Protocol of the Session on June 17, 2009

Dass es bei einer so großen Reform wie der Einführung des Bachelor- und Mastersystems zu Schwierigkeiten kommt, weil manche Studiengänge zu eng geschnitten sind, weil sich Lehrstühle ihre Studiengänge und ihre Existenz dadurch sichern wollten, dass es sozusagen für jeden Lehrstuhl einen Studiengang gibt – siehe Romanistik an der Universität Heidelberg –, ist richtig. Das wird korrigiert. Die Rektorate sind dabei, diese Korrekturen durchzuführen. Aber es gibt keine große Reform, keinen großen Wurf, bei denen es nicht auch zu Fehlentwicklungen kommt. Wichtig ist nur, dass man auf die Fehlentwicklungen richtig reagiert.

Wenn Sie einen weiteren Punkt für den Erfolg unserer Hochschulen sehen wollen: Es gibt kein anderes Land, das für sein Hochschulsystem so viele Mittel für zusätzliche Bauten nach Artikel 91 b des Grundgesetzes eingeworben hat, und auch kein anderes Land, das auf eine Innovation wie das KIT gekommen ist.

Abschließend noch ein Wort zur Autonomie und zur Universität Stuttgart. Die Autonomie und Eigenverantwortlichkeit ist richtig. Unternehmerische Hochschulen, Herr Rivoir, heißt nicht „Wirtschaftsunternehmen“, sondern heißt im Englischen „Entrepreneurial“. Man soll etwas unternehmen. Jeder Wis

senschaftler und jede Wissenschaftlerin muss Unternehmer sein, weil nur der, der zu neuen Ufern aufbricht, ein guter Wissenschaftler, eine gute Wissenschaftlerin sein kann.

(Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD)

Das heißt, man unternimmt etwas. Sie sollten vielleicht mit der hervorragenden Germanistin Frau Professor Richter von der Universität Stuttgart zum Wortsinn des Unternehmertums zurückkehren und nicht bei Ihrer ideologisch verblendeten Definition von Unternehmertum bleiben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Es ist richtig, dass Universitäten sich strukturieren und dass Universitäten sich aufstellen, für Wettbewerbe Stärken stärken und Schwächen abbauen. Was in Stuttgart vorliegt, sind erste Überlegungen des Rektorats. Dass Überlegungen öffentlich werden, ist nicht besonders sinnhaft.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aber häu- fig!)

Aber jetzt kommt die Phase, in der diese Überlegungen in die entscheidenden Gremien gehen: in den Universitätsrat und in den Senat. Dann gibt es für das Land die Entscheidung, einer Struktur- und Entwicklungsplanung zuzustimmen. Aber wir begeben uns sozusagen nicht in den Denkprozess der Rektorate. Das ist mit Autonomie, mit Freiheit und Entwicklungschancen nicht zu vereinbaren.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Genau!)

Wenn wir einen Entwicklungsplan aufstellen, dann haben wir bestimmte Kriterien, nämlich die Verträglichkeit für das Land, die Verträglichkeit für die Nachbarhochschulen, etwa die Frage der gymnasialen Lehrerausbildung, die für uns wichtig ist, weil wir die einzigen Abnehmer sind. In diesem Kontext steht auch die Frage – das habe ich auch gestern in der Diskussion gesagt –: Wie verträgt sich das mit der Musikhochschule, wie verträgt sich das mit der Kunsthochschule in gemeinsamen Studiengängen? Das ist unsere Verantwortung, aber dafür muss uns erst einmal eine konzise Planung vorliegen, die durch die Gremien gegangen ist. Ich glaube, wir werden nach der Universitätsratssitzung der Universität Stuttgart klüger sein als jetzt, und wir werden auch beruhigter und zufriedener sein, als manche jetzt sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

In unserem Land gibt es wirklich keinen Anlass für einen Bildungsstreik und dafür, die Rektoren dazu aufzurufen, am Bildungsstreik teilzunehmen, Herr Rivoir.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Der scheut vor nichts zurück!)

Wollen Sie denn den hervorragenden Rektor der hervorragenden Universität Ulm, an der niemand streikt, als Einzigen zum Bildungsstreik aufrufen?

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Der scheut vor nichts zurück! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das macht Herr Rivoir schon selbst in Ulm! – Abg. Mar- tin Rivoir SPD: Was der mir unter vier Augen erzählt, das traut er sich nicht, Ihnen zu erzählen!)

Das Passendste wäre vielleicht, wenn man gelegentlich, bevor man etwas sagt, was man besser nicht gesagt hätte, in einen internen Streik getreten wäre.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Bauer das Wort.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Noch einmal? – Abg. Werner Pfisterer CDU: Gibt’s noch etwas zu sagen? Es gibt nichts mehr zu sagen! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt Einsicht zeigen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch zwei kurze Bemerkungen. Wenn man Ihnen vom Regierungslager in der Debatte zuhört, versteht man überhaupt nicht, warum draußen auf der Straße 15 000 Menschen protestieren. Das sind doch nicht irgendwelche ferngesteuerten Krawallinskis!

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Das verstehen wir auch nicht!)

Machen Sie nur weiter so. Das alles scheint für Sie kein Problem zu sein. Sie haben jedenfalls etwas Grundlegendes nicht verstanden.

Nun zu Ihren Ausführungen: Was nützen denn Ihre Lobesreden auf die wunderbaren Rankings?

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Was nützen sie z. B. den Romanisten in Heidelberg, die nachgewiesen haben, dass die ganz normale Lehre in ihrem Institut nur aufrechterhalten werden kann, weil dafür Studiengebührenmittel verwendet werden, und zwar in nicht geringem Umfang? Was nützt denen das Ranking bei ihrem Problem?

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Da muss man sich doch auch einmal die Struktur des Romanistischen Instituts anschauen!)

Was nützt es den PH-Studierenden, die das gleiche Problem haben? Bei denen bricht die Lehre zusammen, die sie aus ihren eigenen Studiengebühren finanziert haben.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Das sind hausgemach- te Probleme!)

Nein, das ist ein Teil der Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit. – Was nützt den Studierenden, die konkrete, präzise Probleme in ihrem Studienangebot nachweisen, dass ein KIT gegründet wird? Ich freue mich über das KIT, da sind wir dabei. Aber die ganzen Erfolge in der Forschung nützen den Studierenden für ihre Studienbedingungen nichts. Da ist der Hund begraben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Miss Kassandra!)

Was nützen die Lobeslieder der Regierungsfraktionen den Studierenden, die Mitsprache einfordern, weil sie die Missstände kennen? Sie wollen mitreden, sie wollen mitentscheiden. Wenn sie anfangen, sich einzumischen, dann kommt ein Rek

tor und sagt: Der Streik ist die erste Stufe zur Gewalt. Ein anderer Rektor redet mit den Studierenden nur so lange, wie sie die gleiche Meinung haben wie er; sobald sie aber ihre eigene Meinung vertreten, sagt er: Schluss der Debatte. Mitbestimmen geht nur, solange sie nicht im Dissens mit dem Rektor sind.

Wenn Sie, Herr Minister, sagen, die Fehler im System würden behoben – und beim Umstellen auf Bachelor und Master gibt es selbstverständlich Fehler –, brauchen wir eine Kultur, in der die Studierenden sich einbringen können, in der sie wirklich mitreden können, auch wenn es unangenehm wird.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Die haben wir doch!)

Da besteht in Baden-Württemberg Nachholbedarf.

Es wäre eine gute Sache, wenn heute aus diesem Haus das Signal käme: Wir laden alle Studentinnen und Studenten ein, sich ernsthaft zusammenzusetzen und mitzureden, die Missstände konkret zu benennen und verbindliche und verbriefte Mitspracherechte zu erhalten, nicht nur ein bisschen informell, sondern als verbindliches Recht.

Das wäre übrigens auch ein Beitrag zur Umsetzung des Bologna-Prozesses. Denn eine Zielsetzung des Bologna-Prozesses ist, dass Studierende als mündige Bürgerinnen und Bürger aus dem Studium entlassen werden. Wie soll Mündigkeit denn erlernt und praktiziert werden, wenn nicht schon in der Schule und im Studium? Deswegen wäre es ein sehr gutes Signal, wenn hier heute klargestellt würde: Mitsprache ist erwünscht, und Mitsprache ist keine Gnade, sondern ein Recht in diesem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Löffler das Wort.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Alles gesagt!)

Nein? Gut.

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Rivoir das Wort.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Bildungs- streiker Rivoir! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Hat er noch Redezeit?)

Er hat noch ein bisschen Redezeit.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Aber nichts zu sagen!)

Er hat genug zu sagen. Warten Sie es ab.

(Zurufe, u. a. der Abg. Johannes Stober SPD und Winfried Kretschmann GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will nur noch einmal auch langgedienten Fraktionsvorsitzenden erklären: Bei einer Aktuellen Debatte gibt es einleitende Erklärungen der Fraktionen mit einer Redezeit von fünf Minuten und danach eine Aussprache mit einer Re