Protocol of the Session on June 18, 2009

Aber ich würde mich doch freuen, wenn Sie sich ordentlich informierten. Wir haben in diesem Land eine ordentliche Versorgung. Der letzte Bericht der Kassenärztlichen Vereinigung hat das auch aufgezeigt. Die Weichen sind durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz gestellt. Das gilt gerade auch für weibliche Ärzte –

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist richtig!)

die Landärztinnen haben Sie in Ihrer Überschrift übrigens völlig vergessen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Die Krankenhäu- ser auch!)

Daher gilt es jetzt, diese Regeln auch mit Leben zu erfüllen. Hierzu lade ich Sie ein. Arbeiten Sie konstruktiv mit, anstatt immer mit dem Finger auf andere zu zeigen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Seid ihr das Sprachrohr von Ulla Schmidt? So nach dem Motto: „Die Rente ist sicher, die Gesund- heit auch!“)

Frau Abg. Mielich, Sie haben das Wort.

(Zuruf von der CDU: Fünf Minuten?)

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Stolz, Sie haben davon gesprochen, dass die Versorgung auch im ländlichen Raum in fast allen Regionen zu 100 % gesichert sei, und Sie haben gesagt, es sei doch wichtig, die Kirche im Dorf zu lassen und das ganze Thema einmal etwas herunterzukochen. Ich kann Ihnen aus der Region Südbaden nur vermelden, dass es in den letzten Jahren anders ist. Im Wiesental beispielsweise hat man zwei Jahre lang händeringend nach einem Hausarzt gesucht,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: „Machen Sie doch keine Panik“, Frau Kollegin! Das war jetzt ironisch gemeint!)

der bereit gewesen wäre, einen solch großen Bereich abzudecken. Auch mit ganz vielen Anreizen – es wurde ein Grundstück bereitgestellt etc. – ist es nicht gelungen, diese Hausarztstelle zu besetzen.

Das heißt, auch wenn statistisch gesehen – im Durchschnitt mag das tatsächlich so sein – eine gute und ausgewogene Versorgung besteht, gibt es bereits jetzt Regionen, in denen eine Unterversorgung herrscht. Dem müssen wir uns deutlich stellen. Das ist das eine.

Zum Zweiten: Wir haben die Honorarreform. Wir müssen natürlich auch sagen, dass die Honorarreform Verlierer und Gewinner in den jeweiligen Arztgruppen hat. Ich finde, es muss innerhalb der Honorarreform und innerhalb des Budgets der niedergelassenen Ärzte umgesteuert werden.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Damit woanders Mangel entsteht?)

Wenn wir wollen, dass eine Basisversorgung, eine Gesundheitsversorgung auf dem Land entsprechend finanziert wird und entsprechend attraktiv ist, dann brauchen wir eine Stärkung genau dieser Disziplin.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Umverteilung wird nicht reichen!)

Wir brauchen eine Stärkung der sprechenden Medizin. Auf dem Land sind Ärzte auch Ansprechpartner z. B. für Leute, die alleine sind. Ganz viele Krankheiten – das wissen wir doch alle – sind psychosomatischer Natur. Das heißt, es ist ganz wichtig, diesen Bereich der sprechenden Medizin zu stärken. Und da muss eben auch deutlich mehr Geld hineingesteckt werden. Das ist das Zweite.

Das Dritte ist, lieber Herr Kollege Noll: Das, was Sie zu der Frage gesagt haben, wie Gesundheit in Zukunft finanziert werden soll, war ja sehr holzschnittartig.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Es geht nicht an- ders!)

Damit – das muss man dann natürlich schon sagen – schaffen Sie klar eine Zweiklassenmedizin. Patienten, die kein Geld für Zusatzversicherungen haben, können nur eine Basisversicherung abschließen, und das war es dann.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sie schaffen jetzt die Nullversorgung im ländlichen Raum!)

In diese Richtung gehen wir gerade mit der Unterfinanzierung im Gesundheitswesen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Dann gibt es nur noch eine Klasse: Keine Versorgung!)

Das ist auf gar keinen Fall das, was wir wollen. Wir wollen eine Stärkung. Wir wollen eine breitere Finanzierung. Wir wollen auf Bundesebene auf jeden Fall den Systemwechsel hin zu einer Bürgerversicherung.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Bürgersteuer! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Staatsmedi- zin!)

Jetzt möchte ich, wenn es um die Basisversorgung im ländlichen Raum geht, aber noch einmal deutlich sagen: Die Ideen, die Sie, Frau Ministerin, eben vorgestellt haben, sind die eine Sache. Wir haben schon jetzt Modellprojekte; ich denke etwa an die integrierte Versorgung im Kinzigtal.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

Das ist ein Erfolgsmodell. Da gibt es nach einer zweijährigen Praxis bereits die ersten Evaluationen, die deutlich sagen: Man erreicht auf diese Weise nicht nur einen Verbund in der Patien tenschaft, sondern man schafft es auch tatsächlich, die Gesundheitskosten insgesamt zu senken und den präventiven Bereich zu stärken. Damit ist es möglich, beides gleichzeitig hinzubekommen,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist sehr gut! Da sind wir uns einig!)

also eine qualitativ hochwertige Versorgung zu sichern und gleichzeitig auch die Gesunderhaltung schwerpunktmäßig nach vorn zu bringen. Gleichzeitig gibt es die freie Arztwahl. Das ist, wie ich finde, z. B. für den ländlichen Raum ein sehr, sehr erfolgversprechendes Modell, das man wirklich ausweiten kann.

Schönen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: In vielem Zustimmung!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 2 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Faktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für BadenWürttemberg – Drucksache 14/4586

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Gesetzentwurfs fünf Minuten, in der Aussprache über den Gesetzentwurf fünf Minuten je Fraktion.

Zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich Frau Abg. Ra stätter das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg verfügt über einen sehr hohen Standard in der Ausbildung von Sonderpädagogen, und an den Sonderschulen in Baden-Württemberg wird sehr gute Arbeit geleistet.

(Beifall des Abg. Andreas Hoffmann CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hoffmann.

Ich begrüße die seit Jahren überfällige Entscheidung der Landesregierung, die Sonderschulpflicht in Baden-Württemberg endlich abzuschaffen. Wir wissen aber auch, dass diese Entscheidung ausschließlich der UN-Menschenrechtskonvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu verdanken ist. Freiwillig ist diese Entscheidung nicht erfolgt. Das zeigt u. a. der hartnäckige Kampf, den diese Landesregierung gegen die Integrative Waldorfschule Emmendingen geführt hat, die erst wirklich anerkannt werden konnte, als sie das in einem Gerichtsurteil erzwungen hat.

In Artikel 24 der UN-Menschenrechtskonvention ist ein Rechtsanspruch für Kinder mit Behinderungen auf einen unentgeltlichen Grundschulunterricht und einen Unterricht in den weiterführenden Schulen festgeschrieben. Zugleich wird aber in der UN-Menschenrechtskonvention gefordert, dass ein inklusives Schulsystem auf allen Stufen des Bildungswesens eingerichtet werden muss.

Nun ist ganz klar: Die UN-Menschenrechtskonvention wird in den 174 Ländern, die die Konvention unterschrieben haben, unterschiedlich umgesetzt werden. Es gibt Länder, etwa in Afrika oder in Asien, in denen es nicht einmal einen Schulanspruch für behinderte Kinder oder gar einen allgemeinen Schulanspruch gibt, in denen es auch keine Sonderpädagogik gibt. Klar ist, dass dort erst einmal der Zugang zur Bildung für diese Kinder gewährleistet werden muss.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Aber – jetzt komme ich zu unserem Land – in Ländern mit hoch entwickelten Bildungssystemen wie Deutschland geht es darum, dass endlich der Anspruch auf ein inklusives Schulsystem umgesetzt wird, dass also an der Schule behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam unterrichtet und dabei individuell gefördert werden. Das ist die Herausforderung, vor der wir hier in Deutschland und insbesondere in BadenWürttemberg stehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen mit unserem Gesetzentwurf zur Umsetzung der UN-Menschenrechtskonvention in Baden-Württemberg zunächst zwei für die Eltern, für die Kinder und für die Schulen unerträgliche Situationen beenden.

Erstens: Der kräftezehrende Hürdenlauf von Eltern, die einen integrativen bzw. inklusiven Unterricht für ihre Kinder wünschen, muss endlich beendet werden. Sie werden selbst wissen, wie viele Eltern einen Antrag auf Teilnahme ihres Kindes an einem integrativen Schulentwicklungsprojekt, auf Aufnahme des Kindes in eine Außenklasse oder auf eine wohnortnahe Integration des Kindes stellen. Nach wie vor gibt es

viele Fälle, in denen sich die Eltern die Türklinken von Schulen in die Hand geben, in denen sie bei der Schulverwaltung anklopfen und bei denen doch keine Lösung erreicht wird. Für Eltern, die mit ihren Kindern ohnehin schwierige Herausforderungen zu bewältigen haben, ist dies ein zusätzlicher Stress, der auf keinen Fall akzeptiert werden darf. Deshalb stehen wir Grünen für ein uneingeschränktes Wahlrecht von Eltern auf eine inklusive Beschulung.

(Beifall bei den Grünen)

Zur zweiten unerträglichen Situation: Die „Graue Integration“ in Baden-Württemberg muss beendet werden. Ich möchte Ihnen hier ein Zitat aus einem Schreiben des Elternbeirats des Bildungs- und Beratungszentrums für Hörgeschädigte Stegen vorlesen, in dem die Eltern u. a. mit folgenden Worten begründen, warum sie eine Beschulung ihrer Kinder in der Sonderschule wünschen:

Unsere Kinder haben nicht selten leidvolle Erfahrungen gemacht in allgemeinen Schulen mit großen Klassen, nicht entsprechend ausgebildeten Lehrkräften, fehlenden sächlichen und räumlichen Ausstattungsnotwendigkeiten. Sie waren häufig Diskriminierungen ausgesetzt. Einige unserer Kinder benötigen zusätzlich gebärdensprachliche Kommunikation.