob Sie, die Sie auf der einen Seite sagen, Sie wollten Schrittmacher sein, sich eigentlich dessen bewusst sind, dass Sie mit solchen Fragen, mit denen Sie im Gesinnungstest denen, die sich einbürgern lassen, entgegentreten, auf der anderen Seite dazu beitragen, dass immer mehr Menschen sagen: „Nein, ich fühle mich hier überhaupt nicht willkommen“, dass integrierte Ausländerinnen und Ausländer das Gefühl haben, eher mit Vorurteilen und mit Argwohn betrachtet zu werden. Das ist ein falscher Weg.

„Schrittmacher“ würde bedeuten, dass Sie diesen Fragebogen sofort zurücknehmen und eine normale Einbürgerung in Baden-Württemberg möglich machen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Es gibt aus Baden-Württemberg schöne und kluge Worte, zum Beispiel von Herrn Staatsminister Rech.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Innenminister!)

Entschuldigung, ich meine Herrn Staatsminister Stächele. Er lächelt schon,