Protocol of the Session on May 13, 2009

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt die Landesverwaltung noch weit unter dem ebenfalls sehr geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen in der privaten Wirtschaft, der in Baden-Württemberg bei etwas mehr als 18 % liegt.

Genauso wenig kann die schleppende Umsetzung des Gesetzes im kommunalen Bereich hingenommen werden. Im Gegensatz zu den Frauenfördergesetzen anderer Bundesländer bezieht das baden-württembergische Chancengleichheitsgesetz – das haben wir von Anfang an kritisiert – die Kommunen, die Kommunalverwaltungen nur in sehr eingeschränkter Form ein. Die von der Landesregierung vorgelegte Umsetzungsbilanz offenbart, dass die Kommunen sogar die wenigen gesetzlichen Vorgaben zur Frauenförderung in weiten Bereichen ignorieren.

Das gilt z. B. für die gesetzliche Pflicht, dass Gemeinden mit mehr als 8 000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie die Stadt- und Landkreise Chancengleichheitspläne zu erstellen haben. Bei einer Umfrage gaben nur 92 Gemeinden im Land an, dass sie einen Chancengleichheits- bzw. Frauenförderplan erstellt haben. Insgesamt haben sich 212 der 315 Gemeinden mit mehr als 8 000 Einwohnerinnen und Einwohnern an der Umfrage der Landesregierung beteiligt. Das heißt, es gibt viele Gemeinden, bei denen wir überhaupt keine Erkenntnisse über die Umsetzung des Chancengleichheitsgesetzes haben.

(Abg. Ute Vogt SPD: Dann haben sie wahrscheinlich auch noch nichts gemacht! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das hängt doch nicht davon ab!)

Liebe Frau Ministerin, das Mindeste wäre, dass die Landesregierung Sorge dafür trägt, dass es zumindest einmal ein voll

ständiges Bild über den Stand der Umsetzung des Chancengleichheitsgesetzes gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Landesregierung nimmt bisher achselzuckend hin, dass nach dieser Umfrage aus dem letzten Jahr deutlich mehr als die Hälfte der Gemeinden trotz gesetzlicher Vorgaben keinen Chancengleichheitsplan erstellt haben. Das zeigt, dass die Gleichstellungspolitik bei Ihnen leider nach wie vor ein Mauerblümchendasein führt. Das wird der Bedeutung dieses wichtigen Feldes einfach nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Re- nate Rastätter GRÜNE)

Nach der Verwaltungsreform hat die Bedeutung der Stadt- und Landkreisverwaltungen zugenommen. Deshalb ist es einfach nicht hinnehmbar, dass die Frauenförderung so schleppend vorankommt und viele noch nicht einmal die gesetzlichen Vorgaben einhalten.

Für uns in der SPD, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Konsequenzen aus dieser Bestandsaufnahme klar: Wir brauchen endlich ein Chancengleichheitsgesetz mit deutlich mehr Biss,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

das dann dafür sorgt, dass die Beauftragten für Chancengleichheit Instrumente in der Hand haben, um die gleichstellungspolitischen Ziele tatsächlich umsetzen zu können.

Die zweite Forderung ist: Eine uneingeschränkte Durchsetzung des Gesetzes im kommunalen Bereich ist überfällig. Es kann nicht hingenommen werden, dass viele Kommunen die gesetzlichen Vorgaben des Chancengleichheitsgesetzes offenkundig ignorieren, und es kann erst recht nicht hingenommen werden, dass die Landesregierung bisher tatenlos dabei zuschaut.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Anträge schon älter als ein Jahr sind, haben sie doch nichts an Aktualität verloren. Es ist sogar ein guter Zeitpunkt, so kurz vor der Kommunalwahl nochmals über die wichtige Arbeit der kommunalen Frauen- und Chancengleichheitsbeauftragten zu reden. Es ist natürlich ein schlechter Zeitpunkt, wenn man sich jetzt die Uhrzeit anschaut.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wie wahr!)

Außerdem wollen wir eine erste Bilanz ziehen, welche Auswirkungen das 2005 beschlossene Chancengleichheitsgesetz gehabt hat oder auch nicht gehabt hat, und dann auch die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Dass es Handlungsbedarf gibt, zeigen die Stellungnahmen der Landesregierung zu den Anträgen von SPD und Grünen deutlich auf. So sind wir von Chancengleichheit in den Kommu

nen, in den öffentlichen Verwaltungen sowie in den Hochschulen noch weit entfernt. Auch wenn wir in diesem Jahr 90 Jahre Frauenwahlrecht feiern, zeigt sich doch, dass die formale Gleichberechtigung vor dem Gesetz und die faktische Gleichberechtigung im praktischen Leben nach wie vor zwei höchst unterschiedliche Paar Stiefel sind.

Real bestehen weiterhin erhebliche Gleichstellungsdefizite. Obwohl Frauen die besseren Schulabschlüsse haben, gut qualifiziert sind und gut die Hälfte der Studienanfänger stellen, sind Vollerwerbsstellen und Führungspositionen nach wie vor fest in Männerhand. Deshalb müssen wir noch viel daran arbeiten, dass das Ziel des Chancengleichheitsgesetzes, also die berufliche Förderung von Frauen und eine deutliche Erhöhung des Frauenanteils in allen Bereichen, in denen sie geringer vertreten sind, auch in Baden-Württemberg erreicht und umgesetzt wird.

So weit sind diese Zielvorgaben heute, glaube ich, Konsens bei allen hier in diesem Haus. Die Unterschiede ergeben sich, wenn es darum geht, wie die Umsetzung funktionieren soll. Wie sieht denn nun tatsächlich die Praxis auf kommunaler Ebene in Baden-Württemberg aus?

Fakt ist, dass Baden-Württemberg das einzige Bundesland ist, in dem den Kreisen und Gemeinden auch nach der Novellierung des Landeschancengleichheitsgesetzes nicht verpflichtend vorgeschrieben ist, eine Frauen- oder Chancengleichheitsbeauftragte zu bestellen. Das halten wir nach wie vor für den größten Konstruktionsfehler dieses Gesetzes.

Tatsache ist ebenso, dass Städte und Landkreise, die eine hauptamtliche Frauen- oder Chancengleichheitsbeauftragte haben – davon haben wir in Baden-Württemberg leider nur 46 –, in Sachen Gleichstellungspolitik, Frauenförderung und bei Angeboten z. B. für Existenzgründerinnen oder beim Aufbau von Netzwerken für Selbsthilfegruppen um einiges weiter sind als Städte und Landkreise ohne Frauen- und Chancengleichheitsbeauftragte. Diese haben eine wichtige Funktion. Es geht dabei nicht darum, nur irgendeine Alibi- oder „Feigenblattstelle“ zu installieren,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wenn Sie das vorschreiben, passiert das aber!)

sondern Frauen- und Chancengleichheitsbeauftragte sorgen vor Ort dafür, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen zur Gestaltung ihres Lebens haben. Sie leisten sowohl durch behördeninterne wie durch externe Maßnahmen zur Frauenförderung unverzichtbare kommunale Gleichstellungsarbeit. Dabei gehört die Querschnittsfunktion innerhalb der Verwaltung genauso zu ihrem Aufgabenprofil wie das Initiieren von Projekten beispielsweise zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen oder zur Unterstützung von Existenzgründerinnen. Darüber hinaus sind sie Initiatorinnen und Moderatorinnen von Netzwerken und vertreten Frauenbelange in der Öffentlichkeit und in Gremien.

Die Landesregierung rühmt sich nun, im novellierten Gesetz mit einer Sonderregelung für Gemeinden, Landkreise und sonstige Körperschaften und Anstalten genug getan zu haben. Diese regelt im 5. Abschnitt des Chancengleichheitsgesetzes die Aufgaben der Gemeinden und der Landkreise in § 23 und die Erstellung von Chancengleichheitsplänen in § 24. Dabei

geht es um Maßnahmen der behördeninternen wie auch der externen Frauenförderung ebenso wie um strukturelle Maßnahmen zur Herstellung gleicher Chancen von Frauen und Männern. Gerade vor Ort in den Kommunen, wo Frauen und Männer leben und arbeiten, ihre Kinder großziehen, ihre Freizeit verbringen, haben geschlechtergerecht gestaltete Maßnahmen eine direkte positive Wirkung.

Im Landeschancengleichheitsgesetz ist in § 24 verankert, dass Gemeinden mit mehr als 8 000 Einwohnerinnen und Einwohnern Chancengleichheitspläne erstellen sollen. Über das Verfahren und die Form entscheiden sie eigenverantwortlich. Sie sollen – sie tun es aber zum größten Teil bis zum heutigen Tage nicht, und die wenigen, die es tun, tun sich sehr schwer damit.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wählt mehr Frauen in den Gemeinderat!)

Deshalb, Kollege Noll, hat die Landesregierung 2009 nun in Abstimmung mit dem baden-württembergischen Städtetag und dem Landkreistag Empfehlungen zur Aufstellung eines kommunalen Chancengleichheitsplans entwickelt, um die Kommunen bei dieser schwierigen Aufgabe zu unterstützen. Ich will noch einmal darauf hinweisen: Das Gesetz ist 2005 in Kraft getreten, 2009 gibt es nun Empfehlungen, weil man doch noch gemerkt hat, dass die Kommunen offenbar nicht in der Lage sind – oder sich zumindest sehr schwer damit tun –, Chancengleichheitspläne zu erstellen. Diese Empfehlungen lesen sich wunderbar und umschreiben genau den Arbeitsbereich, intern und extern, den eine kommunale Frauenbeauftragte wahrnehmen soll.

Die Möglichkeiten zur Verwirklichung der Chancengleichheit in Städten sind noch nicht ausgereizt. Dies hat auch der Sprecher des Städtetags, Herr Stehle, der Presse gegenüber eingeräumt. Die Kommunen haben genug Zeit gehabt, in Sachen Chancengleichheit aktiv zu werden. Da bisher aber nur wenige Kommunen die vorgeschriebenen Chancengleichheitspläne aufgestellt haben, ist es an der Zeit für verbindlichere Vorgaben. Ich frage Sie, wie diese Aufgaben von den laut Gesetz zu benennenden Stellen oder Ansprechpartnern umgesetzt werden sollen, wenn diese zu völlig unterschiedlichen Bedingungen, was Freistellung bzw. Stellenumfang betrifft, arbeiten.

Unter dem Strich kann man feststellen, dass die Bilanz des Chancengleichheitsgesetzes vier Jahre nach dessen Inkrafttreten ziemlich ernüchternd ist.

Erstens: Die Sonderregelung für die Gemeinden und Landkreise greift nicht. Die Umsetzung des Chancengleichheitsgesetzes in den §§ 23 und 24 ist in den Kommunen bislang lückenhaft und völlig unbefriedigend erfolgt. Es zeigt sich, dass ohne Einbeziehung der Gemeinden und Landkreise in den Geltungsbereich des Gesetzes eine Verankerung von haupt amtlichen Frauen- und Chancengleichheitsbeauftragten mit angemessener Arbeitszeit und behördeninternen wie auch externen Aufgaben nicht flächendeckend zu erreichen ist.

Zum Zweiten zeigt sich in der Praxis, dass der Gleichstellungsauftrag sehr unterschiedlich umgesetzt wird und oftmals in nebenamtlicher Tätigkeit erbracht wird. Es ist keine einzige neue Stelle hierfür eingerichtet worden.

Zum Dritten ist die Ausweitung des Geltungsbereichs des Chancengleichheitsgesetzes auf Gemeinden mit mehr als 8 000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie die 44 Stadt- und Landkreise dringend notwendig. Statt Fortschritte feststellen zu können, ist das Gegenteil zu beobachten. In den vergangenen fünf Jahren zeigt sich eine Tendenz zum Rückbau der Stellen und zur Übertragung neuer Aufgaben, z. B. im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements. Auch die finanzielle Ausstattung für die Arbeit der kommunalen Frauen- und Chancengleichheitsbeauftragten entwickelt sich rückläufig.

Einen guten Vorschlag hat der Landesfrauenrat bei seiner letzten Delegiertenversammlung gemacht. Die Beschlüsse dieser Delegiertenversammlung vom 24. April wurden heute ja an Sie verteilt. Der Landesfrauenrat fordert die Landesregierung und den Landtag auf,

das Chancengleichheitsgesetz zu einem verbindlichen Instrument der Chancengleichheitspolitik in den Kommunen auszubauen.

Insbesondere betrifft das die Einführung einer Berichtspflicht für die Gemeinden zur Umsetzung der §§ 23 und 24 des Chancengleichheitsgesetzes. Ich halte es für einen sehr vernünftigen Vorschlag, einen Bericht über die Erstellung und die Umsetzung des Chancengleichheitsplans zu verlangen, weil wir immer wieder sagen müssen – so auch jetzt –, dass es nur sehr wenige Gemeinden sind, die bislang dieser Pflicht nachgekommen sind. Mit einer Berichtspflicht würden die Zahlen regelmäßig auf dem Tisch liegen.

Mit dem Punkt, den der Landesfrauenrat als Letztes fordert, setzen sich auch die Frauen aller vier Fraktionen im Landtag seit einiger Zeit auseinander. Das ist die Einführung einer Bestimmung, mit der das Prinzip des Gender-Mainstreamings insbesondere auch bei der Aufstellung der Haushalte umzusetzen ist. Es geht dabei also um das Thema Gender-Budgeting, das auch für den Landeshaushalt anzugehen ist. Im Gespräch ist dabei die Durchführung einer gemeinsamen Anhörung, und ich hoffe, dass aus dieser gemeinsamen Anhörung dann auch die Konsequenz folgt, dass wir im Landeshaushalt Gender-Budgeting einführen.

Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir den Beschlussteil unseres Antrags aufrechterhalten, weil wir der Meinung sind, dass wir mit kommunalen Chancengleichheitsbeauftragten beim Thema „Chancengleichheit in Baden-Württemberg“ heute bereits weiter wären. Daher werden wir darüber abstimmen lassen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Raab für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor noch nicht einmal sechs Wochen haben wir im Sozialausschuss den Berichtsantrag Drucksache 14/3967 behandelt und dem Plenum empfohlen, ihn für erledigt zu erklären. Seine Überschrift lautet: „Chancengleichheit in den Kommunen und Landkreisen – Zwischenbilanz“. Da

ran ist zu erkennen, dass es der Aufmerksamkeit der Antragsteller entgangen ist, dass Landkreise auch Kommunen sind.

Dessen ungeachtet lässt der Inhalt der Debatte im Ausschuss den Schluss zu, dass Sie die Sonderregelung für die Kommunen, die durch das Gesetz eingeführt wurde, nicht akzeptieren. Ich habe im Ausschuss schon damals gesagt: Es gehört zum Recht der kommunalen Selbstverwaltung, dass die Kommunen dafür sorgen, in eigener Verantwortung das Gesetz anzuwenden. Dies zu kontrollieren ist die Aufgabe der Gemeinderäte und der Kreistage. Dort muss das geschehen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es!)

Da sind wir alle vertreten und können deutlich machen, was wir in diesem Bereich verbessern wollen. Wir müssen verbessern – insofern gebe ich Ihnen recht.

Wir werden auch dem Antrag, den Sie gestellt haben, nicht zustimmen. Denn wir sind der Meinung, wir sollten hier keine gesetzliche Ausweitung vornehmen. Vielmehr müssen die Kommunen das, wozu sie schon heute verpflichtet sind, in eigener Verantwortung durchführen.